Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG 1. Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen durch das Gericht dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung der Präklusionsvorschriften, verletzt sie Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann, wenn sie offenkundig unrichtig ist 2.

Eine Partei genügt nämlich bereits ihrer Darlegungslast, wenn sie eine Tatsache vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet ist, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen 3. Unerheblich ist dagegen, wie wahrscheinlich die Darstellung ist, und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung von Indizien beruht; der Pflicht zur Substantiierung ist erst dann nicht entsprochen, wenn das Gericht anhand der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind 4.
Eine Partei, die – wie in der Regel der Käufer – selbst keine eigenen Kenntnisse über die bereits vor dem Kauf vorhandenen Mängel der Sache und das Wissen des Verkäufers davon hat, kann auch solche Tatsachen vortragen, über die sie keine genaue Kenntnis hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält 5.
Anders ist es nur dann, wenn die Partei für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich ohne greifbare Anhaltspunkte "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" Behauptungen aufstellt, so dass der Beweisantritt nicht dem Beweis vorgetragener Tatsachen zu dienen bestimmt ist, sondern stattdessen die Ausforschung von Tatsachen bezweckt 6. Bei der Annahme eines solch missbräuchlichen Beweisantritts ist jedoch Zurückhaltung geboten, da es oftmals einer Partei nicht erspart bleibt, in einem Zivilprozess Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse haben kann 7.
Genügt das Vorbringen einer Partei den oben genannten Anforderungen an die Substantiierung, so muss der Tatrichter in die Beweisaufnahme eintreten, um dort eventuell weitere Einzelheiten zu erfragen 8. Misst das Gericht den Einzelheiten zu dem Zeitpunkt und dem Ablauf bestimmter Ereignisse Bedeutung für die Zuverlässigkeit oder die Wahrscheinlichkeit der zu beweisenden Behauptung zu, sind diese Umstände durch entsprechende Nachfrage bei der Beweisaufnahme zu klären 9.
Betrifft der angebotene Zeugenbeweis im Hinblick auf die von dem Kläger zu beweisende Kenntnis der Beklagten von dem Mangel eine innere Tatsache, die der direkten Wahrnehmung der Zeugen entzogen gewesen ist, kann ein Zeuge nur die äußeren Umstände bekunden, die einen Rückschluss auf den zu beweisenden inneren Vorgang zulassen. Für einen solchen Beweisantritt genügt es nicht, nur den Zeugen zu benennen; es müssen vielmehr auch die äußeren Umstände mitgeteilt werden, die Gegenstand der Beweisaufnahme sein sollen 10. Die Partei genügt jedoch diesen Anforderungen, wenn sie zum Beweis der von ihr behaupteten Kenntnis des Gegners von einem Mangel den Zeugen auch dafür benennt, dass dieser mit dem Gegner über den Mangel gesprochen habe 11.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. September 2013 – V ZR 291/12
- BVerfG, WM 2012, 492, 493; BGH, Beschluss vom 11.05.2010 – VIII ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217, 1281 mwN; BGH, Beschluss vom 28.04.2011 V ZR 182/10, Rn. 10; std. Rspr.[↩]
- BGH, Beschluss vom 12.06.2008 – V ZR 221/07, WM 2008, 2068 Rn. 6[↩]
- BGH, Beschluss vom 12.06.2008 – V ZR 221/07, aaO; BGH, Beschluss vom 09.02.2009 – II ZR 77/08, WM 2009, 1154, 1155 Rn. 4; Beschluss vom 12.09.2009 – IV ZR 177/11, NJW-RR 2013, 9 Rn. 5 std. Rspr.[↩]
- BGH, Beschluss vom 09.02.2009 – II ZR 77/08, aaO; BVerfG, WM 2012, 492, 493 jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 20.06.2002 – IX ZR 177/99, NJW-RR 2002, 1419, 1420; und vom 12.09.2012 – IV ZR 177/11, NJW-RR 2013, 9, 10 Rn. 12[↩]
- BVerfG, WM 2012, 492, 493[↩]
- BGH, Urteil vom 13.12.2002 – V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491[↩]
- BGH, Urteil vom 21.09.2011 – IV ZR 38/09, NJW 2012, 296, 297 Rn. 14; Beschluss vom 12.09.2012 – IV ZR 177/11, NJW-RR 2013, 9, 10 Rn. 12 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 12.06.2008 – V ZR 223/07[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.05.1983 – VIII ZR 94/82, NJW 1983, 2034, 2035, insoweit in BGHZ 87, 227 nicht abgedruckt; Urteil vom 13.07.1988 – IVa ZR 67/87, NJW-RR 1988, 1529 f.; Urteil vom 05.03.2009 – III ZR 17/08, WM 2009, 739, 741 Rn.20; Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159, 174 f. Rn. 44, 45[↩]
- BGH, Urteil vom 13.07.1988 – IVa ZR 67/87, NJW-RR 1988, 1529, 1530[↩]