Herausgabe einer Güterkraftverkehrslizenz – und die Erzwingungshaft

Die Anordnung von Erzwingungshaft scheidet aus, wenn nicht zuvor versucht wurde, die streitbefangene Urkunde im Wege unmittelbaren Zwangs aus der Wohnung des Verpflichteten zu holen.

Herausgabe einer Güterkraftverkehrslizenz – und die Erzwingungshaft

In einem solchen Fall lehnte vorliegend das Verwaltungsgericht Hamburg die Anordnung einer zweiwöchigen Erzwingungshaft ab. Die Voraussetzungen für die gerichtliche Anordnung der Erzwingungshaft gegen den Antragsgegner gemäß §§ 14 ff., 24, 25 Abs. 1 HmbVwVG lagen nach seiner Ansicht nicht vor:

Zwar sind die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung von Zwangsmitteln gegen den Antragsgegner gegeben. Dieser ist als Adressat der mit bestandskräftigem Bescheid vom 06.09.2011 verfügten Anordnung zur Herausgabe der Gemeinschaftslizenzurkunden Pflichtiger nach § 16 Abs. 1 Buchst. a HmbVwVG. Die Anordnung ist unanfechtbar geworden (§ 18 Abs. 1 Buchst. a HmbVwVG). Dem Fristsetzungs- und Hinweiserfordernis des § 18 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVG ist Genüge getan. Der Antragsgegner hat mehrere Fristen der Antragstellerin zur Herausgabe der Urkunden verstreichen lassen. Die Antragstellerin hat ihn zuletzt im Schreiben vom 21.03.2012 auch darauf hingewiesen, dass sie im Falle der Nichtherausgabe das Zwangsmittel wechseln und einen Antrag auf Erzwingungshaft stellen werde.

Es fehlt jedoch an den besonderen Voraussetzungen des § 24 Satz 1 HmbVwVG für die Anordnung der Erzwingungshaft. Nach dieser Vorschrift ist eine Erzwingungshaft nur zulässig, wenn ein vorher angewandtes Zwangsmittel erfolglos geblieben ist und wenn dessen Wiederholung oder die Anwendung eines anderen Zwangsmittels offenbar keinen Erfolg verspricht. An letzterer Voraussetzung fehlt es hier:

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Zwar ist die Verhängung von Zwangsgeld zur Durchsetzung der Herausgabeverpflichtung in der Vergangenheit erfolglos geblieben und es dürfte angesichts der bisherigen völligen Verweigerung des Antragsgegners, auf Bescheide, Schriftsätze und Besuche der Antragstellerin zu reagieren, davon auszugehen sein, dass eine Wiederholung dieses Zwangsmittels in der Zukunft keinen Erfolg verspricht.

Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die Anwendung eines „anderen Zwangsmittels offenbar keinen Erfolg verspricht“ (§ 24 Satz 1 Var. 3 HmbVwVG). Mit diesem Tatbestandsmerkmal soll sichergestellt werden, dass die Anordnung der Freiheitsentziehung gegenüber einem Vollstreckungsschuldner wegen des damit verbundenen gravierenden Grundrechtseingriffs erst als letztes geeignetes Mittel herangezogen wird.

Im vorliegenden Fall wurde noch nicht hinreichend versucht, dem Antragsgegner die streitbefangene Güterkraftverkehrslizenz durch einen Vollziehungsbeamten im Wege des unmittelbaren Zwangs wegzunehmen (§§ 14 lit. c, 21 Abs. 1 HmbVwVG). Dies wäre ein milderes Mittel zur Durchsetzung der Herausgabeverpflichtung. Zwar haben Mitarbeiter der Antragstellerin den Antragsgegner mehrfach an seiner Wohnanschrift aufgesucht und der Antragsgegner hat sie offensichtlich nicht in seine Wohnung lassen wollen, um die Wegnahme der Urkunden zu umgehen. Zur Durchsetzung der Wegnahmeverpflichtung im Wege des unmittelbaren Zwangs kommt jedoch – ebenfalls als milderes Mittel vor der Freiheitsentziehung – die Durchsuchung der Wohnung und/oder des Fahrzeugs des Antragsgegners in Betracht. § 7 Abs. 1 HmbVwVG (ab 1.06.2013 § 23 Abs. 1 HmbVwVG n. F.) sieht ausdrücklich vor, dass der Vollziehungsbeamte befugt ist, Wohnungen, Betriebsräume und sonstigen Besitz des Pflichtigen zu betreten und zu durchsuchen, soweit es der Zweck der Vollstreckung erfordert. Er kann verschlossene Türen und Behältnisse öffnen oder öffnen lassen. § 7 Abs. 1 HmbVwVG ist im Lichte des Art. 13 Abs. 2 GG dahingehend auszulegen, dass eine Durchsuchung der Wohnung – außer bei Gefahr in Verzug – nur durch den Richter angeordnet werden darf. Diese bisherige, auf verfassungskonformer Auslegung beruhende Praxis des Richtervorbehalts1 findet ab dem 1.06.2013 in § 23 Abs. 3 HmbVwVG n. F. auch eine ausdrückliche klarstellende Regelung. Diese sieht zudem die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für die Durchsuchungsanordnung vor.

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Die Durchsuchung der Wohnung oder des Fahrzeugs des Antragsgegners zum Zwecke der Wegnahme der Lizenzurkunden ist voraussichtlich auch ein geeignetes Mittel, um in den Besitz der Urkunden zu kommen. Zwar ist nicht sicher, dass der Antragsgegner die Urkunden in seiner Wohnung oder im Fahrzeug aufbewahrt. § 24 Satz 1 Var. 3 HmbVwVG verlangt jedoch lediglich, dass die Anwendung eines anderen Zwangsmittels „offenbar keinen Erfolg verspricht“. Davon kann hier nicht ausgegangen werden, da jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass solche Urkunden in der Wohnung oder im Fahrzeug aufbewahrt werden.

Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 30. April 2013 – 15 V 1772/12

  1. vgl. Bü-Drs.20/4579, S. 15[]