Restschuldbefreiung bei Steuerhinterziehung

Die Restschuldbefreiung ist auf Antrag eines Insolvenzgläubigers gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu versagen, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.

Restschuldbefreiung bei Steuerhinterziehung

Zur Glaubhaftmachung einer solchen Leistungsvermeidung durch unvollständige oder unzutreffende Angaben gegenüber der Finanzbehörde kann, wie der Bundesgerichtshof jetzt entschied, die Vorlage einer zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift in einem gegen den Schuldner geführten Steuerstrafverfahren ausreichen.

Die dem Schuldner angelasteten Steuerstraftaten stellen eine Leistungsvermeidung im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO dar1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Insolvenzgericht, wenn der Gläubiger einen Versagungsgrund glaubhaft gemacht hat, von Amts wegen zu ermitteln, ob der Versagungsgrund auch tatsächlich zu seiner vollen Überzeugung (§ 286 ZPO) besteht2. Das Insolvenzgericht hat den maßgeblichen Sachverhalt selbst zu ermitteln und zu subsumieren3. Eine rechtskräftige Verurteilung des Schuldners ist im Gegensatz zu § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wie der unterschiedliche Wortlaut ausweist, für die hier einschlägige Fallgruppe des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht erforderlich4.

Das Beschwerdegericht hat bislang lediglich ausgeführt, dass aus der vorgelegten Anklageschrift ein begründeter Tatverdacht abgeleitet werden kann. Auf den Ausgang des Strafverfahrens komme es nicht an, maßgeblich sei alleine, dass der Gläubiger den geltend gemachten Versagungsgrund genügend glaubhaft gemacht hat. Hieraus lässt sich die gebotene eigenständige Feststellung der in Rede stehenden Steuerverkürzung nicht entnehmen, insbesondere fehlt es an der Würdigung, dass das Beschwerdegericht von dem Fehlverhalten des Schuldners überzeugt ist.

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Bei den nachzuholenden Feststellungen wird das Beschwerdegericht auch zu prüfen haben, ob die dem Schuldner angelasteten Falschangaben seine wirtschaftlichen Verhältnisse betreffen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind nur Angaben zu den eigenen Verhältnissen des Schuldners bedeutsam. Der Begriff der wirtschaftlichen Verhältnisse umfasst hierbei das gesamte Einkommen und Vermögen des Schuldners. Beziehen sich dagegen die unrichtigen Erklärungen des Schuldners allein auf Dritte, dann können sie auch dann nicht dem Vermögen des Schuldners zugerechnet wer-den, wenn sie für ihn von wirtschaftlichem Interesse sind5.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO maßgebliche Falschangaben auch dann vorliegen können, wenn sie sich auf eine teilrechtsfähige Personengesellschaft beziehen6. Maßgeblich ist, ob die Umstände, die sich auf das Vermögen der Gesellschaft auswirken, zugleich unmittelbar die wirtschaftlichen Verhältnisse des einzelnen Gesellschafters betreffen. Jedenfalls bei einer Kapitalgesellschaft des hier in Rede stehenden Zuschnitts einer personalistisch strukturierten Familiengesellschaft ist dies ebenfalls anzunehmen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 6. Mai 2010 – IX ZB 216/07

  1. vgl. HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 290 Rn. 8[]
  2. BGHZ 156, 139, 147[]
  3. Uhlenbruck/Vallender, InsO 13. Aufl. § 290 Rn. 42; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, S. 127[]
  4. Uhlenbruck/Vallender, aaO; Nerlich/Römermann, InsO § 290 Rn. 61[]
  5. BGHZ 156, 139, 145; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. § 290 Rn. 37; Wenzel, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO § 290 Rn. 10 b; FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl. § 290 Rn. 20; Nerlich/ Römermann, aaO § 290 Rn. 43[]
  6. BGHZ 156, 139, 145; HmbKomm-InsO/Streck, 3. Aufl. § 290 Rn. 12; FK-InsO/ Ahrens, aaO § 290 Rn. 20; Uhlenbruck/Vallender, aaO § 290 Rn. 29; Wenzel, aaO § 290 Rn. 10 b[]
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Dir vor dem 28. April 2011 eingereichte (Teil-)Selbstanzeige