Die tatsächliche Vermutung, dass es dem Anleger für seine Anlageentscheidung auf die Richtigkeit aller wesentlichen Prospektangaben ankommt, erfasst Feststellungen in einem veröffentlichten Wirtschaftsprüfertestat grundsätzlich auch dann, wenn es sich auf einen überholten Stichtag bezieht und ein neuer bestätigter Jahresabschluss zu erwarten war. Auch ein überholter Bestätigungsvermerk begründet zumindest das Vertrauen, dass die Anlage in dem bestätigten Umfang zu dem maßgeblichen Zeitpunkt keine Mängel aufwies, die zur Verweigerung oder Einschränkung des Testats hätten führen müssen1.

Der zwischen der Emittentin und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geschlossene Vertrag über die Prüfung des Jahresabschlusses 2003 und des Lageberichts habe keine Schutzwirkung zu Gunsten der Anleger entfaltet. Gleiches gilt für Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinn, soweit die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht umfassend prospektverantwortlich ist, da ihr kein Prospektprüfungsauftrag erteilt wurde.
Hingegen ist ein Schadensersatzanspruch der Anleger gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf anderer rechtlicher Basis nicht auszuschließen. Insoweit sind sowohl quasivertragliche als auch deliktische Anspruchsgrundlagen in Erwägung zu ziehen.
Ob jedoch die Voraussetzungen ersterer dem Grunde nach erfüllt sind, kann – im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – auf sich beruhen, da jedenfalls eine Haftung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus § 826 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB und § 332 HGB, jeweils i.V.m. § 31 BGB besteht.
So kommt im hier entschiedenen Fall zumindest im Ausgangspunkt eine Haftung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinn als Garant in Betracht. Für den Prospektinhalt müssen zwar in erster Linie diejenigen einstehen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind. Das sind namentlich die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder sie beherrschen, einschließlich der sogenannten „Hintermänner“. Darüber hinaus haften aber auch diejenigen, die aufgrund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder aufgrund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sind2. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15. Dezember 20053 ausgeführt hat, kann auch das Jahresabschlusstestat eines Wirtschaftsprüfers seine Haftung als „Garant“ für ihm zuzurechnende Prospektaussagen begründen, sofern seine entsprechende Tätigkeit nach außen erkennbar geworden ist. Von einem solchen Sachverhalt dürfte nach den bisher getroffenen Feststellungen auszugehen sein.
Dabei kann dahinstehen, ob – wie die Revision unter Bezugnahme auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde in die Diskussion eingeführt hat – für Wirtschaftsprüfer, die Testate gemäß § 322 HGB erteilen, der persönliche Anwendungsbereich der (in der für den Streitfall maßgeblichen Zeit noch gültigen, inzwischen aufgrund des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 06.12.2011 – BGBl. I S. 2481 – mit Wirkung zum 1.06.2012 außer Kraft getretenen) Regelungen in § 13 des Wertpapier-Verkaufsprospektgesetzes (VerkProspG) und in § 44 BörsG eröffnet ist4. Ebenso wenig bedarf es einer Entscheidung, ob die in § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG, § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG bestimmte Begrenzung des Rückabwicklungsanspruchs gegen die Prospektverantwortlichen auf Erwerbsgeschäfte, die nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere beziehungsweise nach dem Zeitpunkt des ersten öffentlichen Angebots im Inland abgeschlossen wurden, Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinn für später getätigte Erwerbsgeschäfte ausschließt (vgl. § 47 Abs. 2 BörsG,5 siehe jetzt § 21 Abs. 5 Satz 2 VermAnlG und § 25 Abs. 2 WpPG).
Jedenfalls haben die Anleger dem Grunde nach einen Anspruch, der auf § 826 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB und § 332 HGB, jeweils i.V.m. § 31 BGB beruht. Sie haben vorgetragen, der Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe zumindest bedingt vorsätzlich einen fehlerhaft uneingeschränkten Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluss 2003 erteilt. Sie haben sich insoweit ein im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstattetes Gutachten der Wirtschaftsprüferkammer B. zu eigen gemacht. In diesem Gutachten werden gravierende Mängel bei der Durchführung der Jahresabschlussprüfungen 2002 und 2003 festgestellt. Das Berufungsgericht hat hierzu keine gegenteiligen Feststellungen getroffen, vielmehr ein vorsätzliches und sittenwidriges Verhalten des Geschäftsführers der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterstellt, so dass hiervon auch in der Revisionsinstanz auszugehen ist. Ansprüche wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlungen können uneingeschränkt neben den gesetzlichen Prospekthaftungsansprüchen (sofern deren persönlicher Anwendungsbereich für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft überhaupt eröffnet sein sollte) geltend gemacht werden (§ 13 Abs. 1 VerkProspG, § 47 Abs. 2 BörsG; siehe jetzt § 21 Abs. 5 Satz 2 VermAnlG und § 25 Abs. 2 WpPG).
Die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für die Entscheidungen der Anleger, ihre Inhaberschuldverschreibungen 2005 umzutauschen, ist nicht auszuschließen. Mit Recht hat die Vorinstanz hervorgehoben, die Lebenserfahrung spreche dafür, dass ein Prospektfehler ursächlich für den Entschluss zum Erwerb der Anlage sei6. Diese auf Tatsachenerfahrung beruhende Vermutung gilt für die quasivertragliche Prospekthaftung und für Schadensersatzansprüche wegen falscher Prospektangaben auf deliktischer Grundlage gleichermaßen7. Nicht beizutreten vermag der Bundesgerichtshof jedoch der Ansicht, der Bestätigungsvermerk könne keine Vertrauensgrundlage für die in der zweiten Jahreshälfte 2005 getroffenen Entscheidungen über den Umtausch der Inhaberschuldverschreibungen sein, da sich das Testat lediglich auf das am 31.12.2003 abgelaufene Geschäftsjahr bezogen und allenfalls noch eine Prognose für das Jahr 2004 zugelassen habe.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 15.12.20058 zwar im Hinblick auf eine etwaige „Aktualisierungspflicht“ ausgeführt, der Bestätigungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers sei in seiner Reichweite begrenzt, weil er auf einen bestimmten Stichtag bezogen sei. Vertrauensbegründende Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in der Zukunft könne das Testat des Wirtschaftsprüfers – für den durchschnittlichen Anlageinteressenten erkennbar – nicht enthalten. Jedoch hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung auch hervorgehoben, es lasse sich nicht sagen, dass die in dem Prospekt wiedergegebenen Aussagen des dort beklagten Wirtschaftsprüfungsunternehmens wegen des Bezugs auf einen bereits abgelaufenen Stichtag für die Anleger zum Zeitpunkt des Erwerbs der Anlage bedeutungslos gewesen seien9.
Hiernach ist in der vorliegenden Fallgestaltung nicht davon auszugehen, dass der im Jahr 2004 erteilte Bestätigungsvermerk zum Stichtag des Jahresabschlusses für 2003 keine Bedeutung mehr für die 2005 gefassten Erwerbsentschlüsse der Anleger gehabt haben konnte. Diese sahen sich nicht in ihren Erwartungen getäuscht, wie sich einzelne Faktoren nach dem Stichtag entwickelten und die Wirtschaftslage der WBG L beeinflussten. Nur insoweit konnte das Testat wegen seiner auf den Prüfungszeitraum begrenzten Aussagekraft kein Vertrauen verschaffen. Vielmehr geht es um – nach dem Vortrag der Anleger fehlerhafte – Feststellungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu Tatsachen, die vor dem Prüfungsstichtag lagen und die Gegenstand der Prüfung sowie des Bestätigungsvermerks waren. Die tatsächliche Vermutung, dass es dem Anleger für seine Entscheidung auf die Richtigkeit aller wesentlichen Prospektangaben ankommt, erfasst solche Feststellungen in einem veröffentlichten Wirtschaftsprüfertestat grundsätzlich auch dann, wenn es sich auf einen abgelaufenen Stichtag bezieht. Ein solcher Bestätigungsvermerk begründet zumindest das Vertrauen, dass die Anlage in dem bestätigten Umfang zu dem maßgeblichen Zeitpunkt keine Mängel aufwies, die zur Verweigerung oder Einschränkung des Testats hätten führen müssen. Auch wenn bis zur Anlageentscheidung mit der zwischenzeitlichen Erstellung eines neuen Testats zu rechnen gewesen sein mag, wirkt dieses Vertrauen insoweit fort, als der Anleger nur mit einer seither eingetretenen Veränderung der Verhältnisse rechnen muss, nicht aber damit, dass zu dem für den im Prospekt wiedergegebenen Bestätigungsvermerk maßgeblichen Prüfungszeitpunkt strukturelle Mängel der Anlage bestanden, die sich noch auswirken. Erst wenn, was hier aber nicht der Fall ist, zwischen dem Prüfungsstichtag und dem Anlageentschluss eine so lange Zeit verstrichen ist, dass mit wesentlichen, auch die Grundlagen des Unternehmens erfassenden Änderungen der Verhältnisse gerechnet werden muss, kann die durch Lebenserfahrung begründete Vermutung der Ursächlichkeit des unrichtigen Bestätigungsvermerks für die Anlageentscheidung nicht mehr eingreifen.
Aus den aufgrund des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 06.12.201110 mit Wirkung zum 1.06.2012 außer Kraft getretenen § 44 BörsG und § 13 VerkProspG folgt nichts anderes. Zwar begrenzte § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG, den auch § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG unter Maßgaben in Bezug nahm, die Haftung der Prospektverantwortlichen auf Erwerbsgeschäfte, die nach Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere abgeschlossen wurden (siehe jetzt § 21 Abs. 1 Satz 1 WpPG und § 21 Abs. 1 Satz 1 VermAnlG). Diese Befristung gilt jedoch jedenfalls für Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlungen nicht (§ 47 Abs. 2 BörsG; siehe jetzt § 21 Abs. 5 Satz 2 VermAnlG und § 25 Abs. 2 WpPG)11. Diesen Vorschriften, die allein auf eine Rückabwicklung des Erwerbsgeschäfts gerichtet sind12, lässt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber – entgegen den tatsächlichen Verhältnissen – generell und damit auch für auf Vorsatz beruhende deliktische Schadensersatzansprüche von einem auf kurze Dauer begrenzten Vertrauen in die Richtigkeit von Emissionsprospekten ausgegangen ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach § 47 Abs. 2 BörsG (siehe jetzt § 21 Abs. 5 Satz 2 VermAnlG und § 25 Abs. 2 WpPG) „weitergehende“ Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden konnten, unberührt blieben13.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Februar 2013 – III ZR 139/12
- Fortführung von BGH, Urteil vom 15.12.2005 – III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611[↩]
- st. Rspr., z.B. BGH, Urteile vom 17.11.2011 – III ZR 103/10, BGHZ 191, 310 Rn.19 und vom 12.02.2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, 115 jew. mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 15.12.2005 – III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611 Rn.19 f[↩]
- streitig, dagegen z.B.: MünchKomm-BGB/Emmerich, 6. Aufl., § 311 Rn. 158; Nobbe, WM 2013, 193, 196; Schwark in Schwark/Zimmer, KapitalmarktrechtsKommentar, 4. Aufl., §§ 44, 45 BörsG Rn. 12 mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand; dafür z.B.: Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., §§ 44, 45 BörsG Rn. 36 f; zweifelnd Fleischer, BKR 2004, 339, 344[↩]
- dazu Nobbe, aaO, S.201 f; vgl. auch Kind in Arndt/Voß, VerkProspG, § 13 Rn. 40; vor §§ 13, 13a Rn. 16[↩]
- so die st. Rspr., z.B. BGH, Beschluss vom 09.04.2009 – III ZR 89/08; BGH, Urteil vom 14.06.2007 – III ZR 300/05, NJW-RR 2007, 1329 Rn. 21; BGH, Urteile vom 23.04.2012 – II ZR 211/09, WM 2012, 1184 Rn. 30; vom 07.12.2009 – II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 Rn. 23; vom 02.06.2008 – II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 Rn.19; und vom 03.12.2007 – II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 16 jew. mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.11.1993 – XI ZR 214/92, NJW 1994, 512, 514[↩]
- BGH, Urteil vom 15.12.2005 – III ZR 424/04, NJW-RR 2006, 611 Rn. 26[↩]
- BGH, aaO Rn. 22[↩]
- BGBl. I S. 2481[↩]
- zu dieser Sichtweise siehe auch BGH, Urteil vom 08.01.2013 – VI ZR 386/11[↩]
- siehe dazu BGH, Urteil vom 18.09.2012 – XI ZR 344/11, WM 2012, 2147 Rn. 1, 18; Regierungsbegründung des Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland, BT-Drucks. 13/8933 S. 78[↩]
- vgl. im Übrigen auch Regierungsbegründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts, BT-Drucks. 17/6051 S. 36[↩]