Für die Bemessung des Beschwerdewerts eines Berufungsantrags auf Unterlassung eines Eintrags in Facebook, in dem ein minderjähriges Kind beleidigt wird, kommt es nicht nur auf die Breitenwirkung des Eintrags an, sondern auch auf die Wirkung der beleidigenden Äußerungen auf das Kind selbst. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Kind ein Recht auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit und ungestörte kindgemäße Entwicklung hat1.

Der Antrag auf Veröffentlichung von Rubrum und Unterlassungstenor auf Facebook ist auf Folgenbeseitigung gerichtet, die als selbständige Rechtsfolge neben die Verpflichtung zur Unterlassung hinzutritt. Ihm kommt daher ein eigener Wert zu, der mit dem Wert des Unterlassungsantrags gemäß § 5 ZPO zusammenzurechnen ist.
Bei den geltend gemachten Ansprüchen auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen und auf Veröffentlichung des begehrten Unterlassungsausspruchs handelt es sich um nichtvermögensrechtliche Ansprüche, zumal der Kläger wirtschaftliche Nachteile nicht geltend macht2. Für die Bemessung der Beschwer nach freiem Ermessen sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere Umfang und Bedeutung der Sache zu berücksichtigen (vgl. § 3 ZPO, § 48 Abs. 2 GKG).
Was die Bedeutung der Sache – bezogen auf die Unterlassungsanträge – angeht, die sich nach dem Interesse des Berufungsklägers an der Unterlassung richtet, hat im vorliegenden Fall das Landgericht Koblenz in seiner Berufungsentscheidung3 anders als das erstinstanzliche Amtsgericht Andernach4 nicht auf einen – nicht streitgegenständlichen – Schmerzensgeldanspruch, sondern im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei auf die verständiger Weise zu besorgende Beeinträchtigung abgestellt, die von den beanstandeten Äußerungen ausgeht und sich auf den sozialen Geltungsanspruch des Klägers auswirken kann. In diesem Zusammenhang hat es, was ebenfalls nicht zu beanstanden ist, berücksichtigt, dass der Kläger in dem Facebookeintrag nicht namentlich genannt und allenfalls für einen kleinen Kreis von Personen identifizierbar ist, die von der vom Kläger geschilderten Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der Tochter Kenntnis haben.
Die Bedeutung der Sache für den Kläger richtet sich allerdings nicht allein nach der Breitenwirkung des Facebookeintrags, sondern auch nach der verständiger Weise anzunehmenden Wirkung des aus Sicht des Klägers unzutreffenden Vorwurfs einer Gewalttat („Vermöbeln“) und der beleidigenden Äußerungen („asozialer Abschaum“ etc.) auf den Kläger selbst. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses, es sei weder vorgetragen noch im Ansatz erkennbar, dass sich der Kläger angesprochen gefühlt habe, ist angesichts des Vortrags des Klägers, der Facebookeintrag beziehe sich auf ihn, er fasse die Äußerungen als ehrverletzend auf und er sei „auf das Übelste beleidigt worden“, nicht nachvollziehbar. Dabei ist für sein Interesse an der Unterlassung der Äußerungen nicht entscheidend, wie er Kenntnis von dem Facebookeintrag erlangt hat.
Das Berufungsgericht hat ferner in seine Ermessensentscheidung fehlerhaft nicht einbezogen, dass der Kläger als minderjähriges Kind ein Recht auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit und ungestörte kindgemäße Entwicklung hat1. Das Recht jedes Kindes auf ungehinderte Entwicklung zur Persönlichkeit – auf „Person werden“ – umfasst dabei sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entwicklung und Entfaltung in der Öffentlichkeit5. Der Facebookeintrag ist geeignet, dieses Schutzgut zu verletzen.
Zu den zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls gehört auch die Frage, unter welchen Umständen und aus welchem Anlass die beanstandeten Äußerungen nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag des Klägers getätigt wurden6. Vorliegend soll Auslöser eine vergleichsweise harmlose Auseinandersetzung unter zehnjährigen Schülern gewesen sein. Daran gemessen würden sich die Äußerungen der Beklagten als eine unangemessene und unverhältnismäßige Reaktion einer Erwachsenen auf den Vorfall darstellen. Auch dies ist bei der Bemessung der Beschwer zu berücksichtigen.
Damit ergibt sich ein Beschwerdewert von deutlich über 600 € allein für den Unterlassungsantrag. Hinzu kommt der Veröffentlichungsantrag, der in der Sache über den Inhalt des Unterlassungsanspruchs hinausgeht und einen eigenen Streitgegenstand darstellt. Die Veröffentlichung ist Teil der Folgenbeseitigung und soll als selbständige Rechtsfolge neben die Verpflichtung zur Unterlassung hinzutreten. Ihr kommt daher ein eigener Wert zu, der mit dem Wert des Unterlassungsantrags gemäß § 5 ZPO zusammenzurechnen ist7.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. August 2016 – VI ZB 17/16
- vgl. BGH, Urteile vom 15.09.2015 – VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 18; vom 05.11.2013 – VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 17, jeweils mwN[↩][↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 16.02.1993 – VI ZR 127/92, VersR 1993, 614, 615; BGH, Urteil vom 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999, 1000[↩]
- LG Koblenz, Beschluss vom 18.03.2016 – 6 S 22/16[↩]
- AG Andernach, Urteil vom 26.11.2015 – 65 C 558/15[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 15.09.2015 – VI ZR 175/14, aaO; BVerfG, NJW 2000, 2191, 2192[↩]
- vgl. Kurpat in Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar, 14. Aufl., Rn. 1831[↩]
- OLG Hamburg, MDR 1977, 142; OLG Frankfurt, JurBüro 1972, 706; GRUR 1955, 450; Noethen in Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar, 14. Aufl., Rn. 5306, 5738; Herget in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn. 16 „Veröffentlichungsbefugnis“; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 3 Rn. 158; a.A. OLG Stuttgart, NJW 1959, 890; OLG Karlsruhe, WRP 1958, 190[↩]