Beginn der Widereinsetzungsfrist

Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen1.

Beginn der Widereinsetzungsfrist

Wird dem Anwalt die Handakte zur Fertigung der Berufungsbegründung vorgelegt, muss er anhand der Handakte auch prüfen, ob die Berufungsfrist eingehalten worden ist.

Nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO muss die Wiedereinsetzung innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Nach § 234 Abs. 2 ZPO beginnt die Frist mit dem Tag, an dem das Hindernis – hier also die Unkenntnis von dem verspäteten Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht – behoben ist. Dabei ist ein Hindernis nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen; es ist im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO auch behoben, sobald die Unkenntnis und damit die Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist2. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt deshalb spätestens mit dem Zeitpunkt, in dem der verantwortliche Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können und müssen3.

Gemessen hieran war in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufen:

Spätestens bei Vorlage der Handakte zur Fertigung der Berufungsbegründung, deren Frist am 30.12.2009 ablief, hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Anlass gehabt, auch die Einhaltung der Berufungsfrist zu überprüfen. Hierbei hätte er namentlich anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung vom 02.12.2009 bemerken müssen, dass die Berufung beim Gericht erst am gleichen Tag eingegangen war. Im Übrigen hatte der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 22.02.2010, also rund 11 Monate vor Eingang des Wiedereinsetzungsantrages, auf eine mögliche Fristversäumnis hingewiesen.

Weiterlesen:
Die Hinweispflicht des Gerichts und der Anspruch auf rechtliches Gehör

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 6. Juli 2011 – XII ZB 88/11

  1. BGH, Beschluss vom 07.02.1996 – XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934[]
  2. BGH Beschlüsse vom 16.09.2003 – X ZR 37/03, NJW-RR 2004, 282, 283; vom 13.07.2004 – XI ZB 33/03, NJW-RR 2005, 76, 77 und BGH, Beschluss vom 07.02.1996 – XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934[]
  3. BGH, Beschluss vom 07.02.1996 – XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 935; vgl. auch BGH Beschluss vom 28.10.2009 – IV ZB 10/09, NJW-RR 2010, 1000 Rn. 9[]