In einem bei ihm anhängigen Revisionsverfahren stellte sich aktuell für den Bundesgerichtshof die Frage, ob der Schaden, der durch das Abschießen einer Feuerwerksrakete auf einem Wohngrundstück an einem Nachbargrundstück entsteht, unter dem Gesichtspunkt eines verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs zu ersetzen ist.

Die Feuerwerksrakete und die Nachbarscheune
Hintergrund des Rechtsstreits war ein Sylvester-Nachzügler: Der Beklagte zündete am Abend des 1. Januar 2006 auf dem Grundstück des von ihm bewohnten Hauses eine Leuchtrakete. Diese stieg zunächst ca. 5 m gerade nach oben, schwenkte dann zur Seite und drang durch eine ca. 67 bis 87 mm breite Spalte zwischen Außenwand und Dach in eine etwa 12 m entfernte Scheune ein. Dort explodierte sie und setzte nicht nur die Scheune, sondern den ganzen Gebäudekomplex – Scheune, Getreidelager, Schweinestall, Wohnhaus und Garagen – in Brand. Die Klägerin hat als Sachversicherer des betroffenen Nachbarn den Schaden reguliert und den Beklagten aus übergegangenem Recht in Höhe von 417.720,91 € in Anspruch genommen.
Das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Ulm hat die Klage abgewiesen1. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht Stuttgart das Urteil des Landgerichts Ulm aufgehoben und der Klage dem Grunde nach stattgegeben2, und zwar in analoger Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unter dem Gesichtspunkt eines verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs.
Nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch
Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten hatte nun wiederum beim Bundesgerichtshof Erfolg. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn zwar nicht generell verlangen, das Abschießen von Feuerwerksraketen zu unterlassen, auch wenn dies potentiell zu einer Beeinträchtigung seines Grundstücks führen kann. Ein Unterlassungsanspruch entsteht aber in dem Zeitpunkt, in welchem sich, ausgehend vom Nachbargrundstück, eine konkrete Gefahrenquelle gebildet hat, aufgrund derer nun ein Einschreiten geboten ist- im entschiedenen Fall etwa das Abdriften und Eindringen der Rakete in die Scheune. Kann dieser Anspruch auf Einschreiten – wie in dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – aus tatsächlichen Gründen nicht rechtzeitig durchgesetzt werden, steht dem betroffenen Grundstückseigentümer hierfür ein Ausgleichsanspruch in Geld zu.
Dieser Ausgleichsanspruch setzt jedoch voraus, dass das zu einer Gefährdung führende Verhalten auf dem Nachbargrundstück dem Bereich der konkreten Nutzung dieses Grundstücks zuzuordnen ist und einen sachlichen Bezug zu diesem aufweist. Daran fehlte es nach Ansicht des Bundesgerichtshof im entschiedenen Fall, weil das Abschießen einer Feuerwerksrakete auch noch am Abend des Neujahrstages in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Wohnnutzung des Grundstücks stand, sondern ausschließlich der Befolgung eines gesellschaftlichen Brauches diente, bei dem die Wahl der Abschussstelle mehr oder weniger einer weit verbreiteten Übung entsprechend erfolgte, ohne dass ein darüber hinausgehender sachlicher Bezug zu der Wohnnutzung erkennbar war.
Verschuldensabhängiger deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch?
Soweit die Klägerin mit ihrer Anschlussrevision einen – von dem OLG Stuttgart in seinem Berufungsurteil verneinten – verschuldensabhängigen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch weiter verfolgt hat, hat der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit jedoch an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das OLG Stuttgart wird daher nun zu prüfen haben, ob der Beklagte mit Blick auf das von der Klägerin behauptete Vorhandensein von Öffnungen an der dem Nachbargrundstück zugewandten Seite der Scheune aus dem Gesichtspunkt des fahrlässigen Handelns für den entstandenen Schaden haftet.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. September 2009 – V ZR 75/08