Der Anlageberater hat auch dann über das Risiko einer wieder auflebenden Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB aufzuklären, wenn diese auf 10 % des Anlagebetrags begrenzt ist.

In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater rechtzeitig, richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können1. In diesem Zusammenhang gehört es nach der Bundesgerichtshofsrechtsprechung, die das Berufungsgericht teilt, insbesondere zu den Pflichten eines Anlageberaters, den Anleger über das Risiko der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB aufzuklären2.
Soweit das Oberlandesgericht Celle3 eine Pflicht zur Aufklärung verneint, wenn die Haftung des Anlegers – entweder unmittelbar als Kommanditist oder mittelbar als Treugeber, der dem Rückgriff des Treuhandkommanditisten ausgesetzt ist – nach § 172 Abs. 4 HGB auf 10 % des eingetragenen Haftkapitals begrenzt sei4, hält dies einer rechtlichen Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof nicht stand.
Die Aufklärungspflicht des Anlageberaters im Hinblick auf das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB ist darin begründet, dass die an den Anleger erfolgte Auszahlung durch den Fonds nicht sicher ist, sondern gegebenenfalls zurückbezahlt werden muss. Dieses Risiko unterscheidet sich auch von demjenigen des allgemeinen Verlustrisikos, über das daneben aufzuklären ist. Die wieder auflebende Kommanditistenhaftung hat erhebliche Auswirkungen auf die prognostizierte Rendite, die nachträglich wieder entfallen oder verringert werden kann. Diese Renditeerwartung des Anlegers ist regelmäßig wesentlicher Maßstab für die Beurteilung der Anlage. Deshalb kann dem Risiko der wieder auflebenden Kommanditistenhaftung eine Bedeutung für die Anlageentscheidung nicht abgesprochen werden, auch wenn es auf 10 % des Anlagebetrags begrenzt ist. Es ist deshalb aufklärungspflichtig im Rahmen eines Anlageberatungsgesprächs, da es dem Anleger überlassen werden muss, welche Bedeutung er diesem Risiko bei seiner Anlageentscheidung geben will.
Fehl geht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs das Argument, es sei ein Wertungswiderspruch, eine Aufklärungspflicht des Anlageberaters bei einem Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB in Höhe von 10 % des Einlagebetrags anzunehmen, nicht jedoch bei einem Kapitalabfluss für Provisionen bis zu 15 % der Beteiligungssumme5. Der durchschnittliche Anleger muss damit rechnen, dass in dem von ihm aufzubringenden Beteiligungsbetrag (einschließlich Agio) auch die Kosten des Vertriebs der Anlage enthalten sind, während er nicht ohne weiteres erwartet, dass einmal an ihn ausgeschüttete Beträge wieder zurückgezahlt werden müssen, wodurch nachträglich seine bereits vereinnahmte Rendite wieder verringert wird.
Es ist daher in den Blick zu nehmen, inwieweit die Begrenzung des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung nach § 172 Absatz 4 HGB auf 10 % der Anlage im konkreten Einzelfall die Anlegerentscheidung des Anlegers beeinflusst hat. Dabei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugunsten des Anlegers zwar eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass er sich bei der gebotenen Aufklärung nicht an der Gesellschaft beteiligt hätte6, die jedoch eine entgegenstehende tatrichterliche Würdigung nicht ausschließt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Dezember 2014 – III ZR 82/14
- st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 24.04.2014 – III ZR 389/12, NJW-RR 2014, 1075 Rn. 8 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 22.07.2010 – III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623 Rn.20, 23; vgl. auch – bezüglich etwaiger Prospekthaftungsansprüche – BGH, Urteil vom 08.10.2013 – II ZR 335/12, Rn. 28[↩]
- OLG Celle, Urteil vom 20.02.2014 – 11 U 200/13[↩]
- so auch Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19.12 2013 – 5 U 158/11; und Brandenburgisches OLG, Urteil vom 04.04.2012 – 5 U 52/11[↩]
- vgl. insoweit BGH, Urteil vom 12.02.2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, 118, 121[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2010 – III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623 Rn.20[↩]