Der Ex-AfD-Abgeordnete – und die Unzumutbarkeit seiner Richtertätigkeit

Der Bundesgerichtshof – als Dienstgericht des Bundes – hat die vom Dienstgericht für Richter beim Landgericht Leipzig ausgesprochene Zulässigkeit der Versetzung eines wieder als Richter tätigen ehemaligen Bundestagsabgeordneten in den Ruhestand bestätigt.

Der Ex-AfD-Abgeordnete – und die Unzumutbarkeit seiner Richtertätigkeit

Der Richter trat am 1. April 1992 in den Justizdienst des Antragstellers ein. Er war seit 1997 bis zum Beginn seiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag als gewählter Abgeordneter der Partei „Alternative für Deutschland (AfD)“ am 24. Oktober 2017 als Richter am Landgericht tätig. Nach Beendigung dieser Mitgliedschaft beantragte er die Zurückführung in das frühere Dienstverhältnis. Das Sächsisches Staatsministerium der Justiz übertrug  ihm zur Erfüllung dieses Rechtsanspruchs das Amt eines Richters am Amtsgericht.

Das Sächsisches Staatsministerium der Justiz, das beabsichtigt, den Richter auf der Grundlage von § 31 Nr. 3 DRiG in den Ruhestand zu versetzen, hat bei dem Landgericht Leipzig – Dienstgericht für Richter beantragt, die Versetzung des Richters in den Ruhestand für zulässig zu erklären. Das Justizministerium ist der Auffassung, der Richter habe durch seine Mitwirkung im sogenannten „Flügel“, einer formal aufgelösten und im Sächsischen Verfassungsschutzbericht 2020 als rechtsextremistischer Personenzusammenschluss bezeichneten Gruppierung innerhalb der Partei AfD, sowie durch wiederholte rassistische, antisemitische, nationalistische und geschichtsrevisionistische Äußerungen seine Glaubwürdigkeit als Organ der Rechtspflege und das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit bei der Ausübung des ihm anvertrauten Richteramtes endgültig verloren.

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Das Landgericht Leipzig – Dienstgericht für Richter – hat die Versetzung des Richters in den Ruhestand für zulässig erklärt1. Es lägen Tatsachen vor, aufgrund derer der Richter in seiner künftigen Rechtsprechung nicht mehr glaubwürdig erscheine und das Vertrauen in seine Unvoreingenommenheit nicht mehr bestehe, sodass gemäß § 31 Nr. 3 DRiG seine Versetzung in den Ruhestand zwingend geboten sei, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden.

Die hiergegen gerichtete Revision des Richters hatte vor dem Bundesgerichtshof – Dienstgericht des Bundes – keinen Erfolg. Das Dienstgericht des Bundes hat in seiner Entscheidung wesentliche Rechtsgrundsätze dazu aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen die politische Betätigung eines Richters seine Versetzung gemäß § 31 DRiG im Interesse der Rechtspflege rechtfertigen kann:

Danach kommt eine solche Versetzung grundsätzlich in Betracht, wenn der Richter nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten wird. Das gilt nicht nur für die Berufung in das Richterverhältnis, sondern ist dauernde Voraussetzung für die Ausübung des Richteramts auf der Grundlage des Grundgesetzes. Auf dem Boden des Grundgesetzes ist unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Richteramts die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters. Tatsachen, die eine Versetzung nach § 31 DRiG rechtfertigen, liegen danach im Falle einer politischen Betätigung des Richters vor, wenn er sich in herausgehobener Stellung bei einer politischen Gruppierung betätigt, die Grundlagen des demokratischen Verfassungsstaats ablehnt. Weiter rechtfertigen Tatsachen eine Versetzung des Richters, wenn er durch sein Auftreten in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, er werde aus politischen Gründen sein künftiges dienstliches Verhalten an seiner persönlichen Einschätzung und nicht mehr allein an den Gesichtspunkten der Sachrichtigkeit, Rechtstreue, Gerechtigkeit, Objektivität und dem Allgemeinwohl ausrichten.

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Ausgehend hiervon hat das Leipziger Richterdienstgericht aus den von ihm festgestellten, vom Richter stammenden oder ihm zuzurechnenden Äußerungen und Verhaltensweisen im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung rechtsfehlerfrei den Schluss gezogen, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Person und die Amtsführung des Richters in hohem Maße beeinträchtigt sei und seine weitere rechtsprechende Tätigkeit den Eintritt eines schweren Schadens für das Ansehen der Rechtspflege besorgen lasse, die sein Verbleiben im Richteramt ausschließe.

Rechtsfehlerfrei maßgeblich berücksichtigt hat das Leipziger Richterdienstgericht dabei insbesondere die Eigenschaft des Richters als Obmann für Sachsen im sogenannten Flügel der AfD, Äußerungen auf Parteiveranstaltungen in Dresden am 17. Januar 2017 und 21. August 2017 und zwei vom offiziellen Twitter-Account des Richters abgesetzte Tweets.

Die Anwendung des § 31 Nr. 3 DRiG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil einige der vom Antragsteller zur Begründung seines Antrags vorgetragenen und vom Richterdienstgericht festgestellten Tatsachen in den Zeitraum fielen, in dem der Richter Mitglied des Deutschen Bundestages war und seine Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis als Richter ruhten.

Das Dienstgerichts für Richter beim Landgericht Leipzig hat zudem rechtsfehlerfrei unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf die schärfste Maßnahme der Versetzung des Richters in den Ruhestand erkannt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Oktober 2023 – RiZ(R) 1/23

  1. LG Leipzig, Urteil vom 01.12.2022 – 66 DG 2/22[]
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