Innenstadtrelevante Karnevalskostüme

Ist nach den Festsetzungen eines Bebauungsplans in einem Gewerbegebiet mit eingeschränkter Nutzung Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Hauptsortimenten – darunter auch „Bekleidung“ und „Spielzeug“ – nicht zulässig, so trifft dies auch ein Verkaufsgeschäft für Karnevalskostüme. Denn auch hierbei handelt es sich um einen Einzelhandelsbetrieb, der innenstadtrelevante Sortimente, nämlich „Bekleidung“ bzw. „Spielwaren“ im Hauptsortiment führt.

Innenstadtrelevante Karnevalskostüme

Welche Waren unter die in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans genannten innenstadtrelevanten Sortimente fallen, erschließt sich im Wege der Auslegung der verwendeten Begriffe ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch sowie anhand des Begriffsverständnisses der in Anlage 1 des Einzelhandelserlasses aufgeführten zentren- und nachversorgungsrelevanten Sortimente, an die sich die Sortimentsliste in Ziffer 4.5 der textlichen Festsetzungen anlehnt. Die Bezeichnung der im Einzelhandelserlass aufgeführten Sortimentsgruppen orientiert sich wiederum – wie auch die übrigen textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 143/2. und 9. Änderung – an den Begrifflichkeiten der „Systematik der Wirtschaftszweige“ des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 1979, die den Einzelhandel ebenfalls nach Sortimenten, und zwar in Gruppen, Untergruppen und Klassen gliedert. Denn diese dem Bebauungsplan als Anlage 1 beigefügte Systematik lag der Bestimmung der innenstadtrelevanten Sortimente durch die Plangeberin als Orientierungshilfe zugrunde. Soweit die Stadt bei der Behandlung der vorgebrachten Einwendungen – letztlich systemwidrig – darauf abgehoben hat, dass bei der Prüfung der Innenstadtrelevanz der ausnahmsweise zulässigen Sortimente der Orientierungsrahmen aus dem Städteregionalen Einzelhandelskonzept „STRIKT“ maßgebend sei, der sich auf die „Systematik der Wirtschaftszweige“, Ausgabe 2003, stützt, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn dieser Orientierungsrahmen ist hinsichtlich der dort festgelegten Sortimentsgruppen identisch mit der Liste in den textlichen Festsetzungen.

Davon ausgehend sind unter den Begriff „Bekleidung“ zunächst nach dem allgemeinen Begriffsverständnis alle Waren zu fassen, die dazu geeignet und bestimmt sind, den Körper des Menschen zu bedecken, d.h. zu bekleiden. Entsprechend der „Systematik der Wirtschaftszweige“, Ausgabe 1979, zählen dazu insbesondere alle dort aufgeführten Untergruppen und Klassen, die der Gruppe „Bekleidung“ (WZ 432) zugeordnet sind, so auch Meterware für Bekleidung und Wäsche (WZ 4322), Bekleidungszubehör (wie z.B. Gürtel, Handschuhe, Tücher etc. – WZ 4324), Kopfbedeckungen (WZ 4324) oder Kurzwaren (WZ 4325). Nicht dazu gerechnet werden können hingegen solche Untergruppen oder Klassen, die im Einzelhandelserlass als eigene Sortimentsgruppe genannt sind – wie z.B. Heim- und Haustextilien (WZ 4327) sowie Baby-/Kinderartikel (WZ 4323).

Dies zugrunde gelegt fallen unter die Sortimentsgruppe „Bekleidung“ auch Kostüme, Stoffe in Meterware sowie Kurzwaren, die speziell zum Zwecke des Verkleidens anlässlich des Karnevals oder sonstiger Festveranstaltungen angeboten werden. Denn auch diese Waren dienen – wenn auch beschränkt auf einen besonderen Anlass – dem Bekleiden des Menschen. Dass Karnevalskostüme bzw. -stoffe nicht als gesonderte Untergruppe oder Klasse in der „Systematik der Wirtschaftszweige“, Ausgabe 1979, aufgeführt sind, ist unschädlich. Denn zum einen bietet die Gliederung dieser Systematik lediglich eine Anhalt bei der Begriffsbestimmung, zum anderen orientiert sie sich nicht an der Funktion der Bekleidung (wie z.B. Schutz, Arbeits- oder Freizeitkleidung) oder an den Anlässen, zu denen die Bekleidung getragen wird (wie z.B. Brautmode, Trauerkleidung, Abendgarderobe, etc.). Die Klassifizierung der Bekleidung erfolgt vielmehr im Grundsatz nach den Körperteilen, die sie bedecken soll, sowie nach der Personengruppe der Träger (Damen-/Herren-/Kinderbekleidung). Dementsprechend fallen unter die Sortimentsgruppe „Bekleidung“ im Grundsatz sämtliche Bekleidungsarten, unabhängig davon welcher Funktion sie dienen oder zu welchen Anlässen sie getragen werden.

Unter dem Begriff „Spielwaren“ sind nach dem allgemeinen Begriffsverständnis handwerklich oder industriell entwickelte und hergestellte Spielzeuge und Spielmittel bzw. Spiele zu verstehen, die für den Handel bestimmt sind. Nach der „Systematik der Wirtschaftszweige“, Ausgabe 1979, werden unter die Sortimentsgruppe „Spielwaren“ u.a. Fest- und Scherzartikel gefasst (WZ 43961). Unter Festartikel fallen jedoch auch Karnevalsartikel, da es sich beim Karneval um ein spezielles Brauchtumsfest handelt. Dementsprechend ist die Firma „L. „, die den Begriff Festartikel selbst zur Umschreibung ihres Warensortiments verwendet, in den lokalen Branchenbüchern auch unter der Rubrik „Festartikel“ zu finden. Dieses Verständnis wird ferner durch den Umstand bestätigt, dass auf der „Nürnberger Spielwarenmesse“, die an Fachbesucher der Spielwarenbranche gerichtet ist, eine der dort jährlich präsentierten Produktgruppen mit „Fest- und Trendartikel, Karneval“ umschrieben ist.

Davon ausgehend fallen unter den Begriff „Spielwaren“ in jedem Fall das angebotene Sortiment „Zubehör (Scherzartikel, Masken, Perücken)“. Soweit man insoweit den Aspekt des Verkleidens in den Vordergrund stellt kann hierunter außerdem das Sortiment „Kostüme“ gefasst werden.

Das Karnevalsgeschäft bietet die danach unter die innenstadtrelevanten Sortimentsgruppen „Bekleidung“ bzw. „Spielwaren“ fallenden Waren „Kostüme“, „Zubehör (Scherzartikel, Masken, Perücken)“, „Stoffe in Meterware“ sowie „Kurzwaren“ auch im Hauptsortiment an.

Das danach unzulässige Karnevalsgeschäft kann auch nicht ausnahmsweise nach Maßgabe der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans in Verbindung mit § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. Diese Ausnahmeregelungen greifen vorliegend nicht ein.

Eine in erster Linie geltend gemachte Ausnahme nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans wegen atypischer Sortimentsstruktur scheidet aus, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht erfüllt sind.

Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans können ausnahmsweise Einzelhandelsbetriebe mit Hauptsortimenten zugelassen werden, die nach den textlichen Festsetzungen als innenstadtrelevant gelten, wenn diese aufgrund einer atypischen Sortimentsstruktur keiner innerstädtischen Integration bedürfen.

Der Ausnahmetatbestand wird danach durch die abstrakten Merkmale einer „atypischen Sortimentsstruktur“ sowie eines daraus folgenden „fehlenden innerstädtischen Integrationsbedarfs“ umschrieben. Es handelt sich hierbei um auslegungsbedürftige, unbestimmte Rechtsbegriffe, der sich der Plangeber bedienen kann, soweit sich ihr näherer Inhalt unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des erkennbaren Willens des Normgebers hinreichend bestimmen lässt1.

Dies ist hier der Fall. Welcher Bedeutungsinhalt den vorgenannten Merkmalen zukommt, erschließt sich aus dem Wortlaut der Regelung, aus dem systematische Zusammenhang, in den sie gestellt ist, sowie insbesondere aus dem in der Begründung zur 9. Änderung des Bebauungsplans verlautbarten Willen der Plangeberin unter Berücksichtigung des mit den Regelungen zum Einzelhandelsausschluss verfolgten städtebaulichen Planungsziels.

Nach dem Wortlaut der Bestimmung („atypische Sortimentsstruktur“) muss es sich zunächst um einen Einzelhandelsbetrieb handeln, dessen Sortimentsstruktur solche vom Regelfall abweichende Besonderheiten aufweist, dass das mit der Grundnorm der Ziffer 4.5 verfolgte Ziel einer innerstädtischen Integration des grundsätzlich als innenstadtrelevant eingestuften Sortiments nicht greift. Auch die systematische Stellung der Vorschrift als Ausnahmeregelung zu Ziffer 4.5 zeigt, dass die geforderte Atypik sich auf die Sortimentsstruktur des Betriebs und nicht auf dessen Art, Umfang oder andere Merkmale beziehen muss. Denn auch Ziffer 4.5 knüpft den Ausschluss bestimmter Einzelhandelsbetriebe in Gewerbegebieten mit eingeschränkter Nutzung an das näher definierte innenstadtrelevante Sortiment des Betriebs an.

Der Begründung zum Bebauungsplans lässt sich ferner entnehmen, wovon die Plangeberin sich sowohl bei der Bestimmung des Regelfalls eines innenstadtrelevanten Sortiments als auch bei der Bestimmung des atypischen Falls hat leiten lassen. Ausweislich der Planbegründung wollte die Plangeberin mit Ziffer 4.6 eine Ausnahmeregelung von Ziffer 4.5 zur Vermeidung von Härtefällen schaffen, da die dort in Anlehnung an den Einzelhandelserlass 1996 nach Oberbegriffen aufgestellte Sortimentsliste keine Feinjustierung zulasse. Die Ausnahmekriterien der „Atypik“ und der daraus resultierenden „Innenstadtverträglichkeit“ des Betriebs seien entsprechend den Vorgaben des Einzelhandelserlasses 1996 für den großflächigen Einzelhandel festgelegt worden und stellten die grundsätzliche Innenstadtrelevanz der in Ziffer 4.5 aufgeführten Sortimente nicht in Frage. Als Beispiele für ein atypisches, faktisch nicht innenstadtrelevantes Sortiment werden Kutschen und Sportboote genannt, die unter die in der Liste der Ziffer 4.5 aufgeführten Sortimentsgruppe „Sportartikel“ fielen, aber in Innenstädten nicht verkauft würden. Danach hat die Plangeberin sich bei der Festlegung der Ausnahmekriterien ebenso wie zuvor bei der Festlegung der Sortimentsliste – gleichsam im Wege eines Erst-Recht-Schlusses – an den Vorgaben des Einzelhandelserlasses 1996 für den großflächigen Einzelhandel orientiert. Entsprechend erschließt sich aus diesen Vorgaben auch näher, wann nach Vorstellung der Plangeberin ein atypischer Fall im Sinne der Ziffer 4.6 anzunehmen ist.

So wird etwa unter Ziffer 2.03.2 des Einzelhandelserlasses im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit großflächigen Einzelhandels nach § 11 Abs. 3 BauNVO zur Widerlegung der Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO bei einer atypischen Fallgestaltung aufgrund betrieblicher Besonderheiten mit Blick auf das in § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO genannte Kriterium des „Warenangebotes des Betriebs“ ausgeführt, dass insofern wegen der unterschiedlichen Zentrenrelevanz einzelner Sortimente die Sortimentsstruktur von Bedeutung sei, z.B. ob es sich um Waren mit einem typischerweise großen Flächenbedarf und geringer Zentrenrelevanz (wie Möbel) handle. Betriebliche Besonderheiten seien insbesondere gegeben, wenn der Betrieb beschränkt sei auf ein schmales Warensortiment (z.B. Gartenbedarf), sowie bei Artikeln, die üblicherweise mit handwerklichen Dienstleistungen angeboten würden (z.B. Kfz-Handel mit Werkstatt) oder die in einer gewissen Beziehung zu gewerblichen Nutzungen stünden (z.B. Baustoffhandel, Büromöbelhandel). Zur Abgrenzung der Sortimente mit geringer Zentrenrelevanz und der zentren- und nachversorgungsrelevanten Sortimente wird ferner auf die Anlage 1 und auf Nr. 2.2.5 des Erlasses Bezug genommen. Danach zeichnen sich zentrenrelevante Sortimente typischerweise dadurch aus, dass sie viele Innenstadtbesucher anziehen, einen geringen Flächenanspruch haben, häufig im Zusammenhang mit anderen Innenstadtnutzungen nachgefragt werden und überwiegend ohne Pkw transportiert werden können.

Ausgehend von diesem von der Plangeberin auch der Ausnahmeregelung zugrunde gelegten Begriffsverständnis, dem die in der Planbegründung genannten Beispiele für atypische, nicht zentrenrelevante Sortimente (Kutschen und Sportboote) entsprechen, liegt eine atypische Sortimentsstruktur und eine daraus folgende Innenstadtverträglichkeit des Betriebs insbesondere dann vor, wenn die zuletzt genannten Kriterien auf das von dem Betrieb angebotene Sortiment nicht zutreffen.

In Anwendung dieser Maßstäbe ist nicht dargetan, dass die Sortimentsstruktur des Karnevalgeschäfts derart atypische, d.h. vom Regelfall abweichende Besonderheiten aufweist, dass ein innerstädtischer Integrationsbedarf des Betriebs nicht besteht.

Das den zentrenrelevanten Sortimentsgruppen „Bekleidung“ bzw. „Spielwaren“ unterfallende Sortiment „Fest- und Karnevalsartikel“ ist entsprechend der grundsätzlichen Einordnung nach der Sortimentsliste als zentrenrelevant einzustufen.

Zwar zählen Karnevalskostüme und -zubehör, die in der Regel in erster Linie innerhalb der Karnevalssaison und darüber hinaus entsprechend den veränderten Feiergewohnheiten der Bevölkerung auch zu anderen Festen, wie etwa Halloween oder privaten Mottopartys, nachgefragt werden, nicht zum allgemeinen, regelmäßigen Bedarf an Bekleidung und Spielwaren, so dass sie nicht der textilen bzw. spielwarenmäßigen Grundversorgung zuzuordnen sind. Jedoch geht es bei der Frage der Zentrenrelevanz bestimmter Sortimente nicht um die Befriedigung eines kurzfristigen Bedarfs wie bei nahversorgungsrelevanten Sortimenten, die der (täglichen) Grundversorgung der Bevölkerung dienen, sondern vielmehr um die Deckung eines mittel- und langfristigen Bedarfs. Dieser umfasst auch Fest- und Karnevalsartikel zum jeweils gegebenen Anlass. Zudem findet das speziell auf Karneval und andere Festveranstaltungen ausgerichtete Warenangebot – wie dies auch bei sonstigen Saisonartikeln (z.B. Winterbekleidung, Bademoden, Weihnachtsgebäck oder -schmuck) der Fall ist – innerhalb der jeweiligen Saison typischerweise das Interesse nicht nur einer kleinen Zielgruppe, sondern einer Vielzahl von Verbrauchern. Dies gilt insbesondere in der durch den Karneval besonders geprägten Region des Rheinlandes. Dementsprechend werden Karnevals- und Festartikel typischerweise in der Innenstadt bzw. sonstigen Zentren angeboten und nachgefragt, die regelmäßig auch den Mittelpunkt karnevalistischer Veranstaltungen bilden. Dies belegen auch die weiteren wettbewerbsrelevanten Einzelhandelsbetriebe mit karnevalsspezifischem Sortiment im Einzugsbereich, die sich alle im Hauptzentrum der jeweiligen Gemeinde befinden. Dabei erfolgt die Nachfrage von Karnevals- und Festartikeln in den Zentren schon standortbedingt in der Regel auch im Zusammenhang mit anderen Innenstadtnutzungen, wie etwa der Nachfrage von Lebensmitteln und Getränken im Rahmen des Einzelhandels oder der Gastronomie bzw. Schankwirtschaft, von speziellen Veranstaltungsangebote (Züge, Sitzungen), von sonstigen Dienstleistungen (etwa des Hotelgewerbes oder von Friseurbetrieben).

Eine Zentrenrelevanz von Karnevals- und Festartikeln ist insbesondere auch unter Berücksichtigung der – legitimen – planerischen Zielsetzung anzunehmen, die den im Bebauungsplan enthaltenen Regelungen zur Einzelhandelsteuerung zugrunde liegt. Diese sollen nämlich nicht nur die Einzelhandelsfunktion der Innenstadt schützen, sondern darüber hinaus – gleichwertig – auch die Attraktivität der Innenstadt „als belebtes Einkaufszentrum, Treffpunkt und Aufenthaltsbereich“ stärken und verbessern2.

Davon ausgehend trägt auch ein karnevals- bzw. festspezifisches Warensortiment dazu bei, ein umfassendes und abwechslungsreiches Einzelhandelsangebot und damit die Funktionsfähigkeit der Zentren als belebte Räume zu gewährleisten. Insofern ist auch nicht von auschlaggebender Bedeutung, dass in den zentralen Versorgungsbereichen im Gemeindegebiet – wie auch in den übrigen Gemeinden in dem im Gutachten definierten Einzugsbereich des Betriebs (Städteregion B1. , Kreis I1. und Kreis E.) – aktuell kein vergleichbarer Spezialanbieter ansässig sind, sondern lediglich Anbieter von Randsortimenten auf saisonalen Aktionsflächen. Denn eine Gemeinde ist beim Ziel der Stärkung ihrer Zentren nicht darauf beschränkt, nur solche Einzelhandelsnutzungen in nicht zentralen Lagen zu unterbinden, die in den Zentren bereits in nennenswertem Umfang ausgeübt werden. Es ist ihr auch gestattet, „zentrumsbildende“ Nutzungsarten, die in den Zentren bisher nicht oder nur in geringem Umfang vertreten sind, in anderen Gemeindegebieten mit dem Ziel auszuschließen, eventuelle Neuansiedlungen den Zentren zuzuführen, um deren Attraktivität zu steigern oder zu erhalten3.

Für eine Zentrenrelevanz von Karnevals- und Festartikeln spricht ferner, dass sie – anders als dies bei den in der Planbegründung und im Einzelhandelserlass genannten Beispielen für nicht zentrenrelevante Sortimente (Kutschen, Sportboote, Möbel) der Fall ist – mit Blick auf ihre Größe und Sperrigkeit weder einen hohen Flächenbedarf unter dem Aspekt der Warenpräsentation aufweisen, noch einen Abtransport mit dem Kraftfahrzeug erfordern. Insofern ist nicht festzustellen, dass der Betrieb aufgrund der Eigenart der angebotenen Waren und damit auch im Interesse einer geordneten städtebaulichen Planung zwingend auf Standorte außerhalb von Kerngebieten angewiesen wäre. Karnevals- und Festartikel erfüllen angesichts ihres relativ geringen Flächenanspruchs und der guten Transportfähigkeit vielmehr gerade eine der typischen Eigenschaften von zentrenrelevanten Sortimenten.

Diese Einschätzung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass ein erhöhter Flächenbedarf des Betriebs aus der Sortimentstiefe und -breite sowie aus der hohen Frequentierung des Ladenlokals während der Saison abgeleitet wird. Denn dieser resultiert entsprechend der vorstehenden Maßstäbe nicht aus produktspezifischen Gründen, namentlich der Größe und Sperrigkeit der angebotenen Ware, sondern vielmehr aus der Betriebsform als Spezialanbieter bzw. sog. Fachmarkt sowie namentlich aus der Betriebsgröße. Letztere bildet jedoch kein Kriterium für die Atypik des Warenangebotes. Im Gegenteil begründet die Größe eines Betriebs bei – wie hier – Überschreiten der Grenze zur Großflächigkeit nach § 11 Abs. 3 BauNVO gerade besondere Anforderungen im Hinblick auf die Zulässigkeit des Vorhabens, wobei wiederum das Warenangebot des Betriebs eine maßgebliche Rolle spielt (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 4, 2. Halbs. BauNVO). Zudem fallen Fachmärkte, also spezialisierte Großanbieter, nicht allein schon deswegen, weil sie sich als solche bezeichnen und auf eine bestimmte Branche beschränken, als wegen betrieblicher Besonderheiten atypische Betriebe aus der Anwendung des § 11 Abs. 3 BauNVO heraus, mit der Folge, dass sie nach den vorstehenden Maßstäben auch im vorliegenden Zusammenhang als atypisch einzustufen wären. Ausschlaggebend ist auch bei dieser Art von Betrieben, ob sie über ein nur schmales und nicht zentrenrelevantes Warensortiment verfügen.4.

Das Karnevalsgeschäft zeichnet sich jedoch trotz seiner Spezialisierung auf Karnevals- und Festartikel gerade durch ein in dieser Branche breites Warenangebot aus. So finden sich in ihrem Angebot alle Warengruppen, die auch nur in entferntester Weise in einem Bezug zum Karneval oder sonstigen Festen stehen (Kostüme, Zubehör wie Scherzartikel, Masken, Perücken, Stoffe, und Kurzwaren). Dementsprechend wirbt die Firma für ihre Produkte auch unter dem Schlagwort „Deutschlands größtes Karnevalskaufhaus“ bzw. „Europas größtes Karnevalskaufhaus.

Schließlich folgt eine Atypik der Sortimentsstruktur auch nicht aus den deutlich eingeschränkten Ladenöffnungszeiten des Betriebs außerhalb der Karnevalssaison (von Karnevalssamstag bis Ende August nur dienstags und samstags). Hierbei handelt es sich wiederum nicht um produktspezifische Gründe, sondern um eine – veränderbare – u.a. standort- und größenabhängige, betriebswirtschaftliche Entscheidung betreffend die Vermarktung der angebotenen Saisonware. Insofern ist zu berücksichtigen, dass in den beiden anderen Filialen der Firma entsprechende Einschränkungen bei den Ladenöffnungszeiten nicht zu verzeichnen sind (auch außerhalb der Saison werktags durchgängig geöffnet).

Nach alledem lässt sich eine von den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans geforderte atypische Sortimentsstruktur, die dazu führt, dass der Betrieb nicht der innerstädtischen Integration bedarf, nicht feststellen.

Für eine Ausnahme nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ist vorliegend ebenfalls kein Raum. Hiernach kann ausnahmsweise der Einzelhandel mit Waren, die nach den textlichen Festsetzungen als innenstadtrelevant gelten, an der Stätte ihrer Neuherstellung zugelassen werden, wenn die Verkaufsstelle dem Herstellerbetrieb räumlich und funktionell zu- und untergeordnet ist.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Bei dem Karnevalsgeschäft handelt es sich schon nicht um einen nach der Ausnahmeregelung erforderlichen Betrieb, der die innenstadtrelevanten Waren neu herstellt („Stätte der Neuherstellung“). Die Firma stellt nach Aktenlage in dem Betrieb in X. die von ihr angebotenen Karnevals- und Festartikel nicht selbst her. Zwar ist der Betrieb ursprünglich wegen einer angegliederten Schneiderei, in der die Entwürfe und Schnittmuster für die vertriebenen Kostüme selbst hergestellt wurden, als sog. Handwerkshandel mit Produktionsfläche genehmigt worden. Nach der mit dem streitgegenständlichen Bauantrag vorgelegten Bauzeichnung und Flächenberechnung befinden sich in dem Betrieb heute jedoch keine Räumlichkeiten mehr, in denen die Schnittmuster für die Kostüme, geschweige denn die Ware selbst, hergestellt werden. Neben den dem Personal vorbehaltenen Räumen (Büros, Sozialräume und Toiletten) finden sich dort lediglich Verkaufsflächen, Kassen- und Infobereiche sowie Lagerräume. Diese Situation bestand im Übrigen schon zum Zeitpunkt der Genehmigung der ersten Verkaufsflächenerweiterung im Jahr 2003. Ausweislich der zur Baugenehmigung gehörigen Bauzeichnung war bereits seinerzeit die ursprünglich vorhandene Produktionsfläche zugunsten der Lagerfläche entfallen. Diese Sachlage wird bestätigt durch die Angaben der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung, wonach die Herstellung der Schnittmuster für die Kostüme, die ursprünglich Grundlage für die Genehmigung des Betriebs als Handwerkhandel war, zwischenzeitlich in die Filiale nach I. /Niederlande verlegt worden sei. Im Übrigen würden die Waren von firmenfremden Herstellern bezogen, namentlich solchen, die ihren Sitz in den östlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hätten.

Soweit man die in der Filiale in I. /Niederlande nach wie vor erfolgende Herstellung von Schnittmustern für Kostüme ungeachtet der Tatsache, dass es sich hierbei nicht um die im Betrieb eigentlich vertriebene Ware handelt, als Neuherstellung im Sinne der Vorschrift ansehen, fehlte es bezogen auf die in Rede stehende Filiale in X. jedenfalls an der erforderlichen räumlichen Zuordnung zum Herstellerbetrieb. Darüber hinaus wäre angesichts der angestrebten Größe der Verkaufsfläche des Betriebs auch das Merkmal einer funktionellen Unterordnung der Verkaufsstelle gegenüber dem Herstellerbetrieb nicht (mehr) gegeben.

Desweiteren verstößt das Vorhaben auch gegen die Vorschrift des § 11 Abs. 3 BauNVO.

Nach Satz 1 Nr. 2 dieser Vorschrift sind großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Das bedeutet, dass Einzelhandelsbetriebe, die die genannten Voraussetzungen erfüllen, u.a. in Gewerbegebieten unzulässig sind. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO).

Die Vorschrift des § 11 Abs. 3 BauNVO findet neben den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Anwendung. Letztere schließen die in § 11 Abs. 3 BauNVO für großflächige Einzelhandelsbetriebe aufgestellten Anforderungen nicht aus, sondern ergänzen diese und schaffen darüber hinaus unterhalb der Schwelle zur Großflächigkeit besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Einzelhandel.

Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO werden durch die Festsetzung der in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichneten Baugebiete die Vorschriften der §§ 2 bis 14 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht aufgrund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Danach ist mit der Festsetzung von Gewerbe, Misch- und Sondergebieten im Planbereich auch die Regelung des § 11 Abs. 3 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans Nr. 143/2. und 9. Änderung geworden. Eine abweichende Regelung ergibt sich nicht aus den aufgrund von § 1 Abs. 9 BauNVO getroffenen Festsetzungen in den Ziffern 4.5 bis 4.7 zum Ausschluss von innenstadtrelevantem Einzelhandel. Denn in Ziffer 4.5 werden Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Hauptsortimenten generell, d.h. unabhängig von der Größe des jeweiligen Betriebs ausgeschlossen. Eine § 11 Abs. 3 BauNVO verdrängende Sonderregelung liegt darin nicht. Zudem ergibt sich aus der Begründung zum Bebauungsplan mit hinreichender Deutlichkeit, dass für den nach der Sortimentsliste nicht innenstadtrelevanten Einzelhandel § 11 Abs. 3 BauNVO weiterhin Anwendung finden soll. So erwägt die Plangeberin auf S. 12 der Begründung zur 5. Änderung, ob das Planziel dadurch in Frage gestellt werde, dass mit der Zulassung von Einzelhandelsbetrieben mit nicht innenstadtrelevanten Hauptsortimenten zugleich innenstadtrelevante Nebensortimente zugelassen würden. Dies wird sodann ausdrücklich unter Hinweis darauf verneint, dass solche Betriebe bei einer Neuansiedlung oder Erweiterung den Einschränkungen des § 11 Abs. 3 BauNVO für großflächige Einzelhandelsbetriebe unterlägen und Nebensortimente von nicht großflächigen Einzelhandelsbetriebe vernachlässigungsfähige Größen darstellten. Wenn aber für Einzelhandelsbetriebe mit nach Ziffer 4.5 Nr. 1 bis 15 nicht innenstadtrelevanten Hauptsortimenten § 11 Abs. 3 BauNVO Anwendung finden soll, muss dies in gleicher Weise auch für Einzelhandelsbetriebe gelten, deren Hauptsortimente unter die Liste der Ziffer 4.5 fallen, jedoch nach Ziffern 4.6 und 4.7 ausnahmsweise zulassungsfähig sind.

Ferner gilt § 11 Abs. 3 BauNVO – wie dargelegt – auch dann, wenn aufgrund der Erweiterung der Verkaufsfläche eines – wie hier – bestehenden großflächigen, die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO bereits auslösenden Einzelhandelsbetriebs die städtebaulichen Auswirkungen des Vorhabens neu zu beurteilen sind5.

Das Vorhaben widerspricht den Vorgaben des § 11 Abs. 3 BauNVO. Der Betrieb in der Gestalt, die er nach der Erweiterung der Verkaufsfläche erhält, stellt einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb dar, der sich nach Art, Lage und Umfang namentlich auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Stadt nicht nur unwesentlich auswirken kann und damit in einem Gewerbegebiet unzulässig ist.

Nach der geplanten Erweiterung der Verkaufsfläche liegt – wie schon jetzt – ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb vor. Einzelhandelsbetriebe sind im Sinne der Vorschrift großflächig, wenn sie eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten. Bei der Berechnung dieser Fläche sind neben der eigentlichen Verkaufsfläche auch Ausstellungs- und Thekenbereiche, die vom Kunden nicht betreten werden dürfen, sowie Gänge, Treppen, Aufzüge, Kassenvorräume (einschließlich eines Bereichs zum Einpacken der Ware und Entsorgen des Verpackungsmaterials) und Windfänge einzubeziehen6.

Laut Bauvorlagen beträgt die Betriebsgrundfläche gegenwärtig 1.313,22 m² und die Verkaufsfläche 1.093,19 m² (= Verkaufsfläche 1 einschließlich Kassen- und Infobereich 1 sowie Umkleiden 1 und 2). Der Betrieb soll um eine Betriebsgrundfläche von 726,96 m² mit einer Verkaufsfläche von 599,98 m² (= Verkaufsfläche 2 einschließlich Kassen- und Infobereich 2) erweitert werden. Nach der Nutzungsänderung beträgt die Betriebsgrundfläche somit 2.040,18 m² und die Verkaufsfläche 1.693,17 m². Die Grenze zur Großflächigkeit ist damit überschritten, und zwar unabhängig davon, ob in den Flächenangaben der Bauvorlagen auch die Flächen der Windfänge enthalten sind.

Ferner ist in Anwendung der gesetzlichen Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO davon auszugehen, dass der Betrieb nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung sowie auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung haben kann.

Nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO sind Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 bei Betrieben nach Satz 1 Nr. 2 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1.200 m² überschreitet. Diese Vorschrift geht in einer typisierenden Betrachtungsweise („in der Regel“) davon aus, dass großflächige Einzelhandelsbetrieben bei Überschreiten einer bestimmten Größenordnung wesentliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung sowie auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung haben können. Greift die Regelvermutung ein, bedarf es keines konkreten Nachweises, dass die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO beispielhaft genannten Auswirkungen eintreten können. Die Erfüllung der Voraussetzungen der Vermutungsregel reicht vielmehr aus, um den Betrieb in ein Kern- bzw. Sondergebiet zu verweisen7.

Vorliegend greift die Regelvermutung ein. Das (Gesamt-)Vorhaben überschreitet – wie bereits jetzt – die maßgebliche Grenze einer Geschossfläche von 1.200 m². Zwar lassen sich – wie dargelegt – den Bauvorlagen keine Angaben zur Geschossfläche im Sinne von § 20 Abs. 3 BauNVO, sondern nur zur Betriebsgrundfläche entnehmen. Da die innerhalb des Gebäudes gemessene Betriebsgrundfläche aber niedriger ausfällt als die nach den Außenmaßen des Gebäudes zu ermittelnde Geschossfläche, gilt, wenn die Betriebsgrundfläche – wie hier – die Grenze von 1.200 m² überschreitet, dies erst recht für die Geschossfläche.

§ 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO bestimmt, dass die Regel des Satzes 3 u.a. dann nicht gilt, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen im Sinne der Vorschrift bei mehr als 1.200 m² Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

Die gesetzliche Vermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO kann danach wie folgt entkräftet werden: Sie ist widerlegt, wenn besondere Umstände vorliegen, die Anhaltspunkte für das Bestehen einer atypischen Fallgestaltung bieten. Die Anhaltspunkte, die bei der Prüfung einer atypischen Fallkonstellation in Betracht zu ziehen sind, werden in § 11 Abs. 3 Satz 4, 2. Halbsatz BauNVO beispielhaft („insbesondere“) näher konkretisiert. Danach können sich Abweichungen vom Regelfall einerseits aufgrund betrieblicher Besonderheiten (Warenangebot des Betriebs) und andererseits aufgrund der konkreten städtebaulichen Situation (Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung) ergeben7.

Eine atypische Fallgestaltung liegt nämlich vor, wenn der beabsichtigte Betrieb nicht zu der Art von Betrieben gehört, die mit der Regelung des § 11 Abs. 3 BauNVO erfasst werden sollen, oder wenn die konkrete städtebauliche Situation von derjenigen abweicht, in der § 11 Abs. 3 BauNVO das Entstehen großflächiger Einzelhandelsbetriebe wegen deren Auswirkungen verhindert wissen will. Als Betriebstyp liegt der Regelung des § 11 Abs. 3 BauNVO der großflächige Betrieb mit einem breiten Warenangebot für den privaten Bedarf der Allgemeinheit zugrunde. In Bezug auf die städtebauliche Situation liegt der Vorschrift, soweit sie großflächige Einzelhandelsbetriebe außerhalb von Kerngebieten und für sie festgesetzte Sondergebiete ausschließt, die Vorstellung von Standorten zugrunde, die innerhalb des städtebaulichen Gesamtgefüges nicht auf das Einkaufen für die Allgemeinheit ausgerichtet sind, die für die Wohnbevölkerung verkehrlich schlecht oder nur mit dem Kraftfahrzeug zu erreichen sind und die vorhandenen oder geplanten, städtebaulich eingebundene Einzelhandelsstandorte gefährden8.

Betriebliche Besonderheiten, die von der typischen Fallgestaltung abweichen, können z.B. bestehen bei Betrieben, deren Verkaufsfläche trotz Überschreitung der Grenze von 1.200 m² Geschossfläche erheblich unter 800 m² liegt, die auf ein schmales Warensortiment (z.B. Gartenbedarf) beschränkt sind, die Artikel üblicherweise in Verbindung mit handwerklichen Dienstleistungen (z.B. Kraftfahrzeughandel mit Werkstatt) anbieten, die Artikeln führen, die in einer gewissen Beziehung zu gewerblichen Nutzungen stehen (Baustoffhandel, Büromöbelhandel), oder die sperrige, nur mit dem Kraftfahrzeug zu transportierende Güter verkaufen und die typischerweise in der Innenstadt nicht unterzubringen sind9.

Eine abweichende städtebauliche Situation kann z.B. darin bestehen, dass der Einzugsbereich des Betriebs im Warenangebot bisher unterversorgt ist, dass zentrale Versorgungsbereiche an anderem Standort des Einzugsgebiets nicht geplant sind, oder dass der Betrieb in zentraler und für die Wohnbevölkerung allgemein gut erreichbarer Lage errichtet werden soll10.

Ob hinreichende Anhaltspunkte im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO vorliegen, hängt nach alledem maßgeblich davon ab, welche Waren angeboten werden, auf welchen Einzugsbereich der Betrieb angelegt ist und in welchem Umfang zusätzlicher Verkehr hervorgerufen wird. Entscheidend ist, ob der Betrieb über den Nahbereich hinauswirkt und dadurch, dass er unter Gefährdung funktionsgerecht gewachsener städtebaulicher Strukturen weiträumig Kaufkraft abzieht, auch in weiter entfernten Wohngebieten die Gefahr heraufbeschwört, dass Geschäfte schließen, auf die insbesondere nicht motorisierte Bevölkerungsgruppen angewiesen sind. Je deutlicher die Regelgrenze von 1.200 m² überschritten ist, mit desto größerem Gewicht kommt die Vermutungswirkung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO zum Tragen. Je größer die Gemeinde oder der Ortsteil ist, in dem der Einzelhandelsbetrieb angesiedelt werden soll, desto eher ist die Annahme gerechtfertigt, dass sich die potentiellen negativen städtebaulichen Folgen relativieren11.

Greift die Vermutungsregel wegen des Vorliegens einer atypischen Fallgestaltung nicht ein, ist im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen und ggf. auch im Wege richterlicher Beweisaufnahme aufzuklären, ob der zur Genehmigung gestellte großflächige Einzelhandelsbetrieb mit Auswirkungen der in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO genannten Art verbunden sein wird oder kann7.

In Anwendung dieser Maßstäbe hat die Klägerin keine betrieblichen oder städtebaulichen Besonderheiten aufgezeigt, welche die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO widerlegen. Solche Besonderheiten ergeben sich insbesondere nicht aus dem von ihr vorgelegten Gutachten der H2. H3. GmbH. Es bleibt daher bei der Regelvermutung, der hier mit Blick darauf, dass das Vorhaben die Grenze von 1.200 m² Geschossfläche mit 2.040 m² deutlich überschreitet, besonderes Gewicht zukommt.

Betriebliche Besonderheiten, die im Hinblick auf das Warenangebot des Betriebs ein Abweichen von der Regelvermutung gebieten könnten, liegen nicht vor. Sie ergeben sich weder aus der im Gutachten angeführten Spezialisierung des Betriebs auf „Brauchtumsware“ noch aus den – nach dortiger Einschätzung – besonderen Angebotsstrukturen des Betriebs (eingeschränkte Öffnungszeiten, hoher Flächenbedarf wegen großer Sortimentstiefe/-breite und hoher Frequentierung in der Saison sowie Zielkundschaft). Insoweit kann auf die Ausführungen zum Fehlen eines Ausnahmefalls nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans (atypische Sortimentsstruktur und daraus folgende Innenstadtverträglichkeit) Bezug genommen werden. Denn – wie dargelegt – orientiert sich die von dieser Ausnahmeregelung geforderte Atypik des Warenangebots maßgeblich an den Vorgaben des § 11 Abs. 3 BauNVO für die Annahme eines atypischen Ausnahmefalls bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben. Es liegt insoweit derselbe Maßstab zugrunde.

Auch im Hinblick auf die konkrete städtebauliche Situation ergeben sich keine von der in § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO vorausgesetzten Situation abweichende Besonderheiten.

Dabei ist in Anbetracht von Größe und Gliederung der Gemeinde im Ausgangspunkt ein eher strenger Maßstab zugrunde zu legen. Denn bei der Beklagten, einer mittleren kreisangehörigen Stadt mit ca. 37.400 Einwohnern (Stand: Dezember 2006), die über drei zentrale Versorgungsbereiche – die X2. Innenstadt als Hauptzentrum sowie die Stadtteile C. und C1. als Nahversorgungszentren – verfügt, handelt es sich nicht um eine Gemeinde von solcher Art und Größe, bei der die Annahme gerechtfertigt wäre, dass sich potentiell negative städtebauliche Folgen ohne weiteres relativieren.

Was den Standort des Vorhabens angeht, sind Besonderheiten nicht erkennbar. Es handelt sich insoweit vielmehr um einen typischen, städtebaulich nicht integrierten Standort, wie er der gesetzlichen Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO zugrunde liegt. Der zu erweiternde Betrieb befindet sich im Gewerbegebiet „B. „, das abseits der (ca. 1,5 km entfernten) Innenstadt sowie der Stadtteile C. und C1. liegt, die sowohl nach der Einzelhandelsplanung der Stadt als auch dem Städteregionalen Einzelhandelskonzept STRIKT als zentrale Versorgungsbereiche festgelegt sind. Nach dem in Abstimmung mit der Städteregion B1. entwickelten Planungskonzept der Stadt soll großflächiger zentrenrelevanter Einzelhandel im Interesse einer Stärkung und Attraktivierung des gewachsenen Zentrums künftig nur noch in der als Hauptzentrum festgelegten Innenstadt angesiedelt werden. Damit ist der Vorhabenstandort schon nach der städtebaulichen Planung der Gemeinde als nicht integriert einzustufen. Hinzu kommt, dass das Gewerbegebiet mit öffentlichen Verkehrsmitteln auch nur bedingt zu erreichen und daher innerhalb des städtebaulichen Gesamtgefüges nicht auf das Einkaufen für die Allgemeinheit, insbesondere für die nicht motorisierte Wohnbevölkerung ausgerichtet ist. So verfügt das Gewerbegebiet aufgrund der Anbindung über das Autobahnkreuz, die Bundesautobahnen sowie über eine Bundesstraße zwar über eine gute lokale und überregionale Erreichbarkeit im motorisierten Individualverkehr. Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. So wird der Bushaltepunkt „Metro“ von der Stadtbuslinie „WÜ1“ und der Regionalbuslinie 1 lediglich im ca. 1-Stundentakt angefahren, mit der Folge dass die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln eingeschränkt ist.

Ferner bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der – überregionale – Einzugsbereich des Betriebs im Warenangebot „Karnevals- und Festartikel“ bisher unterversorgt gewesen ist, so dass die Versorgung der Bevölkerung in diesem Marktsegment durch das Vorhaben erst sichergestellt würde. So finden sich neben dem Betrieb, wenn auch nur mit zeitlich begrenzten Aktionsflächen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche im Gemeindegebiet und auch der Nachbargemeinden zahlreiche Anbieter von Karnevalsartikeln.

Insbesondere ist nicht dargetan, dass das Vorhaben keine Auswirkungen auf die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich des Betriebs und auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben kann. Wie dargelegt ist für die Beurteilung der Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO und für das Eingreifen der Vermutungsregel nach § 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauNVO jedoch auf das Gesamtvorhaben in seiner durch die Erweiterung geänderten Gestalt abzustellen12.

Maßgebliche Bezugsgröße wären daher die durch die Erweiterung entstehende Gesamtverkaufsfläche (ca. 1.700 m²) und die Gesamtgeschossfläche (mindestens 2.040 m²) sowie die daraus resultierende Umsatzsatzerwartung (1.700.000,00 EUR entsprechend der gutachterlichen Prognose von 1.000,00 EUR/m²). Es liegt auf der Hand, dass die ermittelten Quoten der Kaufkraftabschöpfung und Umsatzumverteilung eine andere Dimension erreichen, wenn diese Zahlen zugrunde gelegt werden.

Unabhängig davon ist bei der Beurteilung der Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO eine mögliche Gefährdung vorhandener Einzelhandelsstrukturen infolge eines durch das Vorhaben bewirkten Kaufkraftabflusses unter Berücksichtigung des städtebaulichen Planungskonzepts der Stadt und der Nachbargemeinden in der Städteregion B1. auch nicht allein ausschlaggebend. Bei der Prüfung, ob eine atypische Fallkonstellation vorliegt, die ein Abweichen von der Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO gebietet, sind die konkreten Verhältnisse in den Blick zu nehmen. Das schließt auch die von der jeweiligen Gemeinde planerisch verfolgte städtebauliche Entwicklung und Ordnung ein. Wie ausgeführt beinhalten die mit den Regelungen zur Einzelhandelssteuerung im Bebauungsplan verfolgten Planungsziele der Stadt – die ausweislich des Städteregionalen Einzelhandelskonzepts STRIKT denen der Nachbargemeinden entsprechen – gerade nicht nur den Schutz der zentralen Versorgungsbereiche, sondern auch die Stärkung und Förderung der Attraktivität der gewachsenen Zentren. Letzteres Ziel soll insbesondere dadurch erreicht werden, dass in Zukunft – auch großflächige – Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten nur noch in dem dafür festgelegten zentralen Versorgungsbereich – hier der X2. Innenstadt als Hauptzentrum – angesiedelt werden sollen. Mit Blick auf dieses Planungsziel kommt es auf die durch das (Gesamt-)Vorhaben verursachten Kaufkraftabflüsse und Umsatzumverteilungen, die allein für den Schutz des bestehenden Zentrums von Bedeutung sind, jedoch nicht entscheidend an. Dieses Anliegen kann nämlich bereits dann berührt sein, wenn Betriebe mit – wie hier – zentrenrelevanten Sortimente an städtebaulich nicht integrierten Standorten angesiedelt oder erweitert werden, weil dadurch die Ansiedlung dieser Sortimente in dem gerade zu fördernden Zentrum verhindert bzw. zumindest erschwert wird13.

Eine die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO entkräftende Ausnahmekonstellation wird auch nicht dadurch begründet, dass der das Karnevalsgeschäft schon jetzt die Schwelle zur Großflächigkeit überschreitet. Wird ein Einzelhandelsbetrieb, der bereits großflächig ist und die Regelvermutungsgrenze des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO überschreitet, unter Beibehaltung des bisherigen Sortiments lediglich erweitert, begründet dies nämlich für sich allein noch keinen Anhaltspunkt im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO dafür, dass Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO nicht vorliegen. Da für die planungsrechtliche Beurteilung die Auswirkungen des Gesamtvorhabens in seiner geänderten Gestalt maßgeblich sind, kommt es weder für das Eingreifen der Regelvermutung noch für deren Widerlegung darauf an, ob der Einzelhandelsbetrieb von vornherein in der nun zu beurteilenden Größe errichtet oder ob ein bestehender Betrieb nachträglich erweitert werden soll. Im Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauNVO stellt sich bei der Erweiterung eines bereits großflächigen Einzelhandelsbetriebs daher nicht die Frage einer „Vorbelastung“ oder „Vorprägung“ des Gebiets14.

Nach alledem ist festzustellen, dass die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO eingreift. Eine Zulassung des Vorhabens im Wege einer Befreiung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 11 Abs. 3 BauNVO folgt dies daraus, dass nach § 31 Abs. 2 BauGB nur von Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden kann. § 11 Abs. 3 BauNVO bestimmt aber unabhängig davon, welche Festsetzungen der Bebauungsplan trifft, dass die dort genannten großflächigen Betriebe nur in Kerngebieten oder in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig sind. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann die Geltung des § 11 Abs. 3 BauNVO daher nicht suspendieren12.

Im Hinblick auf die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans scheidet eine Befreiung aus, weil dadurch die Grundzüge der Planung berührt würden.

Das Karnevalsgeschäft kann einen Genehmigungsanspruch für die Erweiterung der Verkaufsfläche schließlich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass die Stadft im Jahr 2003 die erste Erweiterung des Betriebs, die bereits zu dessen Großflächigkeit geführt hat, baurechtlich genehmigt hat. Die Legalisierungswirkung dieser Baugenehmigung erstreckt sich nur auf das von ihr erfasste Vorhaben, nicht aber auf die streitbefangene (zweite) Erweiterung. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass eine erneute Erweiterung genehmigt werden wird, besteht nicht.

Verwaltungsgericht Aachen – Urteil vom 20. März 2012 – 3 K 896/10

  1. vgl. BVerwG, Urteil vom 29.01.2009 – 4 C 16.07, BVerwGE 133, 98; Beschluss vom 24.01.1995 – 4 NB 3.95, BRS 57 Nr. 26[]
  2. vgl. hierzu: OVG NRW, Urteil vom 13.05.2004 – 7a D 30/03.NE, BauR 2005, 1966[]
  3. vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 – 4 C 21.07, BVerwGE 133, 310[]
  4. vgl. Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, 11. Aufl., 2008 § 11 Rn.20[]
  5. vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.2005 – 4 B 72.05, BauR 2006, 167[]
  6. vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 – 4 C 10.04, BauR 2006, 484[]
  7. vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.07.2002 – 4 B 14.02, BauR 2002, 1825[][][]
  8. vgl. BVerwG, Urteil vom 03.02.1984 – 4 C 54.80, BVerwGE 68, 342[]
  9. vgl. BVerwG, Urteil vom 03.02.1984 – 4 C 54.80, BVerwGE 68, 342; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., 2008 § 11 Rn. 27[]
  10. vgl. BVerwG, Urteil vom 03.02.1984 – 4 C 54.80, BVerwGE 68, 342; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., § 11 Rn. 27.23[]
  11. vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 – 4 C 10.04, BVerwGE 124, 364; Beschluss vom 22.07.2004 – 4 B 29.04, BauR 2004, 1735[]
  12. vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.2005 – 4 B 72.05, BauR 2006, 484[][]
  13. vgl. zur Entbehrlichkeit konkreter Ermittlungen zur Zentrenschädlichkeit im Falle eines sortimentsbezogenen Einzelhandelsausschlusses, wenn als Planungsziel auch die Stärkung der Zentren verfolgt wird: BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 – 4 C 21.07, BVerwGE 133, 310; OVG NRW, Beschluss vom 06.08.2010 – 2 A 1445/09[]
  14. vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.2005 – 4 B 72.05, BauR 2006, 484; vorgehend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.08.2005 – 5 S 2363/04[]