Factoring als Rechtsdienstleistung

Die Abtretung einer Forderung (hier: des durch einen Verkehrsunfall Geschädigten auf Erstattung von Sachverständigenkosten) durch einen Sachverständigen an ein Factoring-Unternehmen, das nicht über eine Registrierung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG verfügt, ist wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 RDG in Verbindung mit § 3 RDG gemäß § 134 BGB nichtig, wenn das Factoring-Unternehmen nicht das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt.

Factoring als Rechtsdienstleistung

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG ist die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen eine Rechtsdienstleistung, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nach § 3 RDG nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Inkassodienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG dürfen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG nur von Personen, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), aufgrund besonderer Sachkunde erbracht werden.

Die Einziehung einer abgetretenen Forderung auf fremde Rechnung (Inkassozession) soll nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 30.11.2006 unter Erlaubnisvorbehalt stehen, weil hier nur die formale Forderungsinhaberschaft auf den Einziehenden übertragen wird, die Einziehung aber weiterhin auf Risiko und Rechnung des Zedenten erfolgt und die Forderung für den Zessionar wirtschaftlich fremd bleibt1. Sie ist von den Fällen des Forderungskaufs abzugrenzen, „bei denen ein endgültiger Forderungserwerb stattfindet und das Risiko des Forderungsausfalls auf den Erwerber übergeht“2, so dass die Einziehung auf eigene Rechnung erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung darauf an, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem Abtretenden zukommen soll, wobei nicht allein auf den Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten ihr zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen ist, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die eine Umgehung des Gesetzes durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Einziehung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze vermeidet. Entscheidend ist insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, das heißt das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt3.

Im vorliegenden Fall sollten zunächst nur 80% ausgezahlt und die Auszahlung der restlichen 20 % vom Zahlungseingang abhängig sein. Mithin hat der Factor im konkreten Fall nicht das volle wirtschaftliche Risiko übernommen. An dieser Beurteilung würde sich nichts ändern, wenn man diese Vereinbarung lediglich als Fälligkeitsabrede ansehen würde4. Denn der Zedent trägt einen Teil des Bonitätsrisikos auch dann, wenn der Anspruch auf Auszahlung der restlichen 20 % mangels Zahlungseingangs niemals fällig wird.

Da der Factor im konkreten Fall nicht das volle wirtschaftliche Risiko übernommen hat und er deshalb mit der Einziehung der an ihn abgetretenen Forderung insgesamt eine unerlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 3 RDG betreibt, kommt auch eine Teilnichtigkeit nicht in Betracht.

Die Einziehung wird vom Factor zudem als eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG betrieben. Ein solches liegt vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt5. Die Einziehung abgetretener Forderungen bildet vorliegend das Hauptgeschäft des Factors. Damit ist zugleich festgestellt, dass die Inkassotätigkeit keine bloße Nebenleistung im Sinne von § 5 RDG darstellt6.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Oktober 2014 – VI ZR 507/13

  1. BT-Drs. 16/3655, S. 35 f., 48[]
  2. BT-Drs., aaO, S. 48[]
  3. vgl. BGH, Urteile vom 30.10.2012 – XI ZR 324/11, NJW 2013, 59 Rn. 13 f.; vom 11.12 2013 – IV ZR 46/13, NJW 2014, 847 Rn. 18; und vom 11.12 2013 – IV ZR 137/13 18; Beschluss vom 11.06.2013 – II ZR 245/11, WM 2013, 1559 Rn. 3; vgl. auch OLG Nürnberg, NJW-RR 2014, 852[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 11.12 2013 – IV ZR 46/13, aaO Rn. 21[]
  5. BGH, Urteile vom 30.10.2012 – XI ZR 324/11, aaO Rn. 21; und vom 11.12 2013 – IV ZR 46/13, aaO Rn. 29[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 11.12 2013 – IV ZR 46/13, aaO Rn. 30[]