Der Mobilfunkmast auf der Wohnungseigentumsanlage

Die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage auf dem Haus einer Wohnungseigentümergemeinschaft bedarf der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer (§ 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG).

Der Mobilfunkmast auf der Wohnungseigentumsanlage

Die Errichtung des Mobilfunkmastes stellt eine unter die genannte Vorschrift fallende bauliche Veränderung dar. Es spricht schon vieles dafür, dass selbst eine – nicht lediglich völlig unerhebliche – Erweiterung einer bereits vorhandenen Anlage an dem bisherigen Standort eine bauliche Veränderung darstellte. Dass dies jedenfalls für die erstmalige Anbringung von Sendeanlagen auf dem bislang nicht mit solchen Anlagen versehenen Dach des Aufzugshauses gilt, liegt ebenso auf der Hand wie der Umstand, dass es vorliegend nicht um eine (modernisierende) Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums nach § 22 Abs. 1 u. 3, § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG geht, die mit einfacher Mehrheit beschlossen werden könnte. Ebensowenig liegt eine Modernisierung nach § 22 Abs. 2 WEG vor, die dem Willen einer qualifizierten Mehrheit der Wohnungseigentümer unterläge.

Diese bauliche Veränderung stellt eine über die Schwelle des § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG hinausreichende nachteilige Beeinträchtigung dar.

Nachteilig ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung1. Diese muss zwar konkret und objektiv sein. Eine erhebliche Beeinträchtigung ist aber nicht erforderlich; nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht2. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann3.

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Auf der Grundlage des allgemeinkundigen wissenschaftlichen Streits um die von Mobilfunksendeanlagen ausgehenden Gefahren4 und der daraus resultierenden Befürchtungen in weiten Teilen der Bevölkerung besteht zumindest die ernsthafte Möglichkeit einer Minderung des Miet- oder Verkaufswerts von Eigentumswohnungen5. Dass die Vermietbarkeit und Verkäuflichkeit von Eigentumswohnungen durch Mobilfunksendeanlagen gegenüber Objekten ohne solche Einrichtungen erschwert sein kann, stellt eine Beeinträchtigung dar, die ein verständiger Wohnungseigentümer nicht zustimmungslos hinnehmen muss.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Blick auf die Regelung des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB geboten. Danach besteht zwar im Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer eine Regelvermutung dafür, dass bestimmte Einwirkungen, zu denen auch Strahlenimmisionen gehören, unwesentlich und daher hinzunehmen sind, wenn die einschlägigen Grenz- und Richtwerte eingehalten werden6. Nicht aber verhält sich die Norm zu dem Konflikt unter Wohnungseigentümern darüber, wie mit dem Gemeinschaftseigentum umgegangen werden soll und ob hierzu bauliche Veränderungen mit all ihren Vorzügen und Nachteilen vorgenommen werden sollen. Schon dies erhellt, dass das von dieser Ansicht ins Feld geführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.03.20067, in dem ein Mangel der Mietsache im Hinblick auf die Einhaltung einschlägiger Grenzwerte im Übrigen ohne Heranziehung von § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB verneint worden ist, für die Beantwortung der hier zu beurteilenden Frage der Entscheidung von Wohnungseigentümern über das Ob baulicher Veränderungen nichts beiträgt.

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Der Rückgriff von § 22 Abs. 1 WEG auf den Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG soll sicherstellen, dass das Recht jedes Wohnungseigentümers, auf Entscheidungen über bauliche Veränderungen durch das Zustimmungserfordernis maßgebend Einfluss zu nehmen, grundsätzlich gewahrt bleibt. In diese aus dem Eigentum fließende Befugnis (§ 903 BGB) darf nur eingegriffen werden, soweit Wohnungseigentümer von der Maßnahme gar nicht oder nur ganz geringfügig betroffen sind. Vor diesem Hintergrund ist es zu sehen, dass an die Betroffenheit zumal seit der Auflockerung des Zustimmungs- durch das Mehrheitsprinzip nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG keine hohen Anforderungen gestellt werden8. Für die Konkretisierung dieser spezifisch wohnungseigentumsrechtlichen Geringfügigkeit liefern die in § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten immissionsrechtlichen Grenz- und Richtwerte keinen brauchbaren Maßstab. Das gilt umso mehr, als das Zusammenleben in einer Wohnungseigentumsanlage – auch bei Entscheidungen über bauliche Veränderungen – ein stärkeres Maß an Rücksichtnahme verlangt9.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Januar 2014 – V ZR 48/13

  1. BGH, Urteil vom 14.12 2012 – V ZR 224/11, BGHZ 196, 45 Rn. 4 mwN[]
  2. BayOblG, NZM 2002, 441, 442[]
  3. vgl. nur BGH, Urteil vom 14.12 2012 – V ZR 224/11, BGHZ 196, 45 Rn. 4 mwN[]
  4. vgl. BT-Drs. 14/7958 S. 2 ff.; BGH, Urteil vom 13.02.2004 – V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1319[]
  5. vgl. OLG München, OLGR 2007, 73; OLG Karlsruhe, NZM 2006, 746; Klein in Bärmann, 12. Aufl., § 14 Rn. 12; strenger BayOblG, NZM 2002, 441, 442 jedenfalls für den atypischen Fall, dass das Zustimmungserfordernis nach § 22 Abs. 1 WEG durch Vereinbarung abbedungen wurde[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2004 – V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318[]
  7. BGH, Urteil vom 15.03.2006 – VIII ZR 74/05, NZM 2006, 504 Rn. 9 ff.[]
  8. vgl. auch BGH, Urteil vom 14.12 2012 – V ZR 224/11, BGHZ 196, 45 Rn. 6[]
  9. vgl. auch OLG Köln, NJW-RR 1998, 83, 84; OLG München, OLGR 2007, 73; BayObLG, NZM 2002, 441, 443; Klein in Bärmann, 12. Aufl., § 14 Rn. 12[]
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