Das Rittergut Schönhausen beschäftigt nach wie vor die Verwaltungsgerichte. So hatte am Freitag das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Klage der Erben eines Enkels des Reichskanzlers von Bismarck nach dem Ausgleichsleistungsgesetz zu entscheiden und hat das Verfahren an das Verwaltungsgericht Magdeburg zurückverwiesen.

In dem jetzt vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Rechtsstreit klagen die Erben des im Jahre 1975 verstorbenen Otto II. Fürst von Bismarck, des Enkels des Reichskanzlers und begehren Ausgleichsleistungen für das Rittergut Schönhausen samt Einrichtung (einschließlich des früheren Bismarck-Museums), das nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Bodenreform in der damaligen sowjetischen Besatzungszone enteignet wurde.
Das beklagte Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt lehnte 2007 die Gewährung einer Entschädigung ab. Eine Ausgleichsleistung sei, so das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, nach dem Ausschlusstatbestand in § 1 Abs. 4 AusglLeistG ausgeschlossen, weil der frühere Eigentümer des Ritterguts Otto II. Fürst von Bismarck dem nationalsozialistischen Regime erheblich Vorschub geleistet habe.
Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat die hiergegen von den Erben erhobene Klage abgewiesen und den Ausschlussgrund des Vorschubleistens ebenfalls bejaht. Zwar rechtfertigten, so das Verwaltungsgericht Magdeburg in seiner Urteilsbegründung, die konkreten Tätigkeiten und Handlungen Otto II. von Bismarcks diese Annahme noch nicht. Ein erhebliches Vorschubleisten werde aber durch seine exponierte berufliche Verwendung als stellvertretender deutscher Botschafter von April 1940 bis August 1943 in Rom indiziert. Aus historischen Unterlagen ergebe sich, dass das Auswärtige Amt spätestens ab der Wannsee-Konferenz im Januar 1942 in die Verfolgung der Juden in Europa involviert gewesen sei.
Das Verwaltungsgericht Magdeburg hatte gegen sein klageabweisendes Urteil zur weiteren Klärung der Auslegung des § 1 Abs. 4 AusglLeistG im Hinblick auf die Indizwirkung eines hohen diplomatischen Amtes die Revision zum Bundesverwaltungsgerichts zugelassen. In dem daraufhin von den Klägern betriebenen Revisionsverfahren mochte das Bundesverwaltungsgericht dem Verwaltungsgericht Magdeburg insoweit jedoch nicht folgen, hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies das Verfahren nach Magdeburg zurück.
Die Leipziger Bundesrichter beanstandeten, dass das Verwaltungsgericht dem Vortrag der Kläger dazu nicht weiter nachgegangen ist, dass Otto von Bismarck die deutsche Forderung nach Überstellung der kroatischen Juden gegenüber der italienischen Regierung mit einer Warnung vor den wahren Absichten der deutschen Regierung verbunden und so zu deren Nichtauslieferung beigetragen habe. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es hierauf nicht ankomme, weil Italien sein Vorgehen selbst und alleine bestimmt habe, ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts rechtsfehlerhaft. Ein erhebliches Vorschubleisten im Sinne des Ausschlussgrundes nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG kann, so das BVerwG, bei einer Würdigung aller Umstände auch dann entfallen, wenn ein regimeschädliches Verhalten nicht erfolgreich war. Außerdem habe das Verwaltungsgericht Magdeburg hier zu Unrecht eine Indizwirkung angenommen.
Das Verwaltungsgericht Magdeburg muss sich nunmehr erneut mit der Klage befassen. Dabei wird es gegebenenfalls auch die tatrichterliche Prüfung nachholen müssen, ob eine Gesamtwürdigung des individuellen Verhaltens Otto von Bismarcks von seinem Eintritt in die NSDAP 1933 bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven diplomatischen Dienst Ende November 1944 den Ausschlusstatbestand des erheblichen Vorschubleistens erfüllt.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. September 2009 – 5 C 1.09