Die neue Matratze – und das Rückgaberecht beim Onlinekauf

Schließt ein Verbraucher mit einem Online-Händler einen Kaufvertrag über eine neue Matratze, die ihm mit einer Schutzfolie versiegelt geliefert wird, handelt es sich hierbei nicht um einen Vertrag zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wird (§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB). Dem Verbraucher steht daher auch dann das Recht zu, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung gemäß § 312g Abs. 1 BGB zu widerrufen, wenn er die Schutzfolie entfernt hat.

Die neue Matratze – und das Rückgaberecht beim Onlinekauf

Bei im Wege des Onlinehandels geschlossenen Kaufvertrag handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c BGB, der nach § 312g Abs. 1 BGB von dem Verbraucher ohne Angabe von Gründen1 widerrufen werden kann.

Das Widerrufsrecht des Käufers ist im hier vom Bundesgerichtshof entschieden Streitfall des Onlinekaufs einer Matratze nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen, weil es sich bei der an den Käufer gelieferten Matratze nicht um eine Ware handelt, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet ist, wenn ihre Versiegelung wie hier durch die Entfernung der Schutzfolie geschehen nach der Lieferung entfernt wird.

Der Wortlaut des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB geht zurück auf die nahezu wortgleiche Formulierung des Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie2, die nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers vollständig umgesetzt werden sollte. Dort heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sehen bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht nach den Art. 9 bis 15 vor, wenn versiegelte Waren geliefert werden, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.“

Der damit zur verbindlichen Auslegung von Unionsrecht allein berufene Gerichtshof der Europäischen Union hat die ihm vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 15.11.2017 vorgelegte Frage, ob versiegelt gelieferte Matratzen unter den oben zitierten Ausnahmetatbestand fallen, mit Urteil vom 27.03.20193 wie folgt im Leitsatz seiner Entscheidung beantwortet:

„Art. 16 Buchst. e der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass eine Ware wie eine Matratze, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, nicht unter den Begriff „versiegelte Waren …, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“ im Sinne dieser Vorschrift fällt.“

Zu dieser Auffassung ist der Unionsgerichtshof vor allem mit Blick auf den Sinn und Zweck des dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen eingeräumten Widerrufsrechts gelangt. Das Widerrufsrecht solle den Verbraucher in der besonderen Situation eines Vertragsabschlusses im Fernabsatzhandel schützen, in der er keine konkrete Möglichkeit habe, das Erzeugnis vor Abschluss des Vertrages zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung zur Kenntnis zu nehmen. Dieser Nachteil solle mit dem Widerrufsrecht ausgeglichen werden, das dem Verbraucher eine angemessene Bedenkzeit einräume, in der er die Möglichkeit habe, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren. Insoweit sei Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie als Ausnahmevorschrift eng auszulegen4.

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Im Lichte dieser Erwägungen greife die genannte Ausnahmeregelung nur dann ein, wenn nach der Entfernung der Versiegelung der Verpackung die darin enthaltene Ware aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene endgültig nicht mehr verkehrsfähig sei, weil es für den Unternehmer wegen ihrer Beschaffenheit unmöglich oder übermäßig schwierig sei, Maßnahmen zu ergreifen, die sie wieder verkaufsfähig machten, ohne dass einem dieser Erfordernisse nicht genügt würde5.

Daraus folge für den Streitfall, dass eine Matratze, deren Schutzfolie der Verbraucher entfernt habe, nicht unter den Ausnahmetatbestand fallen könne. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass ein und dieselbe Matratze aufeinanderfolgenden Hotelgästen diene; auch bestehe ein Markt für gereinigte, gebrauchte Matratzen6. Auch könne im Hinblick auf das Widerrufsrecht eine Matratze mit einem Kleidungsstück, das ebenfalls in direkten Kontakt mit dem menschlichen Körper kommen könne, gleichgesetzt werden. Denn es könne davon ausgegangen werden, dass der Unternehmer hinsichtlich beider Waren in der Lage sei, diese nach Rücksendung durch den Verbraucher mittels einer Behandlung wie einer Reinigung oder einer Desinfektion für eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet zu machen, wodurch den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene genügt werde7.

An dieses Auslegungsergebnis, das wohl überwiegend auch im Schrifttum vertreten wird8, sind die nationalen Gerichte gebunden.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 3. Juli 2019 – VIII ZR 194/16

  1. vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2016 – VIII ZR 146/15, NJW 2016, 1951 Rn.20[]
  2. Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates[]
  3. EuGH, Urteil vom 27.03.2019 – C-681/17, NJW 2019, 1507[]
  4. EuGH, Urteil vom 27.03.2017 – C-681/17, aaO Rn. 33 f.[]
  5. EuGH, Urteil vom 27.03.2017 – C-681/17, aaO Rn. 40[]
  6. EuGH, Urteil vom 27.03.2017 – C-681/17, aaO Rn. 42[]
  7. EuGH, Urteil vom 27.03.2017 – C-681/17, aaO Rn. 43 ff.[]
  8. vgl. Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755; Spindler/Schuster/Schirmbacher, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., § 312g BGB Rn. 25; aA MünchKomm-BGB/Wendehorst, 8. Aufl., § 312g Rn. 26[]

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