Urteil nach Lage der Akten – nach Zurückverweisung an das Berufungsgericht

Gemäß § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 ZPO darf beim Ausbleiben einer Partei im Termin ein Urteil nach Lage der Akten ergehen, wenn in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden ist. Verfahrensfehler bei der Anwendung des § 331a ZPO können mit dem Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung angefochten werden1.

Urteil nach Lage der Akten – nach Zurückverweisung an das Berufungsgericht

Eine entsprechende Rüge enthält grundsätzlich auch den Vortrag, dass das angefochtene Urteil möglicherweise auf der Verletzung beruht. Es ist dann nicht erforderlich, ausdrücklich die Tatsachen anzuführen, aus denen sich ein möglicher Zusammenhang zwischen Verfahrensverstoß und Entscheidung ergibt2.

Danach war im vorliegenden Verfahren nicht zu beanstanden, dass das Berufungsurteil durch das Landesarbeitsgericht Nürnberg3 nach Lage der Akten ergangen ist:

Das Landesarbeitsgericht hat auf den hierfür erforderlichen Antrag der anwesenden Beklagten4 nach Lage der Akten entschieden. Das ergibt sich aus den Ausführungen in den Entscheidungsgründen. Zwar heißt es auf Seite 2 des Berufungsurteils, die Entscheidung ergehe „auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14.12 2018“5. Insoweit liegt aber eine offenkundige und unschädliche Falschbezeichnung vor, die nach § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen wäre6.

Die Parteien haben bereits in einem früheren Termin, nämlich am 25.06.2014, unter Stellung der Sachanträge mündlich verhandelt. Eine Verhandlung „in einem früheren Termin“ ist auch diejenige, die bei dem Landesarbeitsgericht vor einer Zurückverweisung der Sache durch das Bundesarbeitsgericht stattgefunden hat. Unschädlich ist es, wenn bei dieser andere ehrenamtliche Richter mitgewirkt haben als beim zweiten Berufungsurteil7.

Durch die Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht wird das Verfahren in der Lage wieder eröffnet, in der es sich befunden hat, als die Verhandlung vor dem Erlass des aufgehobenen Urteils geschlossen wurde8. Das Verfahren vor und nach der Zurückverweisung bildet eine Einheit9. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Revisionsgericht nicht allein das Berufungsurteil, sondern nach § 562 Abs. 2 ZPO zugleich das diesem zugrunde liegende Verfahren aufgehoben hat.

Dem steht nicht entgegen, dass es nach der Zurückverweisung zu einem Wechsel der zuständigen Richter kommen kann. Das Erfordernis einer früheren mündlichen Verhandlung soll gewährleisten, dass die Parteien ihre Standpunkte zumindest einmal mündlich vortragen können. Diesem Zweck ist auch dann Rechnung getragen, wenn die Kammer bei der mündlichen Verhandlung personell anders besetzt war oder die Verhandlung vor einer anderen Kammer stattgefunden hat8. § 309 ZPO ist insoweit nicht anwendbar. Die frühere Verhandlung ist lediglich Voraussetzung für das Urteil nach Lage der Akten, sie liegt diesem jedoch nicht iSv. § 309 ZPO zugrunde10.

Eine mündliche Verhandlung nach der Zurückverweisung ist auch nicht deshalb Voraussetzung für eine Entscheidung nach Lage der Akten, weil die Parteien die Möglichkeit haben müssen, neue Tatsachen vorzutragen. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert nicht stets eine mündliche Verhandlung. Ihm ist auch dann Genüge getan, wenn die betreffende Partei Gelegenheit hat, sich zu der Rechtssache schriftlich zu äußern11.

Die Klägerin ist im Termin vom 14.12 2018 säumig iSd. § 331a ZPO gewesen, obwohl der sie vertretende Rechtsanwalt zunächst zu dem Termin erschienen ist. Als nicht erschienen ist auch die Partei anzusehen, die in dem Termin zwar erscheint, aber nicht verhandelt, § 333 ZPO. Die Klägerin und ihr Rechtsanwalt haben nach den Feststellungen des Berufungsurteils den Sitzungssaal verlassen, ohne Sachanträge gestellt zu haben. Für ein „Verhandeln“ iSv. § 333 ZPO reicht es nicht aus, einen Verlegungsantrag zu stellen12.

Einer Entscheidung nach Lage der Akten stand nicht entgegen, dass etwaige weitere Prozessbevollmächtigte (§ 84 ZPO) der Klägerin nicht zum Termin am 14.12 2018 geladen waren und deshalb ein Fall des § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vorgelegen hätte. Selbst wenn die Klägerin weitere Prozessbevollmächtigte neben ihrem rechtzeitig geladenen und erschienenen Prozessbevollmächtigten gehabt hätte, mussten diese nicht geladen werden. Wird eine Partei von mehreren Prozessbevollmächtigten vertreten, genügt die Zustellung der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung an einen von ihnen13.

Das Landesarbeitsgericht musste keinen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen. Es bestand weder Anlass für eine Verlegung noch für eine Vertagung.

Es kann dahinstehen, ob das in § 251a Abs. 2 Satz 4 ZPO vorgesehene Recht, die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung zu beantragen, nur einer Partei zusteht, die dem Termin ohne ihr Verschulden gänzlich ferngeblieben ist14, oder ausnahmsweise auch einer Partei, die zwar erschienen ist, aber nicht verhandelt15.

Die Klägerin hat jedenfalls nicht dargelegt, ohne Verschulden nicht verhandelt zu haben.

Der die Klägerin vertretende Rechtsanwalt ist rechtzeitig und ordnungsgemäß zum Termin geladen worden. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, läge kein Fall des § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vor, da der Rechtsanwalt und seine Mandantin tatsächlich zum Termin erschienen sind16. Sie haben die Sitzung nur vor Stellung der Sachanträge wieder verlassen.

Auch der Umstand, dass die Klägerin das Mandat des sie damals und nunmehr wieder vertretenden Rechtsanwalts unmittelbar vor dem Termin gekündigt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der ursprünglich mandatierte Rechtsanwalt war trotz Mandatskündigung weiterhin gegenüber dem Gericht ihr Prozessbevollmächtigter und hätte Sachanträge stellen können.

Nach § 87 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO gilt eine Vollmacht grundsätzlich bis zur Anzeige ihres Erlöschens als fortbestehend. Im Anwaltsprozess – wie hier nach § 11 Abs. 4 ArbGG vor dem Landesarbeitsgericht – erlangt die Kündigung einer Vollmacht nach § 87 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO entgegen der Auffassung der Klägerin erst dann rechtliche Wirksamkeit, wenn die Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten angezeigt wird17. Der neue Prozessbevollmächtigte ist namentlich zu bezeichnen18. Danach galt die Prozessvollmacht des ursprünglich mandatierten Rechtsanwalts gegenüber dem Gericht gemäß § 87 Abs. 1 ZPO als fortbestehend. Die Klägerin hat das Mandat gekündigt, ohne dass ein anderer Rechtsanwalt ihre Vertretung angezeigt hat.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, sie habe zwei anderen Rechtsanwälten – die neben ihrem ursprünglich mandatierten Rechtsanwalt in einem Termin vom 02.05.2018 aufgetreten sind – „konkludent Prozessvollmacht“ erteilt. Hierfür ist – unbeschadet des Umstands, dass die Klägerin selbst in einem Schriftsatz vom 19.11.2018 ausdrücklich erklärt hat, diese Rechtsanwälte seien nicht ihre Prozessbevollmächtigten, sondern nur Beistände – nichts ersichtlich.

Die Rechtsanwälte sind zwar mit dem ursprünglich mandatierten Rechtsanwalt im Termin vom 02.05.2018 erschienen. Ob sie Prozessvollmacht hatten, ist aber nicht dargelegt. Sie haben weder die Vertretung der Klägerin angezeigt noch einen Schriftsatz für sie eingereicht, sondern in dem Termin lediglich zusammen mit dem ursprünglich mandatierten Rechtsanwalt handschriftlich die Begründung für einen Befangenheitsantrag niedergelegt.

Daraus kann nicht auf die Erteilung einer Prozessvollmacht geschlossen werden. Zwar bedarf es der Vorlage einer schriftlichen Prozessvollmacht bei Rechtsanwälten solange nicht, wie dies nicht vom Gegner gerügt wird (§ 88 Abs. 2 ZPO). Die Anwälte können im Termin am 2.05.2018 aber auch bloße Beistände (§ 90 ZPO) gewesen sein. Dafür sprechen das gleichzeitige Auftreten19 mit dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt und das Fehlen jeder Vertretungsanzeige. In dieser Konstellation kann auch aus ihrer Bezeichnung als „Klägervertreter“ in der Sitzungsniederschrift nicht auf eine konkludent erteilte Prozessvollmacht geschlossen werden, zumal die Anwälte im Rubrum des Protokolls nicht als Prozessbevollmächtigte aufgeführt sind. Dem entspricht die Darstellung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19.11.2018.

Die Klägerin wendet ohne Erfolg ein, der Sachverhalt sei noch nicht iSv. § 331a Satz 1 ZPO „hinreichend geklärt“ gewesen. Dies erfordert, dass das Gericht sich unter Zugrundelegen des vorhandenen Prozessstoffs in der Lage sieht, die beabsichtigte Entscheidung zu erlassen und zu begründen. Der Wortlaut des § 331a ZPO macht im Vergleich zu § 300 Abs. 1 ZPO deutlich, dass das Gesetz dem Richter im Falle von § 331a ZPO einen größeren Beurteilungsspielraum zuerkennt20. Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Landesarbeitsgericht diesen überschritten hätte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19

  1. vgl. Zöller/Herget ZPO 33. Aufl. § 331a Rn. 3[]
  2. BAG 14.11.1985 – 2 AZR 652/84, zu II 5 a und b der Gründe[]
  3. LAG Nürnberg 11.01.2019 – 4 Sa 131/16[]
  4. vgl. Zöller/Herget ZPO 33. Aufl. § 331a Rn. 2[]
  5. zur zutreffenden Formulierung vgl. Zöller/Greger ZPO 33. Aufl. § 251a Rn. 8[]
  6. vgl. BAG 8.05.2014 – 2 AZR 75/13, Rn. 28, BAGE 148, 129[]
  7. vgl. BAG 8.05.2014 – 2 AZR 75/13, Rn. 22 ff., BAGE 148, 129[]
  8. RG 1.11.1935 – VI 453/34, zu 1 der Gründe, RGZ 149, 157[][]
  9. MünchKomm-ZPO/Stackmann 5. Aufl. § 251a Rn. 16; Zöller/Greger ZPO 33. Aufl. § 251a Rn. 4[]
  10. MünchKomm-ZPO/Stackmann 5. Aufl. § 251a Rn. 17[]
  11. BAG 8.05.2014 – 2 AZR 75/13, Rn. 25, BAGE 148, 129[]
  12. Zöller/Herget ZPO 33. Aufl. § 333 Rn. 2[]
  13. vgl. BFH 7.07.1998 – III R 87/97; BGH 4.06.1992 – IX ZR 149/91, zu A – III 3 b der Gründe, BGHZ 118, 312; 20.03.1967 – VIII ZR 15/65, zu I 2 der Gründe; BVerwG 23.01.1975 – I WB 47.73, – I WB 75.73, zu I 3 a der Gründe; Stein/Jonas/Jakoby ZPO 23. Aufl. § 84 Rn. 3; MünchKomm-ZPO/Toussaint 5. Aufl. § 84 Rn. 6[]
  14. so Stein/Jonas/Roth ZPO 23. Aufl. § 251a Rn.19; Zöller/Greger ZPO 33. Aufl. § 251a Rn. 7; Wieczorek/Schütze/Gerken 4. Aufl. § 251a ZPO Rn. 24; Musielak/Voit/Stadler ZPO 16. Aufl. § 251a Rn. 4[]
  15. vgl. MünchKomm-ZPO/Stackmann 5. Aufl. § 251a Rn. 27, 29[]
  16. vgl. Zöller/Herget ZPO 33. Aufl. § 335 Rn. 3; MünchKomm-ZPO/Prütting 5. Aufl. § 335 Rn. 8[]
  17. vgl. BGH 1.02.2018 – I ZB 73/17, Rn. 9; 25.04.2007 – XII ZR 58/06, Rn. 11[]
  18. BGH 10.07.1985 – IVb ZB 102/84, zu B – I der Gründe; Zöller/Althammer ZPO 33. Aufl. § 87 Rn. 2; MünchKomm-ZPO/Toussaint 5. Aufl. § 87 Rn. 10[]
  19. vgl. Zöller/Althammer ZPO 33. Aufl. § 90 Rn. 2[]
  20. vgl. MünchKomm-ZPO/Prütting 5. Aufl. § 331a Rn. 11; Musielak/Voit/Stadler ZPO 16. Aufl. § 331a Rn. 3; Stein/Jonas/Bartels ZPO 23. Aufl. § 331a Rn. 6[]

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