Die im Verlauf einer Operation auch bei fachgerechtem ärztlichen Vorgehen mögliche Verletzung der Speiseröhre ist ein Behandlungsfehler, wenn sie durch eine ärztliche Überprüfung der Lage der Speiseröhre während der Operation zu vermeiden war. Muss ein Patient aufgrund einer behandlungsfehlerhaften Verletzung seiner Speiseröhre mehrere Monate mittels einer Magensonde ernährt werden und wird er dauerhaft durch Schluckbeschwerden beeinträchtigt sein, kann dies ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro rechtfertigen.

In dem hier vom Oberladensgericht Hamm entschiedenen Fall ließ sich ein heute 60 Jahre alter Werkzeugmacher aus Recklinghausen im Juni 2010 vom beklagten Facharzt für Neuro- und Wirbelsäulenchirurgie aus Datteln im Bereich der Halswirbelsäule an der Bandscheibe operieren. Bei dem Eingriff mit Cage-Fusion und Prothesenimplantation kam es zur Verletzung der Speiseröhre, die mit einem weiteren Eingriff als Notfall operativ versorgt werden musste. In der Folgezeit musste der Patient etwa fünf Monate mittels einer Magensonde ernährt werden. Es bleiben Schluckbeschwerden, durch die der Patient voraussichtlich dauerhaft beeinträchtigt sein wird. Vom Arzt hat der Patient Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld von 40.000 €. Die Klage war teilweise erfolgreich, das Oberlandesgericht Hamm sprach dem Patienten ein Schmerzensgeld von 20.000 € zu:
Bei derartigen Bandscheibenoperationen könne die Speiseröhre, so das Oberlandesgericht Hamm, zwar auch bei einem regelgerechten ärztlichen Vorgehen verletzt werden. Der Arzt habe die Speiseröhre aber behandlungsfehlerhaft verletzt, weil er ihre Lage während der Bandscheibenoperation nicht hinreichend überprüft habe. Hätte er ihre Lage vor der Präparation mittels Schere überprüft, wäre die Verletzung zu vermeiden gewesen. Nach den Angaben des Sachverständigen sei diese Überprüfung deswegen medizinisch geboten gewesen. Ausgehend hiervon stelle das Unterlassen der Kontrolle, die eine ansonsten auch bei sorgfältigem Vorgehen durchaus mögliche Schädigung des Patienten verhindert hätte, auch juristisch ein Behandlungsfehler dar. In Übereinstimmung mit dem medizinischen Sachverständigen bewertete das OLG Hamm den Fehler als einfachen Behandlungsfehler. Die vom Patienten erlittenen Beeinträchtigungen, die nachweisbar auf diesen Fehler zurückzuführen seien, rechtfertigten nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm das zuerkannte Schmerzensgeld von 20.000 €.
Oberlandesgericht Hamm, Urtiel vom 23. Oktober 2015 – 26 U 182/13
Bildnachweis:
- Münzen: croisy