Verjährung schuldrechtlicher Verfügungsverbote

Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB (schuldrechtliche Verfügungsverbote) werden nicht nach 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam.

Verjährung schuldrechtlicher Verfügungsverbote

Nach einer im Schrifttum weit verbreiteten Auffassung erlöschen der schuldrechtliche Verfügungsverbote mit Ablauf von 30 Jahren1. Gestützt wird diese Auffassung bei Unterschieden in der Begründung im Einzelnen auf eine Rechtsanalogie zu den Vorschriften in § 462 Satz 1, § 544, § 2044 Abs. 2 Satz 1, § 2109 Abs. 1, § 2262 Abs. 2 Satz 1, § 2210 Satz 1 BGB2.

Andere verweisen darauf, dass es keinen allgemeinen Rechtssatz gibt, der die Geltung vertraglicher Verpflichtungen auf eine Frist von 30 Jahren begrenzt3, und daher auch rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote nach § 137 Satz 2 BGB nicht schon wegen Ablaufs dieser Frist erlöschen, weil dem vereinbarten Untersagungsanspruch auch noch nach dieser Zeit ein anerkennenswertes Interesse zugrunde liegen könne4.

Die letztgenannte Auffassung ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs richtig. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält keine Bestimmung zur höchstzulässigen Geltungsdauer vertraglicher Verpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB.

Eine zeitliche Obergrenze lässt sich5 nicht daraus ableiten, dass durch langfristige Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB die Bestimmung in § 137 Satz 1 BGB unterlaufen werde. Angesichts der ausdrücklichen Regelung in § 137 Satz 2 BGB, nach der die Wirksamkeit schuldrechtlicher Unterlassungsverpflichtungen nicht davon berührt wird, dass nach Satz 1 BGB die Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers durch ein Rechtsgeschäft nicht mit dinglicher Wirkung ausgeschlossen werden kann, sind schuldrechtlich wirkende Verfügungsverbote, auch wenn sie für eine lange Zeit vereinbart werden, nicht als Umgehung von § 137 Satz 1 BGB anzusehen. Diese Norm bezweckt zudem nicht den Schutz der persönlichen Freiheit des Rechtsinhabers, sondern dient der Sicherung des numerus clausus der Sachenrechte und der Zwangsvollstreckung6, die der Gesetzgeber durch allein schuldrechtlich wirkende Verfügungsbeschränkungen nicht als gefährdet angesehen hat.

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Eine Höchstdauer von 30 Jahren für schuldrechtliche Verfügungsverbote lässt sich7 auch nicht daraus herleiten, dass für unbefristete Wiederkaufsrechte eine solche Frist gilt (§ 462 Satz 1 BGB). Diese Vorschrift enthält schon deshalb kein gesetzliches Leitbild für eine 30jährige Höchstdauer vereinbarter Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB8, weil die gesetzliche Ausschlussfrist für das Wiederkaufsrecht subsidiär ist und die Vertragsparteien auch längere, über 30 Jahre hinausgehende Fristen für die Geltendmachung eines Wiederkaufsrechts vereinbaren können9.

Aus § 544 BGB, wonach für eine längere Zeit als 30 Jahre abgeschlossene Mietverträge nach Ablauf von 30 Jahren gekündigt werden können, ergibt sich10 ebenfalls keine allgemeine Höchstgrenze für die Dauer schuldrechtlicher Verpflichtungen. Diese Vorschrift soll „ewige“, vertraglich begründete Nutzungsrechte, sog. „Erbmieten“ oder ähnliche Verhältnisse, verhindern11, schließt jedoch Verpflichtungen für darüber hinausgehende Zeiträume nicht aus12.

Schließlich lässt sich auch nicht aus den Befristungen in erbrechtlichen Vorschriften (§ 2044 Abs. 2 Satz 1, § 2109 Abs. 1, § 2262 Abs. 2 Satz 1, § 2210 Satz 1 BGB) der Rechtssatz herleiten, dass Verpflichtungen nach § 137 Abs. 2 BGB nach Ablauf von 30 Jahren unwirksam werden.

Das Erbrecht beschränkt die Geltungsdauer bestimmter letztwilliger Verfügungen auf einen Zeitraum von 30 Jahren nach dem Erbfall. Diese Befristungen verfolgen das Ziel, den Erben nicht 30 Jahre über den Tod des Erblassers hinaus an dessen Anordnungen zu binden13. Das Erbrecht trifft jedoch keine Bestimmungen für die Abreden, welche die Vertragsparteien im Zusammenhang mit einer Übertragung von Vermögensgegenständen zu Lebzeiten des Übertragenden vereinbaren. Ihm lässt sich demzufolge auch nicht entnehmen, dass die Geltungsdauer der in einem Übergabevertrag vereinbarten Unterlassungspflichten nach § 137 Satz 2 BGB auf einen Zeitraum von 30 Jahren nach dem Übergang des Eigentums auf den Übernehmer begrenzt ist, was im Übrigen zur Folge hätte, dass die Bindung des Übernehmers unter Umständen schon vor dem Ableben des Übertragenden endete.

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Ob Verfügungsbeschränkungen, zu denen sich der Übernehmer in einem zur vorweggenommenen Erbfolge abgeschlossenen Übergabevertrag verpflichtet hat, 30 Jahre nach dem Tod des Übergebers unwirksam werden, weil sich aus dem Erbrecht ein Rechtssatz ergibt, dass der Erblasser nicht über diesen Zeitraum hinaus über sein Vermögen bestimmen können soll14, kann dahinstehen. Diese Frist endete nämlich erst im Jahr 2037, mithin lange nach Ablauf der vertraglich vereinbarten 35jährigen Bindungsfrist.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verstößt ein in einem Übertragungsvertrag dem Übernehmer auferlegtes Verfügungsverbot nach § 137 Satz 2 BGB auch dann nicht gegen die guten Sitten, wenn es länger als 30 Jahre dauert. Die 35jährige Bindung des Beklagten ist nicht deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.

Rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote sind allerdings wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn sie die Verfügungsbefugnis des Schuldners auf übermäßige Dauer einschränken15. Ob das der Fall ist, ist unter Würdigung aller Umstände, insbesondere des Maßes der Beeinträchtigung des Schuldners, der Dauer der Bindung und des durch die Verfügungsbeschränkung geschützten Interesses des Begünstigten zu entscheiden16.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 2012 – V ZR 122/11

  1. Großfeld/Gersch, JZ 1988, 937, 943 f.; Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, S. 116 f.; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 137 Rn. 25; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 137 Rn. 5; Wiesmann, Zur Tragweite des § 137 BGB, S. 101 f.[]
  2. MünchKomm-BGB/Armbrüster, § 137, 6. Aufl., aaO, mwN[]
  3. Schack, JZ 1989, 609, 612; Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 45[]
  4. Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 45; Schippers, MittRhNotK 1998, 69, 73[]
  5. entgegen Großfeld/Gersch, JZ 1988, 937, 944 und Wiesmann, aaO[]
  6. BGH, Beschluss vom 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182, 186 mwN[]
  7. entgegen Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, S. 117[]
  8. so jedoch Berger, aaO[]
  9. BGH, Urteile vom 21.04.1967 – V ZR 75/64, BGHZ 47, 387, 392 und vom 29.10.2010 – V ZR 48/10, NJW 2011, 515, 516 Rn. 8[]
  10. entgegen Großfeld/Gersch, aaO; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 137 Rn. 25[]
  11. RGZ 66, 216, 220; BGH, Urteil vom 20.05.1994 – V ZR 292/92, NJW-RR 1994, 971[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2008 – I ZR 221/05, NJW 2008, 2995, 2996 Rn. 16 – 40jährige Haltbarkeitsgarantie[]
  13. Schack, JZ 1989, 609, 612[]
  14. so Schack, JZ 1989, 609, 612[]
  15. BGH, Beschluss vom 05.12.1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182, 190[]
  16. vgl. Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 46[]
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