Jugendstrafe – und die frühere Bewährungsstrafe

Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG ist bei der Ahndung von Straftaten nach Jugendstrafrecht, wenn eine anderweitige, bereits rechtskräftige Verurteilung zu einer Sanktion gemäß § 27 JGG noch nicht erledigt ist, grundsätzlich auf eine einheitliche Rechtsfolge zu erkennen1.

Jugendstrafe – und die frühere Bewährungsstrafe

Die Einbeziehung der früheren Verurteilung darf nur ausnahmsweise unterbleiben, wenn dies aus erzieherischen Gründen zweckmäßig ist (§ 31 Abs. 3 Satz 1 JGG).

Ein Absehen von der Einbeziehung erfordert Gründe, die unter dem Aspekt der Erziehung von besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen2. Erst wenn solche Gründe festgestellt sind, ist der tatrichterliche Ermessensspielraum eröffnet.

Im vorliegenden Fall ist die Jugendkammer indes von einem abweichenden rechtlichen Ansatz ausgegangen. Unter Berufung auf eine Fundstelle in der Kommentarliteratur3 hat sie angenommen, dass zu dem Zweck, eine Strafaussetzung zur Bewährung zu ermöglichen, die Verhängung einer zweiten selbständigen Jugendstrafe bereits dann zulässig sei, wenn in dem Fall, dass auf eine Einheitsjugendstrafe erkannt würde, wegen deren Höhe eine Aussetzung der Vollstreckung ausgeschlossen sei, eine derartige Entscheidung aber „erzieherisch noch zu vertreten“ sei.

Dieser Ansatz stimmt mit der dargelegten – vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vorgenommenen – Auslegung des § 31 Abs. 3 Satz 1 JGG nicht überein; denn eine erzieherisch noch vertretbare Aussetzung der Vollstreckung ist nicht gleichbedeutend mit einem Umstand, der unter dem Erziehungsaspekt von besonderem Gewicht ist. Gleiches gilt für eine günstige Prognose im Sinne des § 21 JGG4. Unter dem Gesichtspunkt, die Strafaussetzung zur Bewährung zu ermöglichen, ist vielmehr für ein Absehen von der Einbeziehung vonnöten, dass – über eine solche Prognoseentscheidung hinaus – erzieherische Gründe von besonderem Gewicht das Nebeneinander zweier Jugendstrafen gebieten5. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31.10.19956 ergibt sich nichts anderes.

Erzieherische Gründe von besonderem Gewicht, die gegen eine Einheitsjugendstrafe sprächen, hat die Jugendkammer – als Folge des von ihr zugrunde gelegten unzutreffenden rechtlichen Maßstabs – nicht dargetan.

Hinzu kam im vorliegenden Fall, dass der Angeklagte zur Zeit der Hauptverhandlung drei Monate vor Vollendung des 22. Lebensjahrs stand und er somit bereits als im strafrechtlichen Sinne erwachsen galt. Im Rahmen der Prüfung des § 31 Abs. 3 Satz 1 JGG wäre daher zu bedenken gewesen, dass dem Erziehungsgedanken nur noch ein geringeres Gewicht zukommen kann7. Umso weniger liegt es hier nahe, dass erzieherische Gründe von besonderem Gewicht eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheitsjugendstrafe gebieten könnten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Juli 2018 – 3 StR 189/18

  1. vgl. Eisenberg, JGG, 20. Aufl., § 31 Rn. 16, 26[]
  2. vgl. BGH, Urteile vom 07.11.1988 – 1 StR 620/88, BGHSt 36, 37, 42 ff.; vom 31.10.1995 – 5 StR 470/94, NStZ-RR 1996, 120 f.; Beschluss vom 08.04.1997 – 4 StR 31/97, BGHR JGG § 31 Abs. 3 Nichteinbeziehung 2; Urteil vom 09.08.2001 – 1 StR 211/01, NJW 2002, 73, 77; Beschlüsse vom 09.07.2004 – 2 StR 150/04, StraFo 2004, 394; vom 01.06.2010 – 4 StR 208/10, StV 2011, 590[]
  3. Schatz in Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 7. Aufl., § 31 Rn. 60[]
  4. ebenso Eisenberg, JGG, 20. Aufl., § 31 Rn. 32[]
  5. vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.05.1983 – 2 Ss 34/83 – 43/83 II, MDR 1983, 956; Brunner/Dölling, JGG, 13. Aufl., § 31 Rn. 29[]
  6. BGH, Urteil vom 31.10.1995 – 5 StR 470/94, NStZ-RR 1996, 120 f.[]
  7. vgl. Eisenberg, JGG, 20. Aufl., § 31 Rn. 28 aE; kritisch zu einem staatlichen Erziehungsrecht gegenüber Erwachsenen BGH, Beschluss vom 20.08.2015 – 3 StR 214/15, NStZ 2016, 101 f. mwN[]