Wird an Weiberfastnacht eine Krawatte abgeschnitten, kann das einen Schadensersatzanspruch zur Folge haben – besonders, wenn man sich nicht in der Umgebung der Karnevalshochburgen befindet.

So hat das Amtsgericht Essen in dem hier vorliegenden Fall einer zerstörten Krawatte entschieden und dem Kläger Schadensersatz zugesprochen. An Weiberfastnacht 1987 betrat der Kläger das Altenessener Reisebüro im Einkaufszentrum F. Er war äußerst gepflegt gekleidet und trug eine Krawatte. Der Kläger wollte bei der Firma I in P durch eine Verabredung mit einem Vertreter einer holländischen Firma wegen des Abschlusses einer Transportversicherung wahrnehmen. In dem Augenblick als der Kläger das Reisebüro betrat, kam die Beklagte auf ihn zu und versuchte, ohne den Kläger zu fragen, ihm die Krawatte abzuschneiden. Dabei wurde diese so beschädigt, daß sie nicht mehr tragbar ist. Hierin hatte der Kläger nicht eingewilligt.
Die Beklagte bot dem Kläger daraufhin sofort an, sich im Einkaufszentrum eine neue Krawatte zu kaufen. Dies lehnte der Kläger jedoch ab. Zu einem Treffen zwischen dem Kläger und dem Interessenten in P kam es an jenem Tage nicht mehr. Mit seiner Klage hat der Kläger nicht nur Schadensersatz für die zerstörte Krawatte verlangt. Außerdem verlangte er die Erstattung doppelter Fahrt- und Zeitkosten, da er aufgrund des Vorfalles eine Ausfallzeit von zwei Stunden gehabt habe, weil der Termin an jenem Tage nicht mehr zustande gekommen sei, denn der Interessent war abgereist. Unstreitig wurde der Termin dann 14 Tage später nachgeholt.
Nach Auffassung des Amtsgerichts Essen hat die Beklagte das Eigentum des Klägers an der Krawatte verletzt und damit den objektiven Tatbestand des § 823 Absatz 1 BGB verwirklicht. Dieses Verhalten ist auch rechtswidrig gewesen. Dabei kann dahinstehen, ob aus Gründen der Sozialadäquanz, des verkehrsrichtigen Verhaltens ausnahmsweise die Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung nicht indiziert wird, da die Beklagte bei ihrem Tun unstreitig bewußt und damit vorsätzlich hinsichtlich des objektiven Tatbestandes gehandelt hat. In diesem Falle ist es aber nach der herrschenden Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, unzweifelhaft, daß nicht aus Gründen der Sozialadäquanz dem verwirklichten Erfolg der Unrechtsgehalt abgesprochen werden kann.
Rechtfertigungsgründe standen im übrigen der Beklagten nicht zur Seite. Unstreitig geschah die Zerstörung der Krawatte ohne Einwilligung des Klägers. Auch für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung ist kein Raum. Denn eine mutmaßliche Einwilligung im Zivilrecht kommt nur dann als Rechtfertigung in Betracht, wenn das betroffene Opfer nicht in der Lage ist, ausdrücklich die Einwilligung selbst zu erklären. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall gewesen [1]. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Wenn auch im Zivilrecht grundsätzlich der Vorsatz die Rechtswidrigkeit des Verhaltens mitumfassen muß [2], so hat dennoch die Beklagte schon aufgrund ihres eigenen Vortrages zumindestens fahrlässig gehandelt. Denn die irrtümliche Annahme einer Einwilligung führt weder zur Rechtfertigung noch zum Schuldausschluß, soweit diesbezüglich nicht ebenfalls Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist [3].
Die Beklagte selbst hat nicht dargelegt, daß sie selbst bei äußerster Anspannung der Sorgfaltspflichten nicht das Fehlen der Einwilligung hat erkennen können. Schon leichte Fahrlässigkeit reicht zur Verwirklichung des Verschuldenstatbestandes aus, § 276 BGB. Die Umstände im einzelnen darzulegen, hätte der Beklagten oblegen, da sie insofern hinsichtlich des Irrtums über vorhandene Rechtfertigungsgründe die Beweislast und damit auch die Darlegungslast trägt [4].
Ist damit die Beklagte dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, so ist jedoch in der Höhe dem Antrag des Klägers nicht zu folgen. Das Amtsgericht Essen hält einen Schadensbetrag von 40,00 DM für ausreichend und angemessen.
Demgegenüber ist dem Kläger aber kein Mitverschulden gemäß § 254 Absatz 1 BGB vorzuwerfen, das darin gelegen haben könnte, daß er überhaupt eine Krawatte an jenem Tag getragen hat. Zwar mag es allgemeiner Tradition entsprechen, am Altweiberfastnachtstage Herren Krawatten abzuschneiden, doch beschränkt sich diese Sitte jedenfalls im Essener Raum darauf, an der Arbeitsstätte oder bei Bekannten, nicht aber gänzlich Fremden, die Krawatte abzuschneiden.
Soweit der Kläger jedoch 100,00 DM für Fahrt- und Zeitkosten verlangt, ist der Anspruch insoweit als nach eigenem Vortrag unsubstantiiert zurückzuweisen. Des weiteren ist der bloße Zeitverlust nicht als Vermögenswert kommerzialisiert und deswegen ist die verlorene Zeit als solche nicht schadensersatzfähig [5].
Des weiteren hat der Kläger insoweit gegen seine Schadensminderungspflicht, § 254 Absatz 2 Satz 1 BGB, nach dem unstreitigen Sachverhalt verstoßen, da er zum einen nicht das Angebot der Beklagten angenommen hat, kurzfristig im Einkaufszentrum einen Schlips zu kaufen, was ohne großen Zeitaufwand hätte geschehen können, und zum anderen hat der Kläger nicht dargelegt – was angesichts der Sachlage ihm oblägen hätte -, weshalb er nicht ohne eine Krawatte den Termin in P hätte wahrnehmen können. Daß das bloße Abschneiden der Krawatte nicht zu einem der Beklagten anzulastenden Terminversäumnis in P hat führen können, versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst. Es lag im Risikobereich des Klägers für eine entsprechende Zeitplanung (Fahrt F – P) zu sorgen.
Amtsgericht Essen, Urteil vom 3. Februar 1988 – 20 C 691/87
- vgl. Soergel/Zeuner, BGB, 11. Auflage, § 823, Randnummer 199[↩]
- vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 45.Auflage 1986, § 276 Anm. 3 a.E.[↩]
- BGH 1M, § 823 Nummer 2 Hb; Soergel-Zeuner, a.a.O., § 823 Randnummer 195; Münchener Kommentar-Mertens, BGB, 2.Auflage 1986, § 823 Randnummer 33[↩]
- vgl. BGHZ 69, 143[↩]
- Palandt-Heinrichs, a.a.O., Vorbemerkung vor § 249 Anmerkung 2 beet ff[↩]