Kann derjenige, der im Rahmen eines „Schenkkreises“ unter Einschaltung einer Übermittlungsperson eine „Schenkung“ leistet, von dieser Übermittlungsperson die Rückzahlung des Schenkungsbetrags verlangen? Mit dieser Frage hatte sich jetzt der Bundesgerichtshof zu befassen – und eine Haftung des Übermittlers verneint:

Kein Anspruch aus Leitungskondiktion[↑]
Ein Bereicherungsanspruch gegen die Übermittlerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB besteht nicht.
Zwischen den Parteien ist zwar ein Auftragsvertrag zustande gekommen, der wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist.
Geschäftsbesorgungsvertrag
So sieht der Bundesgerichtshof in der Abrede der Parteien, wonach die Übermittlerin das ihr von der „Schenkerin“ übergebene Geld an die gerade in der Empfängerposition („Pole-Position“) befindlichen Personen auszahlen (weiterleiten) solle, die Vereinbarung über eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung und mithin ein Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB.
Der Begriff der Geschäftsbesorgung im Sinne von § 662 BGB umfasst nicht nur die Vornahme von Rechtsgeschäften im wirtschaftlichen Bereich, sondern auch rein tatsächliche Handlungen, sofern hiermit eine Tätigkeit ausgeübt wird, die an sich der Sorge des Auftraggebers obliegen würde und durch die dessen Interesse gefördert wird1. Hierunter fällt die Weiterleitung von Geldmitteln an Dritte folglich auch dann, wenn es sich hierbei um eine reine „Übermittlung“ im Sinne eines Botendienstes handeln sollte. Erst recht stellt die Weitergabe von Geldmitteln an von dem Beauftragten im Einzelnen noch zu ermittelnde Empfänger2 eine Geschäftsbesorgung im Sinne von § 662 BGB dar.
Hierin lag keine bloße Gefälligkeit der Übermittlerinn ohne rechtlichen Bindungswillen.
Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, ist nicht nach dem nicht in Erscheinung getretenen inneren Willen des Leistenden zu beurteilen, sondern danach, ob der Leistungsempfänger unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Es kommt darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage des Leistenden verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Ist dies hingegen nicht der Fall, kann dem Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswille zugrunde gelegt werden. Ein Bindungswille wird deshalb in der Regel bei dem sogenannten Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im rein gesellschaftlichen Verkehr oder bei Vorgängen, die diesen ähnlich sind, zu verneinen sein3.
Eine Geschäftsbesorgung im Sinne des § 662 BGB ist nach diesen Grundsätzen dann gegeben, wenn beiderseits der anhand objektiver Kriterien feststellbare Wille besteht, rechtsgeschäftliche Verpflichtungen einzugehen und entgegenzunehmen; dies liegt insbesondere dann nahe, wenn erkennbar ist, dass für den Auftraggeber als Empfänger der Leistung wesentliche Interessen auf dem Spiel stehen und er auf die Zusage des anderen Teils vertraut4.
Ob durch Erklärungen oder ein sonstiges Verhalten ein Auftragsvertrag zustande kommt oder nur eine keine rechtlichen Bindungen erzeugende „Gefälligkeitshandlung“ vorliegt, hängt hiernach von Umständen des Einzelfalls ab und ist daher im Wesentlichen eine Sache tatrichterlicher Würdigung. Diese bindet das Revisionsgericht, es sei denn, dass sie rechtsfehlerhaft vorgenommen wurde5.
Insoweit billigt der Bundesgerichtshof die Würdigung, die Übermittlerin habe die Geschäftsbesorgung mit dem erforderlichen Rechtsbindungswillen übernommen, insbesondere auf die in der Höhe des übergebenen Geldbetrags (5.000 €) zum Ausdruck kommende erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Sache, auf das mit der Einbindung in die Organisation des Schenkkreises verbundene Eigeninteresse der Übermittlerinn sowie auf den Umstand gestützt, dass die Übermittlerin die zu „beschenkenden“ Personen im Einzelnen noch genau zu ermitteln und den übergebenen Geldbetrag auf diese aufzuteilen hatte.
Sittenwidrigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages
Der Auftragsvertrag ist als sittenwidrig und mithin unwirksam (§ 138 Abs. 1 BGB) anzusehen.
Bei einem Schenkkreis, wie er auch hier in Rede steht, handelt es sich um ein Schneeballsystem, welches darauf angelegt ist, dass die ersten Mitglieder einen (meist) sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Einsatz verlieren muss, weil angesichts des Vervielfältigungsfaktors in absehbarer Zeit keine neuen Mitglieder mehr geworben werden können. Der Schenkkreis zielt allein darauf ab, zugunsten einiger weniger „Mitspieler“ leichtgläubige und unerfahrene Personen auszunutzen und sie zur Zahlung ihres (verloren gehenden) „Einsatzes“ zu bewegen. Dies verstößt – wie in der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist – gegen die guten Sitten mit der Folge, dass die hierfür geleisteten Zuwendungen generell als rechtsgrundlos erbracht zurückgefordert werden können6.
Nach diesen Grundsätzen bestehen keine rechtlichen Bedenken, auch einen Auftragsvertrag als sittenwidrig und somit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig anzusehen, sofern dieser eine für das System des Schenkkreises wesentliche Tätigkeit zum Gegenstand hat (hier: Weiterleitung an im Einzelnen noch zu ermittelnde Mitglieder des „Empfängerkreises“) und sich an einen Auftragnehmer richtet, der (wie hier die Übermittlerin) in die Organisation des Schenkkreises eingebunden ist. Unter solchen Umständen ist das Auftragsverhältnis derart eng mit der Organisation und dem Betrieb des Schenkkreises verflochten, dass es seinerseits als den guten Sitten zuwiderlaufend einzustufen ist und ihm deshalb auch die Rechtswirksamkeit versagt werden muss.
Keine Leistung an die Übermittlerin
Aus der Nichtigkeit des Auftragsvertrags ist der „Schenkerin“ jedoch kein Bereicherungsanspruch gegen die Übermittlerin nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB erwachsen.
Insoweit fehlt es dem Bundesgerichtshof an einer „Leistung“ der „Schenkerin“ an die Übermittlerin im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
Bei der Geldzahlung der „Schenkerin“ handelte es sich – wie das Berufungsgericht eingangs seiner Entscheidungsgründe im Anschluss an die Würdigung des Amtsgerichts zutreffend erkannt hat – um eine Schenkung der „Schenkerin“ an die im System des Schenkkreises an der „PolePosition“ befindlichen Mitglieder des „Empfängerkreises“. Das mit dieser Schenkung und dem ihr innewohnenden Leistungszweck verbundene Leistungsverhältnis bestand allein zwischen der „Schenkerin“ (als Schenker) und den Mitgliedern des „Empfängerkreises“ (als Beschenkten). Die Übermittlerin fungierte hierbei als Botin oder unmittelbare Stellvertreterin der „Schenkerin“, was den Beschenkten aus den ihnen überreichten und von der „Schenkerin“ unterzeichneten Schenkungsurkunden ohne weiteres ersichtlich war. Erbringt der Leistende die Zuwendung – wie hier – durch einen offen als solchen handelnden Boten oder unmittelbaren Stellvertreter, so vollzieht sich die zweckgerichtete Vermögensverschiebung im Sinne eines einheitlichen Bereicherungsvorgangs allein im Verhältnis zwischen dem Leistenden und dem Zuwendungsempfänger. Das Vermögen der Übermittlungsperson ist in diesen Fällen von einer Vermögensverschiebung nicht – auch nicht möglicherweise – betroffen, und ihr gegenüber wird kein selbständiger Leistungszweck verfolgt, so dass ein Anspruch aus Leistungskondiktion gegen die als Bote oder unmittelbarer Stellvertreter eingeschaltete Zwischenperson nicht besteht7.
Dies gilt auch dann, wenn das dem Boten- oder Vertreterhandeln zugrunde liegende Auftragsverhältnis (hier: gemäß § 138 Abs. 1 BGB) nichtig ist. Denn diese Nichtigkeit ändert hier nichts daran, dass nach dem maßgeblichen verobjektivierten Empfängerhorizont8 eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens (Leistung) ausschließlich im Verhältnis zwischen der „Schenkerin“ als Schenker und den Mitgliedern des „Empfängerkreises“ als Beschenkten stattfindet.
Kein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag[↑]
Ein Anspruch aus § 667 Alt. 1 BGB (in Verbindung mit §§ 677, 681 Satz 2 BGB) steht der „Schenkerin“ gegen die Übermittlerin ebenfalls nicht zu.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei Nichtigkeit eines Auftragsvertrags – etwa (wie hier) wegen Verstoßes gegen die guten Sitten – auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zurückgegriffen werden; der Umstand, dass sich der Geschäftsführer zur Geschäftsbesorgung verpflichtet hat oder für verpflichtet hält, steht dem nicht entgegen9. Verlangt der Auftraggeber bei Nichtigkeit des seiner Geldzahlung zugrunde liegenden Auftragsverhältnisses nach § 681 Satz 2, § 667 Alt. 1 BGB bereits verbrauchtes Geld vom Geschäftsführer zurück, so kann die Frage, ob er die Weitergabe des Geldes gegen sich gelten lassen muss, nur nach Maßgabe der nichtigen Abreden des Auftragsvertrags beurteilt werden10. Mithin muss der Geschäftsführer den ihm überlassenen Geldbetrag an den Auftraggeber nicht zurückzahlen, wenn er hierüber abredegemäß verfügt hat. So liegt es nach den rechtsfehlerfreien und für das Revisionsgericht somit auch bindenden Feststellungen der Vorinstanzen im vorliegenden Fall.
Keine Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise[↑]
Ob daneben ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (wegen Bereicherung in sonstiger Weise) Raum finden kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Ein solcher Anspruch scheidet nämlich schon im Hinblick auf den Grundsatz des Vorrangs der Leistungskondiktion11 aus, weil die Geldzahlung bereicherungsrechtlich als Leistung der „Schenkerin“ an die von ihr beschenkten Mitglieder des Empfängerkreises einzuordnen ist und mithin nur in diesem Verhältnis zurückgefordert werden kann.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Juni 2012 – III ZR 291/11
- BGH, Urteil vom 17.05.1971 – VII ZR 146/69, BGHZ 56, 204, 207[↩]
- hier: die damaligen Mitglieder des „Empfängerkreises“[↩]
- siehe BGH, Urteil vom 14.11.1991 – III ZR 4/91, NJW 1992, 498 mwN; BGH, Urteile vom 18.12.2008 – IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141, 1142 Rn. 7; vom 17.05.1971 aaO S. 210 und vom 22.06.1956 – I ZR 198/54, BGHZ 21, 102, 106 f[↩]
- BGH, Urteil vom 14.11.1991 aaO S. 499; BGH, Urteil vom 17.05.1971 aaO S.208, 210[↩]
- BGH, Urteil vom 17.05.1971 aaO S.209[↩]
- siehe BGH, Urteile vom 18.12.2008 – III ZR 132/08, NJW 2009, 984 Rn. 7 ff; vom 06.11.2008 – III ZR 120/08, NJW-RR 2009, 345 f Rn. 10 f; vom 13.03.2008 – III ZR 282/07, NJW 2008, 1942 Rn. 6 ff und vom 10.11.2005 – III ZR 72/05, NJW 2006, 45, 46 Rn. 9 ff[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27.04.1961 – VII ZR 4/60, NJW 1961, 1461; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 812 Rn. 55; Staudinger/Lorenz, BGB [2007], § 812 Rn. 33 mwN; Bamberger/Roth/Wendehorst, BGB, 3. Aufl., § 812 Rn. 165 f[↩]
- siehe dazu etwa BGH, Urteile vom 06.11.2008, aaO S. 345 Rn. 7 und vom 21.10.2004 – III ZR 38/04, NJW 2005, 60 f[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 28.07.2005 – III ZR 290/04, NJW 2005, 3208, 3209; vom 04.11.2004 – III ZR 172/03, WM 2004, 2441, 2443 und vom 10.10.1996 – III ZR 205/95, NJW 1997, 47, 48, jeweils mwN; BGH, Urteile 28.10.1992 – VIII ZR 210/91, NJW-RR 1993, 200 und vom 31.05.1990 – VII ZR 336/89, BGHZ 111, 308, 311[↩]
- BGH, Urteil vom 10.10.1996 aaO S. 48, 49 mwN[↩]
- siehe dazu etwa BGH, Urteil vom 21.10.2004, aaO S. 60 mwN[↩]