Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotenen Rücksichtnahme auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften bei der Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass, wenn und soweit die Kirchen die Möglichkeit geschaffen haben, Rechtsstreitigkeiten von einem kirchlichen Gericht beurteilen zu lassen, und somit die Gelegenheit besteht, die Streitigkeit im Einklang mit dem kirchlichen Selbstverständnis beizulegen, die verfassungsrechtlich geschuldete Rücksichtnahme gegenüber diesem Selbstverständnis den staatlichen Gerichten gebietet, über Fragen des kirchlichen Amtsrechts jedenfalls nicht vor Erschöpfung des kirchlichen Rechtswegs zu entscheiden1.

Auf dieser Grundlage verweist das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg darauf, dass ungeachtet der Frage, ob der innerreligionsgemeinschaftliche Rechtsschutz hinter den für staatliche Maßnahmen geltenden Verfahrensgrundsätzen zurückbleibt oder nicht, der Beschwerdeführer gehalten war, seinen Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas zunächst im sogenannten Rechtskomitee-Verfahren überprüfen zu lassen; das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften gebiete den staatlichen Gerichten auch bei Unterschreitung der für staatliche Maßnahmen geltenden Verfahrensgrundsätze, nicht vor der Erschöpfung des innerreligionsgemeinschaftlichen Rechtswegs zu entscheiden2.
Wurde die in § 15 Abs. 1 Nr. 6 des Statuts von Jehovas Zeugen in Deutschland vorgesehene Berufung gegen den Beschluss des Rechtskomitees nicht eingelegt, ohne dass erkennbar ist, dass das Beschreiten des innerreligionsgemeinschaftlichen Rechtswegs von vornherein aussichtslos oder aus sonstigen Gründen für den Ausgeschlossenen unzumutbar gewesen wäre, fehlt es an einer hinreichend substantiierten Darlegung der Möglichkeit einer Verletzung seines Justizgewährungsanspruchs.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 3. April 2019 – 2 BvR 328/16
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.09.1998 – 2 BvR 1476/94, Rn. 30[↩]
- OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.01.2016 – OVG 5 N 8.13[↩]
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