Besteht zwischen einer verkehrsdurchgesetzten dreidimensionalen Klagemarke und der beanstandeten, für identische Waren verwendeten Form eine hochgradige Zeichenähnlichkeit, so ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Verkehr nicht nur die Form der Klagemarke, sondern auch die angegriffene Gestaltung als herkunftshinweisend wahrnimmt1.

Zeichenidentität im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist gegeben, wenn das angegriffene Zeichen ohne Änderung oder Hinzufügung alle Elemente wiedergibt, die die Marke bilden, oder wenn es als Ganzes betrachtet Unterschiede gegenüber der Marke aufweist, die so geringfügig sind, dass sie einem Durchschnittsverbraucher entgehen können2.
Eine markenmäßige Benutzung oder – was dem entspricht – eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die beanstandeten Bezeichnungen im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dienen. Die Rechte aus der Marke nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, dessen Anwendung eine Verwechslungsgefahr voraussetzt, sind daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Hauptfunktion der Marke, das heißt die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte3. Im Falle einer dreidimensionalen Marke ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr nach der Lebenserfahrung die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auffasst, weil es bei der Warenform zunächst um eine funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst geht. Auch eine besondere Gestaltung der Ware selbst wird danach eher diesem Umstand zugeschrieben werden als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen4.
Dabei ist zunächst zu prüfen, welche Kennzeichnungskraft die Klagemarke erreicht hat, weil der Grad der Kennzeichnungskraft einer dreidimensionalen Marke sich darauf auswirkt, ob der Verkehr einer Form, der er als Ware begegnet, einen Herkunftshinweis entnimmt5. Verkehrsdurchgesetzte Zeichen haben üblicherweise eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft6.
Die Annahme, eine angegriffene Gestaltung werde markenmäßig benutzt, folgt nicht schon aus der Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Klagemarke. Durch die Eintragung der Klagemarke ist es dem Tatrichter lediglich verwehrt; vom Vorliegen von Eintragungshindernissen auszugehen und der Klagemarke jeden Schutz zu versagen. Die Markeneintragung hat nicht zur Folge, dass das Zeichen in jedweder Verwendungsform die Funktion eines Herkunftshinweises erfüllt. Deshalb ist es im Kollisionsfall Aufgabe des Verletzungsrichters zu prüfen, ob gerade die beanstandete Verwendungsform herkunftshinweisend ist7.
Dabei verwirft der Bundesgerichtshof die Ansicht, aus der Verkehrsdurchsetzung der Klagemarke könne nicht abgeleitet werden, dass der Verkehr die beanstandete, der Klagemarke hochgradig ähnliche Warenform ebenfalls als Herkunftshinweis verstehe.
In der Bundesgerichtshofsrechtsprechung ist zwar anerkannt, dass die Umfrageergebnisse zu einer Klagemarke nicht uneingeschränkt der Beurteilung zugrunde zu legen sind, ob die beanstandete Form bei der konkreten Verwendung als Herkunftshinweis aufgefasst wird, wenn zwischen den Zeichen nicht unerhebliche Unterschiede bestehen8. Besteht jedoch zwischen einer verkehrsdurchgesetzten dreidimensionalen Klagemarke und der beanstandeten, für identische Waren verwendeten Form eine hochgradige Ähnlichkeit, so ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Verkehr nicht nur die Form der Klagemarke, sondern auch die angegriffene Gestaltung als herkunftshinweisend wahrnimmt.
Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist grundsätzlich in Ansehung ihres Gesamteindrucks nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Zeichen auf die angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können9. Stehen sich – wie vorliegend – dreidimensionale Gestaltungen gegenüber, so kann sich die Zeichenähnlichkeit lediglich in bildlicher oder begrifflicher Hinsicht ergeben. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr die Kollisionszeichen im Regelfall nicht gleichzeitig wahrnimmt und deshalb seine Auffassung aufgrund eines unvollkommenen Erinnerungsbildes gewinnt10. In der Erinnerung fallen die Unterschiede der in Rede stehenden Zeichen kaum ins Gewicht.
Bei dieser Sachlage erweist sich die Benutzung der angegriffenen Form als markenmäßig, wenn der Verkehr keinen Anlass hat, nur die Klagemarke, nicht aber die ihr hochgradig ähnliche angegriffene Gestaltung bei der Verwendung für identische Waren als herkunftshinweisend anzusehen. Abweichendes ergibt sich nicht aus der BGH-Entscheidung „Russisches Schaumgebäck“11. Die der Entscheidung zugrunde liegende Klagemarke war nicht aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragen.
Ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG Verwechslungsgefahr vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die grundsätzlich auch das Revisionsgericht beantworten kann12.
Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt13.
Vorliegend sind identische Waren betroffen, die Klagemarke besitzt durchschnittliche Kennzeichnungskraft und die zu vergleichenden Zeichen sind hochgradig ähnlich sind. Die Gesamtbetrachtung aller dieser Umstände führt zu dem Ergebnis, dass unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht, weil zu erwarten ist, dass der angesprochene Verkehr die angegriffene Gestaltung für die Klagemarke hält.
Der Anspruch der Markeninhaberin erstreckt sich auf ein Verbot des Herstellens, Anbietens, Vertriebs, Inverkehrbringens und Bewerbens des beanstandeten Schokoriegels in der Bundesrepublik Deutschland. Aus der Verwirklichung einer der in § 14 Abs. 3 MarkenG genannten Handlungsmodalitäten folgt regelmäßig die Erstreckung des Verbots auf sämtliche in dieser Vorschrift genannten Verwertungshandlungen14. Der Anspruch der Markeninhaberin erstreckt sich somit, wie beantragt, auch auf das Verbot des Herstellens, Anbietens und des Vertriebs.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Oktober 2015 – I ZR 23/14
- Fortführung von BGH, Urteil vom 25.01.2007 – I ZR 22/04, BGHZ 171, 89 Rn. 31 Pralinenform I; Urteil vom 22.04.2010 – I ZR 17/05, GRUR 2010, 1103 Rn. 28 = WRP 2010, 1508 Pralinenform II[↩]
- EuGH, Urteil vom 25.03.2010 C278/08, Slg. 2010, I-2517 = GRUR 2010, 451 Rn. 25 – Bergspechte; Urteil vom 08.07.2010 – C-558/08, Slg. 2010, I-6963 = GRUR 2010, 841 Rn. 47 Portakabin/Primakabin; BGH, Urteil vom 12.03.2015 – I ZR 153/14, GRUR 2015, 1009 Rn. 15 = WRP 2015, 1224 BMW-Emblem[↩]
- EuGH, Urteil vom 12.06.2008 – C-533/06, Slg. 2008, I-4231 = GRUR 2008, 698 Rn. 57 – O2/Hutchison; Urteil vom 18.06.2009 C487/07, Slg. 2009, I-5185 = GRUR 2009, 756 Rn. 59 – L’Oréal/Bellure; BGH, Urteil vom 11.04.2013 – I ZR 214/11, GRUR 2013, 1239 Rn.20 = WRP 2013, 1601 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion[↩]
- vgl. BGHZ 171, 89 Rn. 26 – Pralinenform I; BGH, Urteil vom 22.04.2010 – I ZR 17/05, GRUR 2010, 1103 Rn. 30 = WRP 2010, 1508 – Pralinenform II[↩]
- vgl.BGH, Urteil vom 07.10.2004 – I ZR 91/02, GRUR 2005, 427, 428 f. = WRP 2005, 616 – Lila-Schokolade; BGHZ 171, 89 Rn. 30 – Pralinenform I[↩]
- BGHZ 171, 89 Rn. 35 – Pralinenform I; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 279[↩]
- vgl. BGHZ 171, 89 Rn. 24 – Pralinenform I; BGH, GRUR 2010, 1103 Rn. 28 – Pralinenform II[↩]
- vgl. BGHZ 171, 89 Rn. 31 – Pralinenform I[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 03.09.2009 – C-498/07, Slg.2009, I-7371 = GRUR Int.2010, 129 Rn. 60 – La Española/Carbonell; BGH, Urteil vom 14.05.2009 – I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 Rn. 26 = WRP 2009, 1533 – airdsl[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.04.2015 – I ZR 59/13, GRUR 2015, 1114 Rn.20 = WRP 2015, 1343 – Springender Pudel[↩]
- BGH, Urteil vom 03.02.2005 – I ZR 45/03, GRUR 2005, 414 = WRP 2005, 610[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2000 – I ZR 223/97, GRUR 2000, 506, 509 = WRP 2000, 535 – ATTACHÉ/TISSERAND; Urteil vom 05.12 2012 – I ZR 85/11, GRUR 2013, 833 Rn. 67 = WRP 2013, 1038 – Culinaria/Villa Culinaria[↩]
- st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2014, 382 Rn. 14 REAL-Chips; BGH, Urteil vom 05.03.2015 – I ZR 161/13, GRUR 2015, 1004 Rn. 18 = WRP 2015, 1219 – IPS/ISP[↩]
- BGH, Urteil vom 23.02.2006 – I ZR 272/02, GRUR 2006, 421 Rn. 42 = WRP 2006, 590 – Markenparfümverkäufe; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 14 Rn. 123; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 14 MarkenG Rn. 565[↩]