Abwehransprüche nach § 1004 BGB verjähren grundsätzlich gemäß § 195 BGB in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren1.

Vorliegend haben die klagenden Wohnungseigentümervon den baulichen Veränderungen, die durch die beklagten Wohnungseigentümerin ohne vorherigen Beschluss vorgenommenen worden sind, zum Zeitpunkt ihrer Errichtung im Jahr 2009 unstreitig Kenntnis genommen. Ob die WEG-Gemeinschaft dabei positive Kenntnis von dem Umstand hatten, dass sich die Terrasse und der Schuppen (teilweise) auf dem Gemeinschaftseigentum befinden, oder hiervon erst aus dem späteren Schreiben der Verwaltung erfahren haben, ist unerheblich. Denn ihnen fiel zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von diesem aus der Teilungserklärung unmittelbar ersichtlichen Umstand zur Last. Grob fahrlässig handelt, wer sich die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe beschaffen könnte und auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten nicht ausnutzt2. Dass an der streitgegenständlichen Fläche keine Sondernutzungsrechte zugunsten der Beklagten begründet worden sind, ergibt sich unmittelbar aus der Teilungserklärung. Wer diesen Umstand bei Erwerb seines Wohnungseigentums nicht zur Kenntnis nimmt, handelt nicht nur leicht, sondern grob fahrlässig3. Dies hatte zur Folge, dass die Verjährung Ende 2009 zu laufen begonnen hat und der Beseitigungsanspruch der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung im September 2013 bereits verjährt war.
Das Amtsgericht hat weiter zu Recht und mit zutreffender Begründung einen auf § 985 BGB gestützten Beseitigungsanspruch der Kläger gegen die Beklagten verneint. Der Anspruch gemäß § 985 BGB ist gerichtet auf die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes4. Die über die Übertragung des Besitzes hinausgehende Entfernung der von dem Besitzer errichteten Bauwerke (Räumung) ist nicht Inhalt des Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB, sondern des Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB5. Eine Beseitigung der Terrasse sowie des Doppelschuppens i.S.e. „Freiräumens“ kann hieraus nicht hergeleitet werden.
Das Amtsgericht hat zudem zu Recht einen Anspruch der Kläger gegen die Beklagten auf „Räumung und geräumte Herausgabe“ gemäß § 985 BGB i.V.m. §§ 13 Abs. 2 S. 1, 15 Abs. 3 WEG verneint.
Die Kläger können von den Beklagten keine auf § 985 BGB gestützte Räumung i.S.e. „Freiräumens“ verlangen. Der Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB ist lediglich auf die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes in dem Zustand gerichtet, in dem sich die Sache befindet und nicht in dem sie sich bei Besitzerwerb befand, was bei Grundstücken die Ermöglichung des ungehinderten Zugangs sowie die Besitzaufgabe beinhaltet6. Zu Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass die Kläger von den Beklagten keine vollständige Besitzaufgabe wegen der im Wohnungseigentumsrecht in § 13 Abs. 2 S. 1 WEG getroffenen speziellen Regelungen des Mitgebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen können7.
Entgegen der Ansicht der Kläger ergibt sich auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des OLG München vom 16.11.2007 – 32 Wx 111/07 kein Anspruch der Kläger auf „Räumung und geräumte Herausgabe“ gemäß § 985 BGB. Das OLG München hat im Rahmen dieser Entscheidung aus dem Anspruchsinhalt des Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB als minus einen Anspruch auf Duldung der Beseitigung der besitzstörenden Bebauung hergeleitet, indem es in dem konkreten Fall die Verschaffung des unmittelbaren Mitbesitzes am gemeinschaftlichen Eigentum mit der Entfernung der baulichen Erweiterung des Sondereigentums als gleichbedeutend angesehen hat8. Ein klägerseits geltend gemachter Räumungsanspruch gestützt auf § 985 BGB lässt sich auf diese Entscheidung nicht stützen.
Der hilfsweise erstmalig in der Berufung von den Klägern geltend gemachte und dahingehend gerichtete Herausgabeanspruch, ihnen den ungehinderten Zugang zu der streitgegenständlichen Fläche, auf der sich die Terrasse sowie der Doppelschuppen befindet, zu ermöglichen, ist nicht gegeben. Die Beklagten sind nicht gemäß § 985 BGB i.V.m. §§ 13 Abs. 2 S. 1, 15 Abs. 3 WEG verpflichtet, den Klägern den ungehinderten Zugang zu der streitgegenständlichen Fläche zu ermöglichen.
Unabhängig davon, dass die Kläger einen möglichen Anspruch auf Herausgabe gemeinschaftlichen Eigentums ohnehin nur an alle Miteigentümer gemeinschaftlich (§§ 1011, 432 BGB) und nicht nur allein an sich verlangen können9, vermögen sie mit ihrem Begehren auch deswegen nicht durchzudringen, da im Verhältnis zu anderen Wohnungseigentümern auch im Wohnungseigentumsrecht die Beschränkung des § 866 BGB gilt10.
Schuldner des Herausgabeanspruchs gemäß § 985 BGB ist der unmittelbare oder mittelbare Eigen- oder Fremdbesitzer unabhängig von der Art seines Besitzerwerbs11. Die Beklagten haben durch die gemeinsam mit den Nachbarn der Doppelhaushälfte errichteten Terrasse sowie des Doppelschuppens unmittelbare tatsächliche Sachherrschaft i.S.d. § 854 BGB erlangt. Die Terrasse sowie der Doppelschuppen werden von den nicht mitverklagten Nachbarn benutzt. Die Kläger und die Nachbarn sind unmittelbare Miteigenbesitzer i.S.d. § 866 BGB der streitgegenständlichen Fläche. Entgegen der Ansicht der Kläger sind die Beklagten nicht gesamtschuldnerisch i.S.d. § 421 BGB zur Herausgabe des unmittelbaren Besitzes verpflichtet. Der Mitbesitz i.S.d. § 866 BGB begründet keine Gesamtschuld zur Herausgabe12. Ein Mitbesitzer kann nur zur Übertragung seines Mitbesitzes verurteilt werden, denn selbst eine mögliche Alleinbesitzverschaffung schließt nicht aus, dass er dadurch verbotene Eigenmacht gegenüber den Mitbesitzern verübt12.
Ob den Klägern im vorliegenden Fall überhaupt durch die Errichtung der Terrasse sowie des Doppelschuppens der (Mit-)Besitz bzw. Mitgebrauch i.S.d. § 13 Abs. 2 S. 1 WEG an dem gemeinschaftlichen Eigentum tatsächlich entzogen worden ist oder ob lediglich eine Besitzstörung vorliegt13, muss nicht entschieden werden. Ansprüche aus §§ 861 ff. BGB können einem Miteigentümer gegenüber aufgrund seines bloßen Mitbesitzes nicht geltend gemacht werden14.
Ebenso kann aus den vorgenannten Gründen dahinstehen, ob die Geltendmachung des Anspruchs gemäß § 985 BGB i.V.m. §§ 13 Abs. 2 S. 1, 15 Abs. 3 WEG eine unzulässige Rechtsausübung der Kläger gemäß § 242 BGB darstellt, weil diese unwidersprochen sowohl die Errichtung als auch die jahrelange Benutzung der streitgegenständlichen Fläche hingenommen haben und ohne ersichtlichen Sachgrund allein die Beklagten und nicht auch die Nachbarn, die die Terrasse sowie den Schuppen miterrichtet haben und diese mitbenutzen, in Anspruch genommen haben.
Das Amtsgericht hat weiter zu Recht den klägerseits hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf „Duldung der Entfernung“ des Doppelschuppens sowie der Terrasse auf ihre Kosten verneint.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass der Eigentümer nicht deshalb, weil er seinen Anspruch auf Beseitigung einer Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber dem Störer wegen des Eintritts der Verjährung nicht mehr durchzusetzen vermag, die Störung auch in Zukunft hinnehmen muss. Die Verjährung des Beseitigungsanspruchs begründet kein Recht des Störers auf Duldung nach § 1004 Abs. 2 BGB, sondern der Eigentümer ist vielmehr auf Grund seiner Befugnisse aus § 903 S. 1 BGB berechtigt, die Beeinträchtigung seines Eigentums durch Entfernung des störenden Gegenstands von seinem Grundstück selbst zu beseitigen15.
Das Landgericht Hamburg hat insoweit bereits unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 28.01.201116 mit Urteil vom 06.02.201317 entschieden, dass die Verjährung des Beseitigungsanspruchs aus § 1004 BGB lediglich zur Folge hat, dass der Eigentümer, d.h. die Gemeinschaft, die andauernde Störung auf eigene Kosten zu beseitigen hat. Soweit hierfür Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum erforderlich sind, haben die Beklagten mit dem von den Klägern angefochtenen Beschluss die erforderliche Grundlage geschaffen. Ein solcher Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft, aufgrund dessen das Gemeinschaftseigentum durch Entfernung der sich auf der streitgegenständlichen Fläche errichteten Terrasse sowie des Doppelschuppen wiederhergestellt werden soll, liegt nicht vor. Zu Recht führt das Amtsgericht in diesem Zusammenhang an, dass die Beseitigung der baulichen Veränderungen eine Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums i.S.d. § 21 Abs. 3, 4, 5 Nr. 2 WEG wäre, die als Verwaltungsmaßnahme in die gemeinschaftliche Zuständigkeit und nicht in die des einzelnen Wohnungseigentümer fällt18. Auch die Wiederherstellung eines früheren Zustandes ist eine Maßnahme der Instandhaltung- und Instandsetzung19.
Das Landgericht Hamburg folgt der Ansicht, dass der Rückbau der rechtswidrigen baulichen Änderungen nicht in die Zuständigkeit einzelner Wohnungseigentümer fällt, sondern den Wohnungseigentümern gemeinsam auf Grundlage eines Wohnungseigentümerbeschlusses obliegt.
Bei dem Anspruch auf Duldung des Rückbaus handelt es sich nicht um einen reinen Abwehranspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB, den grundsätzlich der einzelne Wohnungseigentümer – solange die Wohnungseigentümergemeinschaft die Durchsetzung nicht an sich gezogen und somit ihre alleinige Zuständigkeit für die gerichtliche Geltendmachung begründet hat20 – allein geltend machen kann. Der Anspruch zielt vielmehr darauf ab, das Gemeinschaftseigentum wiederherzustellen. Es gelten hier die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 07.02.2014 – V ZR 25/1321 aufgestellt hat, nämlich dass Schadensersatzansprüche, die auf die Verletzung des Gemeinschaftseigentums gestützt werden, im Interesse einer geordneten Verwaltung des Gemeinschaftseigentums einheitlich geltend zu machen sind und – anders als bei Ansprüchen gemäß § 1004 BGB – eine geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft besteht, und zwar auch für Wiederherstellungsansprüche gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB. Der Wohnungseigentümer, der in das gemeinschaftliche Eigentum eingegriffen hat, muss einen etwaigen Rückbau durch die Gemeinschaft dulden. Die Wohnungseigentümergemeinschaft iat daher berechtigt, das Gemeinschaftseigentum jederzeit wiederherzustellen22.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe können nicht allein ohne vorherige Beschlussfassung Ansprüche auf Wiederherstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gegen die Beklagten geltend machen. Die von den Klägern zur Begründung ihres Rückbauanspruchs in eigener Zuständigkeit und auf eigene Kosten zitierte Entscheidung des OLG München vom 16.11.2007 – 32 Wx 111/07 vermag zu keiner anderen Bewertung der Rechtslage zu führen. Der Entscheidung des OLG München lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Es wurde ein Mehrheitsbeschluss einer Eigentümergemeinschaft angefochten, der inhaltlich auf die Geltendmachung eines Rückbauanspruchs abzielte. Es war demnach gerade nicht ein einzelner Wohnungseigentümer, der ohne Beschluss einen Rückbauanspruch gegenüber einem anderen Wohnungseigentümer gerichtlich durchzusetzen verfolgen wollte.
Auch einen Unterlassungsanspruch der Kläger gegen die Beklagten gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG verneint das Landgericht Hamburg.
Eine Wiederholungsgefahr ist die auf Tatsachen gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlungen. Zwar begründet in der Regel die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr23. Seit der Errichtung der Terrasse sowie der Doppelschuppen sind bereits mehr als fünf Jahre vergangen. Dass die Beklagten tatsächlich weitere bauliche Veränderungen auf dem Gemeinschaftseigentum planen, ist weder dargetan noch sind konkrete Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.
Landgericht Hamburg, Urteil vom 5. August 2015 – 318 S 55/14
- BGH, Urteil vom 28.01.2011, V ZR 147/10, Rn. 12[↩]
- vgl. Ellenberger in: Palandt, BGB, 74. Aufl., § 199, Rn. 39[↩]
- LG Hamburg, Urteil vom 06.11.2013 – 318 S 130/12, Rn. 29[↩]
- Bassenge in: Palandt, a.a.O., § 985, Rn. 8, m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 28.01.2011 – V ZR 147/10, Rn. 24 m.w.N.[↩]
- vgl. Bassenge in: Palandt, a.a.O., § 985, Rn. 8, m.w.N.; BGH, Urteil vom 28.01.2011 – V ZR 147/10, Rn. 24[↩]
- vgl. Spielbauer in: Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 13, Rn. 23, m.w.N.[↩]
- OLG München, Beschluss vom 16.11.2007, a.a.O., Rn. 39[↩]
- Kümmel in: Kümmel/Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl., § 13, Rn. 23[↩]
- Kümmel in: Kümmel/Niedenführ/Vandenhouten, a.a.O., § 13, Rn. 23[↩]
- vgl. Bassenge in: Palandt, a.a.O., § 985, Rn. 5, m.w.N.[↩]
- Bassenge in: Palandt, a.a.O., § 866, Rn. 5[↩][↩]
- vgl. LG Hamburg, Urteil vom 06.11.2013 – 318 S 130/12, Rn. 37[↩]
- Abramenko in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 13, Rn. 21[↩]
- BGH, Urteil vom 16.05.2014 – V ZR 181/13, Rn. 8, juris; BGH Urteil vom 28.01.2011 – V ZR 141/10, Rn. 9 und V ZR 147/10, Rn. 16, 18[↩]
- BGH NJW 2011, 1069-1072[↩]
- LG Hamburg, Urteil vom 06.02.2013 – 318 S 120/12, Rn. 15[↩]
- vgl. Klimesch, ZMR 2012, 428, 429[↩]
- Merle in: Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 21, Rn. 116[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.12.2014 – V ZR 5/14, Rn. 14[↩]
- NZM 2014, 245, 246[↩]
- vgl. BeckOK WEG, Timme, 23.Edition, Stand 01.03.2015, § 22, Rn. 302, 306, m.w.N.[↩]
- Bassenge in: Palandt, a.a.O., § 1004, Rn. 32[↩]
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