Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheids angefochten werden1.

Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos kann auch Gegenstand eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO sein2.
Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor privaten Belangen eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden3.
Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat4.
Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte – wie hier in Rede stehend – Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG). Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 2 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine „Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird5.
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte in der disziplinarrechtlich geahndeten Verfehlung des Antragstellers hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit erkannt hat. Mit dieser Einschätzung hat der Geheimschutzbeauftragte weder den anzuwendenden Begriff noch den gesetzlichen Rahmen in dem er sich frei bewegen kann, verkannt; er hat insoweit auch nicht allgemeingültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG, Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und damit ein Sicherheitsrisiko begründen, unter anderem daraus ergeben, dass der Betroffene ein Dienstvergehen begangen hat, das auch ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsbestimmungen wegen seiner Schwere oder seiner Begleitumstände Rückschlüsse auf Umstände erlaubt, die für die sicherheitsrechtliche Prognose von Bedeutung sind6. In Übereinstimmung hiermit nennt Hinweis Nr. 9 zu Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 als Beispiel für entsprechende Anhaltspunkte Verstöße des Betroffenen gegen Dienstpflichten7.
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass der Geheimschutzbeauftragte die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers als Geheimnisträger mit dem beschriebenen Verstoß begründet hat. Der Wahrheitspflicht (§ 13 SG) und der Pflicht zur Dienstaufsicht (§ 10 Abs. 2 SG) kommt beim Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen eine besondere Bedeutung zu. Die militärische Führung muss sich stets darauf verlassen können, dass ein Soldat – insbesondere in der Stellung eines Vorgesetzten – auch bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit die maßgeblichen Vorschriften genau beachtet und unter Beachtung der Wahrheitspflicht einhält. Sie muss sich auf vorschriftsmäßiges Handeln, die Richtigkeit abgegebener Meldungen und Erklärungen und auf die Sicherstellung dieser Erfordernisse im Rahmen der Wahrnehmung der Dienstaufsicht durch den betroffenen Soldaten jederzeit und grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung verlassen können.
Bei dem Dienstvergehen des Antragstellers handelt es sich im Übrigen um eine gravierende Verfehlung und nicht um ein Vergehen, das seiner objektiven Bedeutung nach von so geringem Gewicht wäre, dass eine Subsumtion unter den Begriff des Sicherheitsrisikos unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit nicht vertretbar wäre8.
Auf dieser Grundlage ist auch die Prognose des Geheimschutzbeauftragten rechtlich nicht zu beanstanden. Er hat sich prognostisch zur zukünftigen Entwicklung der Persönlichkeit des betroffenen Soldaten und seiner Verhältnisse zu äußern, denn im Mittelpunkt des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens steht eine vorbeugende Risikoeinschätzung9.
Dem ist der Geheimschutzbeauftragte gerecht geworden. Er hat sich bei seiner Prognose mit der Stellungnahme des Antragstellers und der seines Vorgesetzten inhaltlich auseinandergesetzt und hervorgehoben, der Antragsteller habe durch sein Verhalten – insbesondere als Vorgesetzter – nachhaltige Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit in sicherheitsmäßiger Hinsicht geweckt. Die Bewertung, dass auch unter Beachtung der beanstandungsfreien weiteren Tätigkeit des Antragstellers in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit zur Zeit noch keine gesicherte positive Prognose gestellt werden könne, ist abwägungsfehlerfrei und rechtlich nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es zulässig, an die seit dem Vorfall verstrichene Zeit anzuknüpfen, weil eine positive Prognose nach einem solchen Dienstvergehen – auch angesichts der in § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SÜG zum Ausdruck kommenden (Regel-)Anforderung an die zeitliche Ermittlungstiefe – in der Regel einen längeren, beanstandungsfrei vergangenen Zeitraum voraussetzt10. Die vom Geheimschutzbeauftragten berücksichtigte Weiterverwendung des Antragstellers in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit vermag die bisher nicht positive Prognose nicht zu relativieren. Mit seinem entgegenstehenden Vorbringen verkennt der Antragsteller, dass der Geheimschutzbeauftragte gegenüber dem betroffenen Soldaten keine originäre Kompetenz für eine Verwendungsänderung besitzt. Die Weiterverwendung in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit kann vom Geheimschutzbeauftragten im Einzelfall aber dazu genutzt werden, die – einsetzende – Bewährung dieses Betroffenen als wesentlichen Aspekt für die Anordnung einer verkürzten Geltungsdauer der Feststellung eines Sicherheitsrisikos zu würdigen11. Genau das ist im vorliegenden Verfahren geschehen.
An die Einschätzungen anderer Personen, die nach Darstellung des Antragstellers keine Zweifel an seiner sicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit geäußert haben, war der Geheimschutzbeauftragte bei seiner Abwägung nicht gebunden. Auch wenn insbesondere der Militärische Abschirmdienst zu dem Ergebnis gekommen sein sollte, dass einem erneuten Einsatz des Antragstellers in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit keine Bedenken entgegenstünden, war der Geheimschutzbeauftragte nicht verpflichtet, seine Entscheidung über die gegebene Begründung hinaus gegenüber der Bewertung des Militärischen Abschirmdienstes zu rechtfertigen. Dem Militärischen Abschirmdienst als der mitwirkenden Behörde im Sicherheitsüberprüfungsverfahren obliegt zwar die Durchführung der nach der jeweiligen Art der Sicherheitsüberprüfung vorgesehenen Maßnahmen (§ 12 SÜG). Er hat die dabei gewonnenen Erkenntnisse zu bewerten und ihr Ergebnis nach Maßgabe des § 14 Abs. 1, 2 SÜG der zuständigen Behörde mitzuteilen. Die zuständige Behörde bewertet sodann jedoch eigenständig die übermittelten Erkenntnisse aufgrund einer am Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls (§ 14 Abs. 3 Satz 2 SÜG). Sie entscheidet, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt (§ 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG). Der Gesetzgeber gewährleistet mit diesem zweistufigen Verfahren einerseits die Beteiligung der Nachrichtendienste mit ihrer besonderen Sachkompetenz. Andererseits weist er die abschließende Entscheidung und Verantwortung der zuständigen Stelle zu. Die Entscheidung soll zwar möglichst einvernehmlich erfolgen, sie kann aber auch gegen das Votum der mitwirkenden Behörde getroffen werden12.
Der statusrechtliche Umstand, dass der Antragsteller während des laufenden Sicherheitsüberprüfungsverfahrens in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen worden ist, hat keine materiellrechtlichen Auswirkungen auf die Frage seiner sicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit.
Danach vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die Feststellung des Sicherheitsrisikos unverhältnismäßig wäre und gegen das Übermaßverbot verstieße. Indem der Geheimschutzbeauftragte den Antragsteller bereits nach Ablauf von 13 Monaten zur Wiederholungsüberprüfung zugelassen hat, hat er den für den Antragsteller sprechenden Umständen Rechnung getragen.
Bei summarischer Prüfung bestehen auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der Geheimschutzbeauftragte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auf die Verwendung des Antragstellers in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der einfachen und erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 1/Ü 2) erstreckt hat. Das hier festgestellte Sicherheitsrisiko nach Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 stellt die Zuverlässigkeit des Betroffenen beim Umgang oder Zugang zu Verschlusssachen der Überprüfungsart Ü 1 und Ü 2 ebenfalls in Frage.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Juli 2013 – 1 WDS-VR 15.13
- vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 24.05.2000 – 1 WB 25.00, insoweit jeweils nicht veröffentlicht in BVerwGE 111, 219 und in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 9; vom 20.01.2009 – 1 WB 22.08, Rn. 18 m.w.N.; vom 21.07.2010 – 1 WB 68.09, Rn. 17, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 23; und vom 21.10.2010 – 1 WB 16.10, Rn. 25, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 6 SÜG Nr. 1[↩]
- BVerwG, Beschlüsse vom 27.09.2007 – 1 WDS-VR 7.07, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13; und vom 13.11.2009 – 1 WDS-VR 6.09, Rn. 13[↩]
- stRspr, vgl. Beschlüsse vom 13.06.2007 – 1 WDS-VR 3.07, Rn. 23 m.w.N.; und vom 27.09.2007 a.a.O. Rn. 15[↩]
- stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 15.02.1989 – 6 A 2.87, BVerwGE 81, 258, 264 = Buchholz 236.1 § 59 SG Nr. 2; und vom 15.07.2004 – 3 C 33.03, BVerwGE 121, 257, 262 = Buchholz 442.40 § 29d LuftVG Nr. 1; Beschlüsse vom 01.10.2009 – 2 VR 6.09; vom 21.10.2010 – 1 WB 16.10, Rn. 30, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 6 SÜG Nr. 1; vom 01.02.2011 – 1 WB 40.10, Rn. 22; und vom 21.07.2011 – 1 WB 12.11, BVerwGE 140, 384 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 25 jeweils Rn. 24 ff.[↩]
- stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18.10.2001 – 1 WB 54.01, Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11 S. 17; vom 08.03.2007 – 1 WB 63.06, Rn. 22; und vom 22.07.2009 – 1 WB 53.08, Rn. 24; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 – 2 BvL 13/73, BVerfGE 39, 334, 353[↩]
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 09.11.2005 – 1 WB 19.05, Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr.19; vom 24.01.2006 – 1 WB 17.05, Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr.20 = NZWehrr 2006, 153; und vom 14.12.2010 – 1 WB 13.10, Rn. 29[↩]
- vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22.07.2009 – 1 WB 53.08, Rn. 30 m.w.N.; und vom 20.11.2012 – 1 WB 21.12, 1 WB 22.12, Rn. 42[↩]
- vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Beschlüsse vom 06.09.2007 – 1 WB 62.06, insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 65; und vom 20.03.2012 – 1 WB 26.11, Rn. 33[↩]
- BVerwG, Beschlüsse vom 18.08.2004 – 1 WB 37.04, Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 18; vom 27.09.2007 a.a.O.; und vom 20.03.2012 – 1 WB 26.11, Rn. 34 m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 20.03.2012 – 1 WB 26.11, Rn. 35[↩]
- ebenso schon BVerwG, Beschluss vom 21.07.2010 – 1 WB 68.09, Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 23, Rn. 33[↩]
- vgl. dazu im Einzelnen: BVerwG, Beschluss vom 20.03.2012 – 1 WB 26.11, Rn. 36[↩]