Zur Abgabe der Vermögensauskunft für eine GmbH ist grundsätzlich diejenige Person verpflichtet, die im Zeitpunkt des für die Abgabe der Vermögensauskunft bestimmten Termins ihr Geschäftsführer ist. Die Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft trifft den ausgeschiedenen Geschäftsführer nur für den Fall, dass sich die Berufung auf die Beendigung der Organstellung als rechtsmissbräuchlich erweist. Dies kann der Fall sein, wenn Veränderungen in der gesetzlichen Vertretung der GmbH während des Zwangsvollstreckungsverfahrens erfolgen.
Kann der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nur angeben, dass er zur Erteilung von Auskünften zu dem zu offenbarenden Vermögen nicht in der Lage ist, weil er die ihm als gesetzlichem Vertreter übertragenen Aufgaben nicht ausführe, keine Kenntnisse über die geschäftliche Tätigkeit des Unternehmens habe und Auskünfte allein eine andere Person erteilen könne, ist auf Antrag des Gläubigers auch derjenige, der faktisch die Organstellung ausübt, zur Abgabe der Vermögensauskunft zu laden.
In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall betreiben die Gläubiger gegen die Schuldnerin, eine GmbH, die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil vom 06.05.2021 und einem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.06.2021. Nachdem die Gläubiger einen Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft vom 29.09.2023 erwirkt hatten, beantragten sie am 18.04.2024 die Vollstreckung des Haftbefehls und die Abnahme der Vermögensauskunft. Die für den Geschäftssitz der Schuldnerin zuständige Gerichtsvollzieherin leitete den Antrag an den Gerichtsvollzieher eines anderen Gerichtsbezirks weiter, da die Geschäftsführerin der Schuldnerin in den Geschäftsräumen der Schuldnerin nicht anzutreffen sei und sie ihren privaten Wohnsitz in dessen Zuständigkeitsbezirk habe. Die Geschäftsführerin der Schuldnerin erteilte diesem Gerichtsvollzieher am 8.07.2024 eine Vermögensauskunft, die sich im Wesentlichen darauf beschränkte, dass sie keine Angaben machen könne. Daraufhin beantragten die Gläubiger die Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft durch den alleinigen Gesellschafter der Schuldnerin und ehemaligen Geschäftsführer M.
. Dieser sei der faktische Geschäftsführer der Schuldnerin.
Die für den Geschäftssitz der Schuldnerin zuständige Gerichtsvollzieherin hat diesen Antrag abgelehnt. Hiergegen haben die Gläubiger Erinnerung eingelegt, mit der sie in der Hauptsache die Anweisung der Gerichtsvollzieherin begehren, dem Antrag der Gläubiger auf Abnahme der Vermögensauskunft gegen die Schuldnerin, vertreten durch ihren faktischen Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter, zu entsprechen, sowie die Kostenrechnung der Gerichtsvollzieherin in Höhe von 19, 80 € über die nicht erledigte Amtshandlung aufzuheben.
Hilfsweise beantragen die Gläubiger, den für den Wohnort der aktuellen Geschäftsführerin zuständigen Gerichtsvollzieher anzuweisen, dem Antrag der Gläubiger auf Nachbesserung der von ihr abgegebenen Vermögensauskunft zu entsprechen.
Das Amtsgericht Charlottenburg hat die Erinnerung im Hauptantrag als unbegründet, im Hilfsantrag als unzulässig zurückgewiesen1. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubiger hat das Landgericht Berlin II zurückgewiesen2. Auf die -vom Landgericht Berlin II zugelassene- echtsbeschwerde der Gläubiger hat der Bundesgerichtshof die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache ur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin II zurückverwiesen:
Nach § 802c Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Schuldner verpflichtet, zum Zwecke der Vollstreckung einer Geldforderung auf Verlangen des Gerichtsvollziehers Auskunft über sein Vermögen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu erteilen. Zur Auskunftserteilung hat der Schuldner gemäß § 802c Abs. 2 Satz 1 ZPO alle ihm gehörenden Vermögensgegenstände anzugeben.
Das Landgericht Berlin II ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO für eine juristische Person durch ihren gesetzlichen Vertreter abzugeben ist, bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung demgemäß durch ihren Geschäftsführer (§ 35 GmbHG).
Die Rechtsbeschwerde wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Landgerichts Berlin II, die Vermögensauskunft sei im Streitfall nicht auch von dem Gesellschafter der Schuldnerin, der früher ihr Geschäftsführer war, abzugeben, sondern allein von der aktuellen bestellten Geschäftsführerin der Schuldnerin.
Das Landgericht Berlin II ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass grundsätzlich die aktuelle Geschäftsführerin der Schuldnerin die Vermögensauskunft abzugeben hat.
Zur Abgabe der Vermögensauskunft ist grundsätzlich diejenige Person verpflichtet, die im Zeitpunkt des für die Abgabe der Vermögensauskunft bestimmten Termins ihr gesetzlicher Vertreter ist3. Dies hat seinen Grund darin, dass nur derjenige, der eine juristische Person vertritt, für diese rechtsverbindliche Erklärungen abgeben kann. Die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO ist zwar keine Willens, sondern eine Wissenserklärung; sie entfaltet aber wie eine Willenserklärung Rechtswirkungen für den Schuldner, da dieser nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 802g ZPO in das Schuldnerverzeichnis einzutragen ist. Die Stellung als gesetzlicher Vertreter ist auch deshalb maßgeblich, weil die Offenbarungspflicht gegebenenfalls durch Freiheitsentziehung auf der Grundlage eines Haftbefehls durchgesetzt werden kann4. Wer gesetzlicher Vertreter des Schuldners ist, muss von Amts wegen geklärt werden, weil es sich dabei um eine Frage der ordnungsgemäßen Vertretung des Schuldners handelt5.
Nach diesen Grundsätzen ist grundsätzlich die aktuelle Geschäftsführerin der Schuldnerin verpflichtet, die Vermögensauskunft abzugeben. Zweifel an der Wirksamkeit ihrer Bestellung werden von der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Geschäftsführerin der Schuldnerin ist im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft erschienen und hat Auskunft erteilt. Das Landgericht Berlin II hat allerdings ohne Rechtsfehler festgestellt, dass diese Vermögensauskunft unzureichend ist. Sie erschöpft sich im Wesentlichen in der Aussage, dass die Geschäftsführerin die erfragten Angaben mangels Kenntnis nicht machen könne, dass sie vom ehemaligen Geschäftsführer keine Geschäftsunterlagen erhalten habe und zuständig für weitere Auskünfte der Allein-Gesellschafter und ehemalige Geschäftsführer sei.
Die Beurteilung des Landgerichts Berlin II, der Allein-Gesellschafter der Schuldnerin T. sei nicht ausnahmsweise als früherer Geschäftsführer der Schuldnerin zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet, hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der einzige Vorstand eines eingetragenen Vereins, der sein Amt erst nach der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung niedergelegt hat, ohne dass ein neuer gesetzlicher Vertreter bestellt worden ist, verpflichtet bleibt, für den Verein die Vermögensauskunft abzugeben, wenn die Berufung auf die Amtsniederlegung rechtsmissbräuchlich wäre6.
Auf diese Rechtsprechung können sich die Gläubiger im Streitfall nicht berufen.
Die Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft trifft den ausgeschiedenen Geschäftsführer nur für den Fall, dass sich die Berufung auf die Beendigung der Organstellung als rechtsmissbräuchlich erweist. Rechtfertigung für diese Ausnahme von dem Grundsatz, dass der aktuelle gesetzliche Vertreter zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet ist, ist das im gesamten Verfahrensrecht geltende Gebot von Treu und Glauben7.
Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, zu dem Zeitpunkt, in dem sich der alleinige Gesellschafter der Schuldnerin als Geschäftsführer selbst abberufen habe, sei absehbar gewesen, dass auf die Schuldnerin hohe Schadensersatzforderungen zukommen würden. Nach den Feststellungen des Landgerichts Berlin II ist der Allein-Gesellschafter T. als Geschäftsführer am 1.02.2018 abberufen worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte das von den Gläubigern betriebene Zwangsvollstreckungsverfahren noch nicht begonnen. Es existierten darüber hinaus weder das Urteil noch der Kostenfestsetzungsbeschluss, aus dem sie die Zwangsvollstreckung betreiben. Diese Vollstreckungstitel stammen aus dem Jahr 2021. Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, dass das Erkenntnisverfahren am 1.02.2018 bereits eingeleitet worden wäre, hierfür ist auch nichts ersichtlich. Danach ist im Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen, dass zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der Abberufung des Allein-Gesellschafters der Schuldnerin als Geschäftsführer kein gerichtliches Verfahren zwischen den Parteien anhängig war. Deshalb kann im Streitfall der Grundsatz von Treu und Glauben in seiner verfahrensrechtlichen Ausprägung nicht zur Anwendung kommen. Es kann deshalb offenbleiben, ob dieser Grundsatz eine Verpflichtung des ausgeschiedenen Geschäftsführers zur Abgabe der Vermögensauskunft nur begründen kann, wenn Veränderungen in der gesetzlichen Vertretung einer juristischen Person während des Zwangsvollstreckungsverfahrens erfolgen, oder ob eine solche Verpflichtung auch in Betracht kommt, wenn ein Geschäftsführer bereits während des Erkenntnisverfahrens als gesetzlicher Vertreter abberufen wird.
Die von der Rechtsbeschwerde angegriffene Entscheidung kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht Berlin II nicht in Betracht gezogen hat, dass der Allein-Gesellschafter der Schuldnerin T. als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin ebenfalls zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet sein könnte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft eine Person, die zwar rechtlich nicht dem geschäftsführenden Organ einer Kapitalgesellschaft angehört, tatsächlich aber wie ein Organmitglied auftritt und handelt, nach § 15a InsO die Pflicht, den Insolvenzantrag zu stellen. Sie ist außerdem für die Nichterfüllung dieser Pflichten verantwortlich. Der Grund für die Haftung des faktischen Geschäftsführers liegt darin, dass derjenige, der, ohne dazu berufen zu sein, wie ein Geschäftsführer handelt, auch die Verantwortung eines Geschäftsführers tragen und wie ein solcher haften muss, wenn nicht der Schutzzweck des Gesetzes gefährdet werden soll8.
Für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, kommt es auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens an. Danach ist es nicht erforderlich, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat9.
Faktische Organe sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Verletzung ihrer Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags auch strafrechtlich wegen Bankrotts (§ 283 Abs. 1 StGB) und wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO) verantwortlich10.
Diese Rechtsprechung zum Insolvenzrecht, die die Gesamtvollstreckung in das Vermögen des Schuldners betrifft, bei der die Gesamtheit des Schuldnervermögens zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger verwertet wird, dient dazu, den vom Gesetz vorgesehenen Schutz der Gläubigerinteressen (vgl. § 1 Satz 1 InsO) zu verwirklichen.
Die Vorschriften über die Einzelvollstreckung im Achten Buch der Zivilprozessordnung dienen – wie die Gesamtvollstreckung im Insolvenzverfahren – ebenfalls Gläubigerinteressen, die Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG11 und aufgrund des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs. 3 GG) genießen. Der Justizgewährungsanspruch gewährleistet auch die Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes12. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass der Justizgewährungsanspruch nicht in einem seiner Bedeutung für den Vollstreckungsgläubiger ausreichenden Maße gesichert ist, wenn der Schuldner sich seiner Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft nach §§ 802c ff. ZPO entzieht und seine für diesen Fall vorgesehene Verhaftung nach § 802g ZPO aus Gründen unterlaufen werden kann, die nicht in der Sphäre des Vollstreckungsgläubigers liegen und von ihm auch nicht weiter beeinflusst werden können13.
Diese Erwägungen gelten auch, wenn – wie im Streitfall – Schuldner eine juristische Person ist, und die als ihr gesetzlicher Vertreter bestellte Person im Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nur angeben kann, dass sie zur Erteilung von Auskünften zu dem zu offenbarenden Vermögen nicht in der Lage ist, weil sie die ihr als gesetzliche Vertreterin übertragenen Aufgaben nicht ausführe, keine Kenntnisse über die geschäftliche Tätigkeit des Unternehmens habe und Auskünfte allein eine andere Person erteilen könne. Es würde dem Justizgewährungsanspruch der Gläubiger zuwiderlaufen, wenn der Schuldner auf diese Weise durch die Einschaltung eines Strohmanns oder einer Strohfrau verhindern könnte, dass Gläubiger durch die Abgabe der Vermögensauskunft von seinem Vermögen Kenntnis erlangen. In derartigen Fällen ist es gerechtfertigt, auch den faktischen Geschäftsführer als verpflichtet anzusehen, die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO für den Schuldner abzugeben.
Die Gläubiger müssen sich entgegen der Ansicht des Landgerichts Berlin II angesichts der offensichtlich unzureichenden Vermögensauskunft der aktuellen Geschäftsführerin der Schuldnerin nicht darauf verweisen lassen, nach § 802l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Einholung von Drittauskünften zu verlangen.
Nach § 802l Abs. 1 Satz 1 darf der Gerichtsvollzieher die in dieser Bestimmung aufgeführten Maßnahmen – Einholung bestimmter Auskünfte von Dritten – durchführen, soweit sie zur Vollstreckung erforderlich sind und die in Satz 2 dieser Vorschrift geregelten Voraussetzungen vorliegen. Nach § 802l Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO sind diese Maßnahmen nur zulässig, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem der Maßnahme nach Satz 1 zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt. Über das Ergebnis einer Erhebung oder eines Ersuchens nach § 802l Abs. 1 ZPO setzt der Gerichtsvollzieher den Gläubiger unverzüglich und den Schuldner innerhalb von vier Wochen nach Erhalt in Kenntnis (§ 802l Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Die Vollstreckungsmaßnahmen des § 802c ZPO und des § 802l ZPO unterscheiden sich erheblich. Die Vermögensauskunft, deren Abgabe durch Erzwingungshaft durchgesetzt werden kann (§ 802g Abs. 1 ZPO), zielt auf eine umfassende Selbstauskunft des Schuldners, während im Verfahren nach § 802l ZPO der Gerichtsvollzieher Auskünfte über das Vermögen des Schuldners bei Dritten einholt. Die bei Verweigerung der Selbstauskunft drohende Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis begründet einen Vollstreckungsdruck auf den Schuldner, den eine Fremdauskunft, von der der Schuldner erst nachträglich Kenntnis erlangt (vgl. § 802l Abs. 3 ZPO), nicht auslöst14. Weiteren Vollstreckungsdruck erzeugt die Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft durch die nach § 802c Abs. 3 Satz 1 ZPO vorgesehene Verpflichtung des Schuldners, die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern. Die Verletzung dieser Pflicht steht nach § 156 StGB unter Strafandrohung. Danach ist die Vermögensauskunft des Schuldners das gegenüber der Einholung von Drittauskünften durch den Gerichtsvollzieher effektivere Vollstreckungsinstrument.
Die Sache ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Landgericht Berlin II zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO), welches über das Begehren der Gläubiger erneut zu befinden haben wird.
Das Landgericht Berlin II wird bei der erneuten Entscheidung über den Hauptantrag der Gläubiger zunächst die von ihm bislang nicht vorgenommene Prüfung vorzunehmen haben, ob die von den Gläubigern vorgetragenen unwidersprochenen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Allein-Gesellschafter der Schuldnerin T. ihr faktischer Geschäftsführer ist. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, dass dies der Fall ist, wird es die für den Wohnsitz der Schuldnerin zuständige Gerichtsvollzieherin anzuweisen haben, ihn zur Abgabe der Vermögensauskunft zu laden.
Ob jemand die Rolle des Vertretungsorgans faktisch übernommen hat, kann nur im Rahmen einer Gesamtschau der konkreten Verhältnisse der jeweiligen Gesellschaft beurteilt werden15. Bei dieser Prüfung wird das Landgericht Berlin II im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren den von ihm bislang nicht in seine Beurteilung einbezogenen Vortrag der Gläubiger zu berücksichtigen haben, der dafür spricht, dass es sich bei der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführerin um eine Strohfrau-Geschäftsführerin handelt und die tatsächlichen Geschicke der Schuldnerin von ihrem Alleingesellschafter T.
als faktischem Geschäftsführer gelenkt werden.
So haben die Gläubiger vorgetragen, die aktuelle Geschäftsführerin der Schuldnerin befinde sich nach Aussage des für ihren Wohnort zuständigen Obergerichtsvollziehers in der Privatinsolvenz. Die Geschäftsführerin hat in der für die Schuldnerin abgegebenen Vermögensauskunft erklärt, sie sei bei diversen Firmen als Geschäftsführerin auf Minijobbasis angestellt, ohne die Tätigkeit jedoch jemals auszuführen. Sie habe keinerlei Kenntnisse von den geschäftlichen Tätigkeiten dieser Firmen. Dies spricht dafür, dass eine andere Person als die aktuelle Geschäftsführerin die Geschicke der Schuldnerin in der Hand hat.
Sollte das Landgericht Berlin II zu dem Ergebnis gelangen, dass der Allein-Gesellschafter der Schuldnerin T. nicht ihr faktischer Geschäftsführer ist, wird es sich erneut mit dem von ihm wegen Fehlens der örtlichen Zuständigkeit (§ 802e ZPO) als unzulässig angesehenen Hilfsantrag der Gläubiger zu befassen haben, den für den Wohnsitz der aktuellen Geschäftsführerin zuständigen Gerichtsvollzieher anzuweisen, die von ihr abgegebene Vermögensauskunft nachbessern zu lassen.
Hierbei wird das Landgericht Berlin II den Hilfsantrag zunächst auszulegen haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Auslegung von Prozesserklärungen – ebenso wie bei materiell-rechtlichen Willenserklärungen – nicht allein der Wortlaut der Erklärung maßgebend. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus den Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht16.
Das Landgericht Berlin II wird bei der Auslegung des Hilfsantrag zu berücksichtigen haben, dass die Gläubiger den Antrag auf Nachbesserung der Vermögensauskunft bei dem Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO) als demjenigen Gericht gestellt haben, bei dem die Schuldnerin ihren satzungsgemäßen Sitz hat, und dass – worauf die Rechtsbeschwerde verweist – die Gläubiger die Anweisung des für den privaten Wohnsitz der Geschäftsführerin der Schuldnerin zuständigen Gerichtsvollziehers, sie zur Nachbesserung der Vermögensauskunft zu laden, lediglich in der Weise beantragt haben, dass dieser im Rahmen der Amtshilfe für die für den Bezirk des Vollstreckungsgerichts zuständige Gerichtsvollzieherin tätig werden soll.
Sollte das Landgericht Berlin II den Hilfsantrag in dieser Form für zulässig ansehen, wird es zu prüfen haben, ob die im Handelsregister eingetragene Geschäftsführerin zur Nachbesserung der von ihr abgegebenen Vermögensauskunft zu laden ist.
Nach den vom Landgericht Berlin II getroffenen Feststellungen ist die Geschäftsführerin der Schuldnerin zur Nachbesserung der Vermögensauskunft verpflichtet.
Der Gläubiger kann die Nachbesserung einer abgegebenen Vermögensauskunft nur verlangen, wenn der Schuldner ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt hat. Dies setzt voraus, dass aus dem Vermögensverzeichnis selbst ersichtlich ist, dass die Angaben unvollständig, ungenau oder widersprüchlich sind, oder aber der Gläubiger glaubhaft macht, dass der Schuldner im Vermögensverzeichnis versehentlich unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat17.
So liegt es hier. Das Landgericht Berlin II hat – wie bereits ausgeführt ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die von der Geschäftsführerin der Schuldnerin abgegebene Vermögensauskunft unzureichend ist.
Die Ladung eines Strohmann-Geschäftsführers zur Nachbesserung der Vermögensauskunft und seine Verhaftung für den Fall, dass eine solche Nachbesserung nicht erfolgt, ist jedoch nur dann verhältnismäßig, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Gläubiger dadurch die Auskünfte erlangt, zu deren Angabe die GmbH als Schuldnerin verpflichtet ist.
Ob ein Strohmann-Geschäftsführer, der über die geschäftlichen Tätigkeiten der von ihm vertretenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Unkenntnis gehalten wird, im Hinblick auf seine drohende Verhaftung zur Erzwingung der Vermögensauskunft in der Lage ist; vom faktischen Geschäftsführer die Informationen zu beschaffen, die er für die Abgabe der Vermögensauskunft benötigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ist der Strohmann etwa mit dem faktischen Geschäftsführer familiär eng verbunden, wird einem Nachbesserungsverlangen nicht von vornherein die Erfolgsaussicht fehlen. Das Landgericht Berlin II hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, dass das Verfahren zur Nachbesserung der Vermögensauskunft durch die aktuelle Geschäftsführerin nicht geeignet wäre, den Gläubigern die von der Schuldnerin zu offenbarenden Informationen über ihr Vermögen zu verschaffen.
Sollte das Landgericht Berlin II erneut zu der Auffassung gelangen, dass es für eine entsprechende Anweisung örtlich nicht zuständig und der Hilfsantrag deshalb unzulässig ist, wird es den von ihm nicht in Erwägung gezogenen Umstand zu berücksichtigen haben, dass die Gläubiger für diesen Fall wiederum hilfsweise eine Verweisung an das für den privaten Wohnsitz der Geschäftsführerin zuständige Amtsgericht beantragt haben.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Oktober 2025 – I ZB 47/25
- AG Charlottenburg, Beschluss vom 06.12.2024 – 34 M 1684/24[↩]
- LG Berlin II, Entscheidung vom 17.04.2025 – 51 T 43/25[↩]
- OLG Köln, Rpfleger 2000, 399 4] mwN[↩]
- zu § 807 und § 915 ZPO aF vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2006 – I ZB 35/06, NJW-RR 2007, 185 14] mwN[↩]
- BGH, NJW-RR 2007, 185 13] mwN[↩]
- BGH, NJW-RR 2007, 185[↩]
- vgl. BGH, NJW-RR 2007, 185 16][↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.03.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44 6]; Urteil vom 25.02.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 25][↩]
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11.07.2005 – II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550 8] mwN[↩]
- zu § 283 StGB vgl. BGH, Beschluss vom 15.11.2012 – 3 StR 199/12, ZIP 2013, 514 22 f.]; zu § 15a Abs. 4 InsO vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2014 – 4 StR 323/14, ZIP 2015, 218[↩]
- BVerfG, Rpfleger 2005, 614 24][↩]
- BVerfG, NJW 2022, 2677 38] mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.12.2005 – I ZB 63/05, NJW 2006, 1290[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.2018 – I ZB 120/17, JurBüro 2019, 127 17] – Gebühr für Drittauskunft[↩]
- BGH, Urteil vom 27.02.2025 – 5 StR 287/24, ZIP 2025, 1022 20][↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 11.06.2025 – IV ZR 83/24, NJW-RR 2025, 1083 28] mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 02.05.2024 – I ZB 61/23, JurBüro 2024, 496 10] mwN[↩]
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