Bei der Zuständigkeit nach §§ 89, 95 GWB i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Niedersächsische Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung (ZustVO-Justiz) handelt es sich um eine besondere Form der sachlichen Zuständigkeit; dies gilt allgemein für Vorschriften, welche die Zuständigkeit eines Gerichts für die Bezirke mehrerer Gerichte nach sachlich-funktionellen Abgrenzungskriterien bestimmen.

Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO geht nur soweit, wie das verweisende Gericht binden wollte und soweit es die Zuständigkeit erkennbar geprüft hat; entscheidend ist, dass sich das verweisende Gericht mit der betreffenden Zuständigkeitsfrage bereits befasst hat.
§ 36 Abs. 2 ZPO ist so zu verstehen, dass dasjenige Oberlandesgericht zuständig ist, zu dessen Bezirk das von den am Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichten zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
Im hier vom Oberlandesgericht Braunschweig entschiedenen Fall bedeutete dies:
Der Zuständigkeitsstreit zwischen dem zum Oberlandesgerichtsbezirk Celle gehörenden Landgericht Hannover und dem zum Bezirk des Oberlandesgerichts Braunschweig gehörenden Landgericht Braunschweig ist nach § 36 Abs. 2 ZPO durch das Oberlandesgericht Braunschweig zu entscheiden, weil von den am Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichten zuerst das Landgericht Braunschweig mit der Sache befasst war. Zwar war die Klage zunächst beim Landgericht Stuttgart anhängig. Eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Stuttgart für die Bestimmung des zuständigen Gerichts ergibt sich hieraus jedoch nicht, da sowohl das Landgericht Braunschweig als auch das Landgericht Hannover, was die Verweisung des Landgerichts Stuttgart an das Landgericht Braunschweig zumindest unter rein örtlichen Gesichtspunkten betrifft, für jedenfalls insoweit als bindend erachten; das Landgericht Stuttgart ist mithin am Zuständigkeitsstreit nicht beteiligt. Der Begriff „gemeinschaftliche“ Gericht in § 36 Abs. 2 ZPO ist in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dahingehend zu verstehen, dass diese „Gemeinschaft“ nur aus den am Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichten besteht. Denn § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO setzt voraus, dass sich verschiedene Gerichte jeweils einander widersprechend für unzuständig erklärt haben. § 36 Abs. 2 ZPO ist also so zu verstehen, dass dasjenige Oberlandesgericht zuständig ist, zu dessen Bezirk das von den am Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichten zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört, während die Zuständigkeit für ein zwar mit der Sache einmal befasst gewesenes, am Zuständigkeitsstreit aber nicht beteiligtes Gericht eine Zuständigkeit nach § 36 Abs. 2 ZPO nicht begründet1.
Zum zuständigen Gericht war das Landgericht Hannover zu bestimmen. Die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Hannover ist nach §§ 87 Abs. 1, 89 Abs. 1, 95 GWB i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Nds. Zuständigkeitsverordnung-Justiz gegeben.
Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Stuttgart steht dem nicht entgegen. Sie beschränkt sich nur auf die Verneinung der eigenen örtlichen Zuständigkeit und spiegelbildlich darauf, dass das Landgericht Braunschweig an einer Rück- oder Weiterverweisung nur unter dem Gesichtspunkt der örtlichen Zuständigkeit gehindert gewesen ist.
Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO geht nur soweit, wie das verweisende Gericht binden wollte und soweit es die Zuständigkeit erkennbar geprüft hat2. Entscheidend ist, dass sich das verweisende Gericht mit der betreffenden Zuständigkeitsfrage bereits befasst hat3.
Das Landgericht Stuttgart hat sich indes nur mit der örtlichen Zuständigkeit und dies auch nur unter dem Gesichtspunkt des § 32 b ZPO befasst. Zwar ist zutreffend, dass in § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG unabhängig vom Streitwert die Zuständigkeit in Sachen wegen falscher Kapitalmarktinformation streitwertunabhängig sachlich den Landgerichten zugewiesen worden ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass hier das Landgericht Stuttgart insoweit auch eine sachliche Zuständigkeitsverweisung gegenüber dem Landgericht Braunschweig vornehmen wollte. Schon wegen des enorm hohen Streitwerts bestand bzgl. der grundsätzlich sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts von vornherein kein Zweifel. Solche sind auch nicht geltend gemacht worden. Dass das Landgericht bzgl. der sachlichen Zuständigkeit keine weiteren Überlegungen angestellt hat, ergibt sich auch aus dem Wortlaut des Verweisungsbeschlusses („….erklärt sich für örtlich unzuständig“). Anderes folgt auch nicht aus dem im Verweisungsbeschluss verwendeten Begriff „ausschließlich“ („an das ausschließlich zuständige Landgericht Braunschweig“). Die Ausschließlichkeit ergibt sich auch schon allein im Rahmen des § 32 b ZPO unter dem Gesichtspunkt der örtlichen Zuständigkeit.
Dass § 87 GWB die sachliche Zuständigkeit ganz allgemein den Landgerichten zuweist, besagt für den vorliegenden Rechtsstreit nichts. Auch insoweit hat das Landgericht Stuttgart erkennbar keine Prüfung vorgenommen. Ob es dafür ohne den seinerzeit noch nicht gehaltenen weiteren Rechtsvortrag der Klägerinnen Anlass hatte oder nicht, ist insoweit unerheblich. Wesentlich ist nur, dass das Landgericht Stuttgart weder erkennbar über die sachliche noch insbesondere über die kartell-rechtliche Zuständigkeit entscheiden wollte, sondern nur über die örtliche und bzgl. dieser auch nur unter dem Gesichtspunkt des § 32 b ZPO.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts Hannover handelt es sich bei der Zuständigkeit nach §§ 89, 95 GWB i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Nds. Zuständigkeitsverordnung-Justiz um eine besondere Form der sachlichen Zuständigkeit. Dies gilt allgemein für Vorschriften, welche die Zuständigkeit eines Gerichts für die Bezirke mehrerer Gerichte bestimmen4. Zwar ist es zutreffend, dass der Gesetzgeber keinen eigenen Kartell-Rechtsweg geschaffen hat, sondern die Konzentration solcher Verfahren durch Verordnung letztlich an einem „Ort“, hier Hannover, vorgenommen hat. Das rechtfertigt jedoch noch nicht die Einordnung als (rein) örtliche Zuständigkeitsregelung. Die örtliche Zuständigkeit betrifft die Abgrenzung der Zuständigkeit nach der örtlichen Beziehung der beteiligten Personen oder der Streitsache5. Der gesetzgeberische Grund kommt in der Vorschrift des § 89 GWB selbst unmittelbar zum Ausdruck („Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“). Das dafür maßgebliche Abgrenzungskriterium dieser Vorschrift ist keines nach der örtlichen Beziehung6, sondern nach sachlich-funktioneller Beziehung zum Kartellrecht7. Demgegenüber knüpft § 32 b Abs. 1 ZPO an den Ortsbezug des Sitzes an, so wie es auch das Landgericht Stuttgart allein in seine Überlegungen einbezogen hat.
Aus der fehlenden, der Weiterverweisung entgegenstehenden Bindungswirkung des Beschlusses des Landgerichts Stuttgart folgt, dass der zulässig unter sachlichen Zuständigkeitsgesichtspunkten8 erfolgte Verweisungsbeschluss des Landgerichts Braunschweig, der auch im Übrigen in verfahrensgemäßer Weise ergangen ist und auf zutreffenden, mindestens aber vertretbaren Erwägungen beruht, gem. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend ist. Es entspricht darüber hinaus der Zweckmäßigkeit, das auf Kartellrechtsfragen landesweit spezialisierte Landgericht Hannover zum zuständigen Gericht zu bestimmen, zumal es für die übrigen geltend gemachten und in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen eine entsprechende Spezialisierung nicht gibt. Der Umstand, dass es sich bei dem Gerichtsstand nach § 32 b ZPO um einen ausschließlichen örtlichen Gerichtsstand handelt, steht dem nicht entgegen. Zum einen hindert der Umstand, dass unter mehreren in Betracht kommenden Gerichtsständen (mindestens) einer ein ausschließlicher ist, die Bestimmung nach § 36 ZPO grundsätzlich nicht9. Unabhängig davon handelt es sich auch bei der kartellrechtlichen Zuständigkeit um eine ausschließliche (sachliche) Zuständigkeit, § 95 GWB.
Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 29. Oktober 2013 – 1 W 42/13
- OLG Brandenburg, Beschluss vom 06. 10.1998 – 1 AR 31/98, OLGR Brandenburg 1999, 162[↩]
- vgl. BGH, NJW 1964, 1416, 1417 f.; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 281 Rz. 115[↩]
- Wieczorek/Schütze/Assmann, a.a.O., m.w.N.[↩]
- OLG Koblenz, NJW-RR 2008, 552; vgl. für entsprechende Vorschrift des § 51 Abs. 2 PatG a. F. so auch schon BGH, Urteil vom 22.06.1954 – I ZR 225/53 = BGHZ 14, 72, 75[↩]
- Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 1 Rz. 7[↩]
- vgl. OLG Koblenz, a.a.O.[↩]
- Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 89 Rz. 4; Loewenheim/Riesenkampff-Dicks, Kartellrecht, § 89 Rz. 6; OLG Koblenz a.a.O.[↩]
- vgl. BGH NJW 1963, 585, 586, li. Sp. unten[↩]
- vgl. BGHZ 90, 155, 159, so schon für den Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO[↩]