Die unter einer Bedingung verlängerte Berufungsbegründungsfrist

Die Berufungsbegründungsfrist kann nicht unter einer Bedingung verlängert werden. Geschieht dies dennoch, ist nur die Bedingung unwirksam, die Fristverlängerung ist hingegen wirksam.

Die unter einer Bedingung verlängerte Berufungsbegründungsfrist

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte die Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist wiederholt verlängert worden, und zwar erstmals bis zum 9.12 2015 und weitere Male mit Zustimmung der Beklagten bis zum 8.01.2016 und 8.02.2016. Am 8.02.2016 hat der Prozessbevollmächtige der Klägerin erneut die Verlängerung der Frist bis zum 8.03.2016 beantragt und anwaltlich versichert, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe der Fristverlängerung zugestimmt. Der Vorsitzende des Berufungssenats des Berliner Kammergerichts hat am 8.02.2016 verfügt: „Fristverlängerung wird mit der Maßgabe gewährt, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seine Zustimmung erteilt hat.“ Mit am 8.03.2016 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin die Berufung begründet.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dem Kammergericht mitgeteilt hatte, keine Zustimmung zu der am 8.03.2016 beantragten Fristverlängerung erteilt zu haben, hat die Klägerin vorsorglich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt. Diesen Antrag hat das Kammergericht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wandte sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde und bekam nun vom Bundesgerichtshof Recht:

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat der Klägerin den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt ihren Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO1.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hätte das Rechtsmittel nicht wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verwerfen dürfen (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Vorsitzende des Berufungssenats hat die Berufungsbegründungsfrist bis zum 8.03.2016 wirksam verlängert. Innerhalb dieser Frist ist die Berufungsbegründung eingegangen.

Nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann die Berufungsbegründungsfrist von dem Vorsitzenden auf Antrag verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne diese Einwilligung ist die Verlängerung nur bis zu einem Monat und nur dann zulässig, wenn nach der freien Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt (§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Ist die Berufungsbegründungsfrist, wie hier, bereits einmal ohne Zustimmung des Berufungsgegners um einen Monat verlängert worden, so kommt eine weitere Verlängerung nur noch bei Vorliegen der Einwilligung des Gegners in Betracht. Diese muss nicht schriftlich und gegenüber dem Berufungsgericht erklärt werden; sie kann vielmehr auch vom Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers eingeholt und gegenüber dem Gericht dargelegt werden2.

Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zwar ausgegangen. Unzutreffend ist aber seine Auffassung, die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei wegen Fehlens der Bedingung, unter der sie gewährt worden sei, unwirksam. Die Berufungsbegründungsfrist kann nicht unter einer Bedingung verlängert werden. Geschieht dies dennoch, ist nur die Bedingung unwirksam, die Fristverlängerung ist hingegen wirksam.

Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist bedingungsfeindlich. Der Berufungsführer, der um eine solche Verlängerung nachsucht, muss anhand der Antwort des Gerichts zweifelsfrei feststellen können, wann die Frist abläuft. Dies folgt aus dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit. Dieses aus Art.19 Abs. 4 GG abgeleitete Postulat setzt nicht nur Maßstäbe für die Erkennbarkeit des in Betracht kommenden Rechtsmittels, sondern auch für die Voraussetzungen, unter denen es zulässig ist3. Hierzu gehört, dass Fristen, von deren Einhaltung die Zulässigkeit eines Rechtsmittels abhängt, eindeutig bestimmbar sind. Daran fehlte es, wenn eine Fristverlängerung unter eine Bedingung gestellt werden könnte. Der Ablauf der Begründungsfrist wäre dann nämlich nicht kalendermäßig und damit klar bestimmbar, sondern hinge von dem Nachweis des Eintritts der gesetzten Bedingung ab. Von solchen Unwägbarkeiten dürfen die Rechtsmittelgerichte die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht abhängig machen.

Die von dem Vorsitzenden des Berufungsgerichts bestimmte Bedingung, unter der die Fristverlängerung stehen sollte, ist daher unwirksam. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist hingegen wirksam. Sie ist als unbedingt anzusehen.

Zwar ist die Prozesshandlung einer Partei, die von einer unzulässigen Bedingung abhängig gemacht wird, unwirksam4. Für Fristverlängerungen des Gerichts kann dies aber nicht gelten. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Fristverlängerung wirksam ist, ist vielmehr auf den allgemeinen Grundsatz der Wirksamkeit rechtsfehlerhaft ergangener gerichtlicher Entscheidungen und auf Vertrauensschutzgesichtspunkte abzustellen. Danach darf eine Prozesspartei, der auf ihren rechtzeitig vor Fristablauf gestellten Antrag eine Fristverlängerung gewährt worden ist, grundsätzlich davon ausgehen, dass die betreffende richterliche Verfügung wirksam ist5.

Schließlich ist unerheblich, dass die erforderliche Einwilligung des Prozessbevollmächtigen der Beklagen nicht vorgelegen hat (§ 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Auch ohne sie ist die bewilligte Fristverlängerung wirksam6. Ob das auch gilt, wenn der Vorsitzende von dem Rechtsmittelführer bewusst getäuscht worden ist, hat der Bundesgerichtshof bislang offen gelassen7. Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist es offensichtlich zu einem Missverständnis zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien über das Vorliegen des Einverständnisses gekommen.

Der die Berufung der Klägerin als unzulässig verwerfende Beschluss des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über das Rechtsmittel an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 1. Juni 2017 – V ZB 106/16

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2003 – V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368 mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 09.11.2004 – XI ZB 6/04, BGHZ 161, 86, 89; Beschluss vom 22.03.2005 – XI ZB 36/04, NJW-RR 2005, 865, 866; Beschluss vom 12.04.2006 – XII ZB 74/05, NJW 2006, 2192 Rn. 9[]
  3. vgl. BVerfGK 16, 362, 366; BVerfG, Beschluss vom 27.10.2015 – 2 BvR 3071/14 12; BGH, Urteil vom 28.07.2016 – I ZR 9/15, NJW 2017, 806 Rn. 11; jeweils mwN[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 08.10.1992 – V ZB 6/92, VersR 1993, 713; BGH, Beschluss vom 26.09.2007 – XII ZB 80/07, FamRZ 2008, 43 Rn. 15 f.; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., Vor § 128 Rn.20[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2009 – V ZR 235/08, BGHZ 182, 307 Rn. 16; BGH, Beschluss vom 18.11.2003 – VIII ZB 37/03, NJW 2004, 1460 mwN; Beschluss vom 12.02.2009 – VII ZB 76/07, NJW 2009, 1149 Rn. 13; Beschluss vom 19.07.2016 – II ZB 3/16, NJW-RR 2016, 1529 Rn. 14[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2003 – VIII ZB 37/03, NJW 2004, 1460, 1461; Beschluss vom 09.11.2004 – XI ZB 6/04, BGHZ 161, 86, 89; Beschluss vom 30.04.2008 – III ZB 85/07, NJW-RR 2008, 1162 Rn. 4[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 08.10.1998 – VII ZB 21/98, NJW-RR 1999, 286, 287[]