Erbeinsetzung gegen Pflegeleistung – und der Umzug ins Altersheim

Eine häufig anzutreffende Konstellation: Ein älterer Mensch schließt mit einem jüngeren – Angehörigen oder Bekannten – einen Erbvertrag, in dem er den Jüngeren zu seinem Erben einsetzt und der Jüngere sich im Gegenzug verpflichtet, den Älteren zu pflegen. So weit, so gut. Aber aber geschieht, wenn der Jüngere die Pflegeleistung nicht erbringen oder nicht mehr erbringen kann, etwa weil der Ältere in ein Pflegeheim umzieht (umziehen muss)? Mit dieser Frage hatte sich erneut der Bundesgerichtshof zu befassen:

Erbeinsetzung gegen Pflegeleistung – und der Umzug ins Altersheim

Der Bundesgerichtshof hat bereits mit seinem Beschluss vom 05.10.20101 die hierfür maßgeblichen rechtlichen Grundsätze im Einzelnen dargelegt. Hiernach werden von dem Jüngeren Pflege- und Dienstleistungen zur Betreuung des Älteren im häuslichen Umfeld mit den ihm gegebenen persönlichen Möglichkeiten geschuldet2. Eine gesonderte Geldzahlungsverpflichtung zum Ausgleich des sich für die Älteren infolge ihres Umzugs in das Alten- und Pflegeheim ergebenden Aufwandes trifft den Jüngeren nicht3.

Der Bundesgerichtshof hat ferner klargestellt, dass für die Älteren ein Rücktritt vom Erbvertrag gemäß § 2295 BGB auch im Falle der nachträglichen Unmöglichkeit der zu erbringenden Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB in Betracht kommt4. Voraussetzung hierfür ist, dass der Jüngere selbst ohne zusätzlich von ihm zu erbringenden finanziellen Aufwand nicht mehr in der Lage ist, für die Pflege des Älteren zu sorgen. Das ist dann der Fall, wenn eine Pflege des Älteren durch den Jüngeren im häuslichen Bereich nicht mehr möglich ist, weil nur noch in einem Alten- und Pflegeheim eine adäquate medizinische und pflegerische Betreuung geleistet werden kann.

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Bei diesem Inhalt der Leistungsverpflichtung des Jüngeren und den Begriff der Unmöglichkeit geht es nicht darum, dass der Jüngere verpflichtet gewesen wäre, selbst eine professionelle Pflege zu erbringen, wie sie geschultes Personal in einem Alten- und Pflegeheim zu leisten imstande ist. Maßgebend ist, dass die vom Jüngeren zu leistende persönliche Pflege dann nicht mehr möglich ist, wenn der bezweckte Erfolg dieser häuslichen Pflege deshalb nicht mehr erreicht werden kann, weil bei des Älteren ein Pflegebedarf besteht, der eine sachgerechte Betreuung nur noch durch professionelle Fachkräfte in einem Alten- und Pflegeheim erlaubt.

Ein so verstandener Begriff der Leistungsverpflichtung des Jüngeren und der Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB führt nicht zu einer einseitigen Risikoübernahme seitens des vertraglich Bedachten5. Vielmehr wird ein angemessener Risikoausgleich zwischen den Vertragsparteien erzielt. Der Jüngere ist persönlich lediglich zu Pflegeleistungen im Rahmen seiner Möglichkeiten im häuslichen Umfeld des Älteren verpflichtet. Er muss sich ferner nicht an den finanziellen Lasten beteiligen, die mit dem Umzug des Älteren in das Alten- und Pflegeheim und dem damit verbundenen Wegfall seiner Pflegeverpflichtung verbunden sind. Umgekehrt hat der Jüngere keinen Anspruch darauf, dass seine vertragliche Einsetzung als Erbe erhalten bleibt, wenn er selbst die von den Vertragsparteien vorgesehene Verpflichtung zur Pflege bisher tatsächlich nicht erbracht hat und auch in Zukunft nicht wird erbringen können.

  1. BGH, Beschluss vom 05.10.2010 – IV ZR 30/10, ZEV 2011, 254[]
  2. aaO Rn. 12[]
  3. BGH, aaO Rn. 10[]
  4. BGH, aaO Rn. 12[]
  5. so Mayer, DNotZ 2012, 89, 95 f.[]
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