Einem ambulanten Pflegedienstes steht kein Vergütungsanspruch zu, wenn dessen Mitarbeiter nicht über die vertraglich vereinbarte Qualifikation verfügen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden.

In der gesetzlichen Krankenversicherung führt das Unterschreiten der nach dem Pflegevertrag vereinbarten Qualifikation nach den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des Sozialrechts auch dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden1. Dieser „streng formalen Betrachtungsweise“ liegt die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Vertragsarztrecht und zum Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde, wonach Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems zu gewährleisten haben, dass sich die Leistungserbringung nach den für diese Art der Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind2. Um eine den praktischen Erfordernissen entsprechende Qualitätskontrolle zu gewährleisten, können die Krankenkassen auf formalen Ausbildungs- und Weiterbildungsqualifikationen bestehen mit der Folge, dass die Abrechenbarkeit von Leistungen streng an die formale Qualifikation des Personals anknüpft3, wobei die vertragliche Vereinbarung mit dem Leistungserbringer maßgeblich ist4. Dementsprechend scheidet ein Vergütungsanspruch aus, wenn Pflegeleistungen durch Personal erbracht werden, welches nicht über die vertraglich vorausgesetzte Qualifikation verfügt5.
Ob diese Grundsätze – wie die Revision meint – generell auch auf Pflegeverträge mit privat Versicherten anzuwenden sind, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn der Pflegevertrag vom 16.08.2010 ist dahingehend zu verstehen, dass die Parteien die sozialrechtlichen Abrechnungsgrundsätze durch Bezugnahme zur Grundlage ihrer privatrechtlichen Leistungsbeziehung gemacht haben und damit die „streng formale Betrachtungsweise“ der gesetzlichen Krankenversicherung auch für die Abrechenbarkeit der erbrachten Pflegeleistungen maßgebend ist. Der Bundesgerichtshof kann die erforderliche Auslegung des Pflegevertrags, die das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft unterlassen hat, selbst vornehmen, da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind6.
Dass die Abrechenbarkeit der erbrachten Pflegeleistungen hier nach den Grundsätzen des Sozialrechts zu beurteilen ist, ergibt sich aus Folgendem: Das gesamte Vertragswerk verweist hinsichtlich der Leistungserbringung und der Vergütungsregelung auf die Bestimmungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Dabei wird hervorgehoben, dass die Klägerin mit den gesetzlichen Krankenkassen einen Vertrag nach § 132a Abs. 2 SGB V geschlossen habe und „entsprechend“ abrechnen könne (die Vorschrift nennt als Regelungsgegenstände eines derartigen Vertrags „die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege sowie die Preise und deren Abrechnung“). Für Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung, die der Versicherte selbst zu bezahlen hatte, sollte die „zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und dem Pflegedienst vertraglich vereinbarte Vergütung abgerechnet“ werden. Zugleich wird auf das mit den gesetzlichen Krankenkassen vereinbarte Entgeltverzeichnis als Vertragsbestandteil Bezug genommen. Nach alledem haben die Parteien hinsichtlich der Abrechnung der erbrachten Pflegeleistungen nicht zwischen gesetzlich und privat Versicherten differenzieren wollen. In beiden Fällen sollten dieselben Maßstäbe zur Anwendung kommen.
Die gebotene interessengerechte Auslegung des Pflegevertrags ergibt vorliegend ferner unter Berücksichtigung des Vertragswortlauts und unter Einbeziehung der Begleitumstände des Vertragsschlusses, dass die Behandlungspflege des Kindes ausschließlich durch Kinderkrankenpflegefachkräfte mit staatlicher Anerkennung durchzuführen war.
In dem privatrechtlichen Pflegevertrag wird auf § 37 SGB V sowie darauf Bezug genommen, dass die Klägerin einen Vertrag nach § 132a Abs. 2 SGB V abgeschlossen hat. Nach § 37 Abs. 1 bis 3 SGB V haben Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen ihre Krankenkassen, die von diesen „durch geeignete Pflegekräfte“ (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zu erbringen ist. Zur Erfüllung des korrelierenden Sicherstellungsauftrags für häusliche Krankenpflege schließen die Krankenkassen – soweit sie nicht selbst geeignete Personen anstellen (§ 132a Abs. 2 Satz 10 SGB V) – Verträge mit den Leistungserbringern nach § 132a Abs. 2 Satz 1 SGB V7 und konkretisieren dabei die von dem Pflegepersonal zu erfüllenden Anforderungsmerkmale, wobei zur Durchführung umfassender Krankenpflege („große Behandlungspflege“) regelmäßig nur staatlich anerkannte Krankenpfleger oder schwestern, Kinderkrankenpfleger oder schwestern sowie Altenpfleger in Betracht kommen8. Dementsprechend wird auch in dem von der Beklagten vorgelegten „Rahmenvertrag nach § 132a SGB V über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege“, der unter anderem zwischen dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und dem Arbeitgeberverband e.V. abgeschlossen wurde, in § 3 Abs. 2 bestimmt, dass in der Behandlungspflege (nur) „Krankenschwestern/pfleger, Kinderkrankenschwestern/pfleger, Altenpfleger/innen jeweils mit staatlicher Anerkennung“ als im Sinne von § 37 SGB V geeignete Pflegekräfte („Pflegefachkräfte“) anzusehen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Anforderungen eines Versorgungsvertrags für einen Pflegedienst, der sämtliche Bereiche der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 1 bis 3 SGB V, einschließlich aller Aufgaben der („großen“) Behandlungspflege, abdecken will, wegen der dabei häufig auftretenden gesundheitlichen Probleme der pflegebedürftigen Personen hoch anzusetzen9. Damit korrespondiert auch der Werbeauftritt der Klägerin (Homepage und Flyer), wonach sie ausschließlich mit festangestellten examinierten Kinderkrankenpflegefachkräften arbeitet, welche kontinuierlich weitergebildet werden. Nimmt man zugleich in den Blick, dass im konkreten Fall ein Kleinkind mit einer angeborenen rechtsseitigen Zwerchfellhernie zu betreuen war, das intensiver, zeitaufwändiger Behandlungspflege bedurfte, kann nicht zweifelhaft sein, dass nach der Interessenlage der Parteien und dem Vertragszweck der Einsatz von staatlich anerkannten Kinderkrankenpflegefachkräften als vertragliche Leistung geschuldet war.
Vor diesem Hintergrund kommt es für die Berechtigung der geltend gemachten Pflegevergütung entscheidend darauf an, ob die in Bulgarien ausgebildete und im Wesentlichen mit der Pflege des Kindes betraute Kinderkrankenschwester S. hinreichend qualifiziert war. Entscheidend ist daher, ob deren Diplom mit der Fachrichtung „Kinderkrankenschwester“ in Deutschland anerkannt werden kann beziehungsweise sie nach § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege zur Ausübung des Berufs einer Kinderkrankenpflegerin berechtigt ist. Verneinendenfalls können die von ihr erbrachten Pflegeleistungen nicht abgerechnet werden. Eine bereits bezahlte Vergütung könnte nach § 326 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BGB beziehungsweise § 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i.V.m. § 283 Satz 1 BGB zurückgefordert werden10, da wegen unzureichender Qualifikation der Pflegekraft nach gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen nicht abrechnungsfähige Pflegeleistungen keinen wirtschaftlichen Wert verkörpern11 und die Dienste auch nicht nachgeholt werden können. Bei bewusst wahrheitswidriger Täuschung darüber, Pflegepersonal eingesetzt und beschäftigt zu haben, das die vertraglich vereinbarte Qualifikation aufwies, kommt auch ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB in Betracht12.
Dagegen lässt der Bundesgerichtshof nicht den Einwand gelten, die erbrachten Pflegeleistungen seien schon deshalb nicht zu vergüten, weil sie auch qualitativ unbrauchbar gewesen seien und das betreute Kind sich während der zweijährigen Laufzeit des Vertrags in latenter Lebensgefahr befunden habe: Die Kundin hatte die erbrachten Pflegedienste während der Vertragslaufzeit nicht beanstandet. Auch in dem Kündigungsschreiben stellte sie die Qualität der Pflegeleistungen nicht in Frage. Sie bekräftigte vielmehr, die noch offenen Rechnungsposten schnellstmöglich auszugleichen. Während der Pflegephase verbesserte sich der Gesundheitszustand des Kindes erheblich, ohne dass es infolge unzureichender Qualifikation der Pflegekräfte zu krisenhaften Entwicklungen gekommen ist. Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen in ihrer Qualität so gemindert waren, dass sie – unabhängig von der (möglicherweise) fehlenden Abrechenbarkeit wegen der (etwaig) mangelnden Qualifikation der Frau S. – bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Beklagte wertlos und daher einer Nichtleistung gleichzustellen waren mit der Folge, dass die Beklagte die vereinbarte Vergütung nach §§ 614, 320, 326 Abs. 1 BGB nicht bezahlen musste13. Eine bloße Schlechtleistung würde nicht zur Kürzung des Vergütungsanspruchs führen, da dem Dienstvertragsrecht eine Minderung der vertraglichen Vergütung fremd ist14.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Oktober 2015 – III ZR 93/15
- vgl. BGH, Beschluss vom 16.06.2014 – 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170 Rn. 28 ff; Sächsisches LSG, Urteil vom 18.12 2009 – L 1 KR 89/06 36, 44 ff., jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 05.12 2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1200 m. Anm. Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316; Beschluss vom 28.09.1994 – 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85 f[↩]
- BSGE 94, 213 Rn. 26 m. umfangr. w. N.[↩]
- BSGE 98, 12 Rn. 32 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 16.06.2014 aaO Rn. 29 mwN[↩]
- vgl. Sächsisches LSG aaO Rn. 36[↩]
- vgl. z.B. BGH, Urteil vom 08.12 2011 – III ZR 72/11, NVwZ 2012, 581 Rn. 17; BGH, Urteile vom 25.09.1975 – VII ZR 179/73, BGHZ 65, 107, 112; und vom 07.07.1999 – VIII ZR 131/98, NJW 1999, 3037 f[↩]
- BSGE 90, 150 f[↩]
- vgl. BSG aaO S. 153, 156[↩]
- BSGE aaO S. 155 f[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2006 – III ZR 167/05, NJW 2006, 1276 Rn. 18[↩]
- vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25.01.2012 – 1 StR 45/11, BGHSt 57, 95 Rn. 81, 86[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 16.06.2014 – 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170 Rn. 17 ff[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2006 aaO; BGH, Beschluss vom 16.06.2014 aaO Rn. 31 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 07.03.2002 – III ZR 12/01, NJW 2002, 1571, 1572; BGH, Urteil vom 15.07.2004 – IX ZR 256/03, NJW 2004, 2817 jeweils mwN[↩]