Da dem Schuldner im Anwendungsbereich des § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO dasjenige belassen werden soll, das er zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums im Sinne des SGB XII benötigt, sind die dort für die Anrechnung von Einkommen und geldwerten Vorteilen maßgebenden Grundsätze auch bei der Ermittlung des ihm pfandfrei zu belassenden Betrages zu berücksichtigen.

Das Vollstreckungsgericht hat zu prüfen, ob der notwendige Bedarf des Schuldners ganz oder teilweise durch weitere Einnahmen oder geldwerte Naturalleistungen tatsächlich gedeckt ist. Im Umfang der anderweitigen Deckung ist der Freibetrag, der dem Schuldner aus seinem gepfändeten Arbeitseinkommen zu belassen ist, herabzusetzen.
Bei nicht getrennt lebenden Ehegatten muss das Vollstreckungsgericht ohne Rücksicht auf gesetzliche Unterhaltsansprüche wegen der aus § 19 Abs. 1 SGB XII (2003), § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1, Abs. 2 SGB XII folgenden Wertentscheidung auch die Einkünfte des Ehegatten in die Prüfung der Bedarfsdeckung mit einbeziehen.
Betreibt der Gläubiger die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, zu der auch der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten gehört [1], darf er nach § 850f Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO in einem gegenüber der Vorschrift des § 850c ZPO erweiterten Umfang auf das Arbeitseinkommen des Schuldners zugreifen. Diesem ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen eigenen Unterhalt und zur Erfüllung laufender gesetzlicher Unterhaltspflichten bedarf, § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO.
Die Regelung in § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO ist Bestandteil der Vorschriften über den Pfändungsschutz bei Arbeitseinkommen. Sie dient als Ausdruck des Sozialstaatsprinzips (Art.20 GG) auch dem Zweck, dem Schuldner ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen [2]. Darüber hinaus soll im öffentlichen Interesse verhindert werden, dass dem Schuldner durch Vollstreckungsmaßnahmen das Existenzminimum genommen wird mit der Folge, dass das Fehlende durch Sozialhilfe ersetzt und die Forderung des Gläubigers letztlich von der Allgemeinheit aus Steuermitteln bedient werden müsste [3]. Durch den dem Schuldner nach § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO zu belassenden Freibetrag ist dieser davor geschützt, dass sein verbleibendes Resteinkommen unter den Sozialhilfebedarf absinkt [4]. Dem Schuldner ist wenigstens der Betrag zu belassen, den er auch seitens der Sozialleistungsträger bekäme [5].
Aus § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO ergibt sich nicht, wie hoch der dem Schuldner pfandfrei verbleibende Betrag ist. Maßgebend ist, wie viel der Schuldner für seinen notwendigen Unterhalt benötigt. Der Begriff des notwendigen Unterhalts in § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO stimmt mit demjenigen in § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO überein [6]. Für den Begriff des notwendigen Unterhalts in § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dieser grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des 3. und 11. Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entspricht [7].
Das Vollstreckungsgericht muss bei der Ermittlung des pfandfreien Betrages gemäß § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO prüfen, ob der notwendige Bedarf des Schuldners ganz oder teilweise durch weiteres Einkommen oder geldwerte Naturalleistungen gedeckt ist [8].
Da dem Schuldner im Anwendungsbereich des § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs [9] nicht weniger, aber auch nicht mehr belassen werden soll, als er zur Deckung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums im Sinne des SGB XII bedarf, sind die dort für die Anrechnung von Einkommen und geldwerten Vorteilen maßgebenden Grundsätze auch bei der Ermittlung des dem Schuldner nach § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO pfandfrei zu belassenden Betrages zu berücksichtigen. Ist nämlich der notwendige Bedarf des Schuldners und damit sein sozialhilferechtliches Existenzminimum durch andere Einnahmen und geldwerte Vorteile gedeckt, dann besteht die Gefahr des Absinkens des Schuldners unter die Schwelle der Sozialhilfebedürftigkeit durch eine Pfändung seines Arbeitseinkommens und damit eine Befriedigung der Gläubiger zu Lasten des Sozialstaats wegen des aus § 2 Abs. 1 SGB XII folgenden Grundsatzes des Nachranges der Sozialhilfe nicht. Nach diesem Grundsatz, der in § 19 Abs. 1 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung beziehungsweise in § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 und 2 SGB XII in der ab dem 1.01.2011 geltenden Fassung für die Hilfe zum Lebensunterhalt konkretisiert wird, ist Sozialhilfe nur demjenigen zu leisten, der seinen Bedarf nicht aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten kann. Ist hinreichendes Einkommen oder Vermögen zur Deckung des maßgeblichen Bedarfs vorhanden, entfällt die Hilfebedürftigkeit und damit der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt [10].
Dementsprechend mindern andere Einnahmen und geldwerte Vorteile, soweit sie dem Schuldner tatsächlich zur Verfügung stehen und nicht ein besonderer Zweck des Bezuges dies im Einzelnen ganz oder teilweise verbietet [11], den Freibetrag, der ihm aus seinem gepfändeten Arbeitseinkommen zu belassen ist. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass die Voraussetzungen für einen Pfändungsfreibetrag nach § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO gänzlich entfallen [12].
Nach Maßgabe von § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung beziehungsweise § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB XII in der ab dem 1.01.2011 geltenden Fassung werden das Einkommen und das Vermögen von nicht getrennt lebenden Ehegatten unmittelbar und unbeschadet zivilrechtlicher Bestimmungen des Unterhaltsrechts wie Einkommen und Vermögen des Hilfesuchenden selbst angesehen [13]. Die Berücksichtigung auch des Einkommens und Vermögens des nicht getrennt lebenden Ehegatten geht von der rechtlichen oder sittlichen Einstands- und Unterstützungspflicht innerhalb der Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft sowie der Erfahrung aus, dass in einer ehelichen Haushaltsgemeinschaft „aus einem Topf“ gewirtschaftet wird und dass die Bedürfnisse des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten aus den gemeinsamen Beiträgen ohne Rücksicht auf gesetzliche Unterhaltsansprüche befriedigt werden. Die Person der Einsatzgemeinschaft, die Einkommen erzielt, muss ihr Einkommen, das den eigenen Bedarf übersteigt, den anderen Personen zu deren Bedarfsdeckung zur Verfügung stellen [14]. Ist der Bedarf des Hilfebedürftigen durch das Einkommen seines Ehegatten tatsächlich gedeckt, erhält er keine Sozialhilfe.
Wegen dieser gesetzgeberischen Wertentscheidung im Sozialhilferecht bestehen auch für den Bereich des Zwangsvollstreckungsrechts keine Bedenken, den pfändungsfreien Betrag für den notwendigen eigenen Unterhalt des Schuldners nach § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO auf Null festzusetzen und das Arbeitseinkommen des Schuldners dem vollen Zugriff seiner Gläubiger Preis zu geben, wenn der notwendige Bedarf des Schuldners durch die Einkünfte seines Ehegatten tatsächlich gedeckt ist [15].
Der Berücksichtigung der Einkünfte des Ehegatten steht insbesondere nicht entgegen, dass dieser dadurch für die aus unerlaubter Handlung resultierenden Forderungen wirtschaftlich einzustehen hat. Dieses vom Beschwerdegericht angeführte Argument geht auf eine verbreitete Ansicht im Schrifttum zurück, wonach der Eigenverdienst des Ehegatten nicht dazu bestimmt sei, dem Gläubiger des Schuldners Befriedigung zu ermöglichen [16]. Aus diesem Grund sei das Einkommen des Ehegatten nur bei der Feststellung zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang der Schuldner seinem Ehegatten gegenüber noch laufende gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen hat und ob daher über den eigenen notwendigen Unterhalt des Schuldners hinaus in den Freibetrag ein zusätzlicher Betrag zur Erfüllung dieser gesetzlichen Unterhaltspflicht einzustellen ist [17].
Diese Sichtweise, die im Wesentlichen mit einem Verweis auf die Entscheidungen verschiedener Land- und Oberlandesgerichte aus dem Zeitraum von 1930 – 1970 [18] begründet wird, geht fehl. Das Einkommen des Ehegatten dient nicht dazu, dem Gläubiger des Schuldners Befriedigung zu ermöglichen, sondern es wird lediglich im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 850f Abs. 2 ZPO bei der Frage, ob der notwendige Bedarf des Schuldners ganz oder zum Teil hierdurch gedeckt ist, berücksichtigt. Dies hat seine Rechtfertigung in der oben angeführten gesetzgeberischen Wertentscheidung im Sozialhilferecht, die auch für die Ermittlung des pfandfreien Betrages in § 850f Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO bestimmend ist. Ist der danach maßgebliche notwendige Bedarf des Schuldners durch das Einkommen seines in Einsatzgemeinschaft mit ihm lebenden Ehegatten tatsächlich gedeckt, gibt es keinen Grund, warum der Gläubiger nicht in vollem Umfang privilegierten Zugriff nach § 850f Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO auf das Arbeitseinkommen des Schuldners erhalten sollte.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. Oktober 2012 – VII ZB 12/10
- vgl. BGH, Beschluss vom 10.03.2011 – VII ZB 70/08, NJW-RR 2011, 791[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 19.03.2004 – IXa ZB 321/03, NJW-RR 2004, 789; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 872; Kindl in Kindl/MellerHannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 1. Aufl., § 811 Rn. 1[↩]
- Musielak/Becker, ZPO, 9. Aufl., § 850c Rn. 1; Schuschke/Walker/KessalWulf, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 850f Rn. 14[↩]
- vgl. Stöber, aaO, Rn. 1196 i.V.m. 1094, 1176 i; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850f Rn. 2 und 17[↩]
- Schuschke/Walker/KessalWulff, aaO, § 850f Rn. 14; Stein/Jonas/Brehm, aaO, § 850f Rn. 17[↩]
- BGH, Beschluss vom 25.11.2010 VII ZB 111/09, NJW-RR 2011, 706; BGH, Beschluss vom 05.08.2010 VII ZB 101/09, FamRZ 2010, 1654[↩]
- BGH, jeweils aaO; BGH, Beschluss vom 12.12.2007 – VII ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733; BGH, Urteil vom 23.02.2005 – XII ZR 114/03, BGHZ 162, 234[↩]
- vgl. Stein/Jonas/Brehm, aaO, § 850d Rn. 29; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, 3. Aufl., § 850d Rn. 31; Musielak/Becker, aaO, § 850d Rn. 11; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 850e Rn. 3; BeckOK ZPO/Riedel, Stand: 15.07.2012, § 850d Rn. 39; Stöber, aaO, Rn. 1104[↩]
- BGH, Beschluss vom 25.11.2010 – VII ZB 111/09, aaO[↩]
- BeckOK SGB XII/Groth, Stand: 1.06.2012, § 19 Rn. 2; Kreikebohm/Coseriu, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl., § 19 Rn. 2[↩]
- vgl. Stein/Jonas/Brehm, aaO, § 850d Rn. 29[↩]
- vgl. Stöber, aaO, Rn. 1104; Wieczorek/Schütze/Lüke, aaO, § 850d Rn. 31; Stein/Jonas/Brehm, aaO, § 850d Rn. 29 in Fn. 84[↩]
- Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl., § 27 Rn. 6; Kreikebohm/Coseriu, aaO, § 19 Rn. 3[↩]
- Grube/Wahrendorf, aaO, § 27 Rn. 8[↩]
- vgl. zum Tatsächlichkeitsprinzip: Grube/Wahrendorf, aaO, § 27 Rn. 7; Kreikebohm/Coseriu, aaO, § 19 Rn. 3[↩]
- Stöber, aaO, Rn. 1105; Musielak/Becker, aaO, § 850d Rn. 11; Wieczorek/Schütze/Lüke, aaO, § 850d Rn. 33; Schuschke/Walker/KessalWulf, aaO, § 850d Rn. 7[↩]
- Stöber, aaO, Rn. 1105; Zöller/Stöber, aaO, § 850d Rn. 11a; Musielak/Becker, aaO, § 850d Rn. 11; Wieczorek/Schütze/Lüke, aaO, § 850d Rn. 33; BeckOK ZPO/Riedel, aaO, § 850d Rn. 41; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 850d Rn. 13, 15[↩]
- Nachweise bei Musielak/Becker, aaO, § 850d Rn. 11 in Fn. 96; Wieczorek/Schütze/Lüke, aaO, § 850d Rn. 33 in Fn. 121; Schuschke/Walker/KessalWulf, aaO, § 850d Rn. 7 in Fn. 29; Stein/Jonas/Brehm, aaO, § 850d Rn. 29 in Fn. 96[↩]
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