Insolvenzverwaltervergütung – Überschussrechnung und Einkommensteuer

Bei der Überschussberechnung nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV hinsichtlich der Fortführung des Unternehmens des Schuldners ist als Ausgabe auch die Einkommensteuer in Abzug zu bringen, die durch die Fortführung des Unternehmens als Masseverbindlichkeit entsteht.

Insolvenzverwaltervergütung – Überschussrechnung und Einkommensteuer

Die Frage, wie hinsichtlich der Einkommensteuer zu verfahren ist, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Auch Entscheidungen der Instanzgerichte zu dieser Frage und Äußerungen in der Literatur sind weder von der Rechtsbeschwerde aufgezeigt noch ersichtlich. Ausführungen dazu, ob die auf den Gewinn zu zahlende Einkommensteuer in Abzug zu bringen ist, ergeben sich auch nicht aus der amtlichen Begründung zur InsVV1.

Die gegenteilige Ansicht beruft sich darauf, dass Einkommensteuerverbindlichkeiten, auch wenn sie aus der Fortführung des Unternehmens des Schuldners resultieren, keine laufenden Kosten seien, mit denen Gewinn erwirtschaftet werden solle, sondern Kosten, die erst infolge des erwirtschafteten Gewinns anfallen. Andernfalls werde der Verwalter in einem Verfahren, in dem laufend Verluste oder Verlustvorträge schon bei Insolvenzeröffnung vorhanden seien oder während des Insolvenzverfahrens eintreten, anders vergütet werde als ein Verwalter, bei dem dies zufällig nicht der Fall sei.

Diese Bedenken greifen nicht durch.

Grundsätzlich werden bei der Festlegung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters Masseverbindlichkeiten gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV nicht in Abzug gebracht. Von dieser Regel gibt es zwei Ausnahmen. Eine davon ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV der Fall, dass das Unternehmen des Schuldners fortgeführt wird. Hier ist nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt. Damit werden zweierlei Ziele verfolgt. Zum einen wird durch die Berücksichtigung des bei der Unternehmensfortführung entstandenen Überschusses eine Erfolgsorientierung der Verwaltervergütung erreicht. Zum anderen soll verhindert werden, dass bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage lediglich die während der Betriebsfortführung erzielten Einnahmen einbezogen werden, ohne die zur Erzielung dieser Einnahmen notwendigen Ausgaben zu berücksichtigen2. Der zu berücksichtigende Überschuss wird dadurch berechnet, dass die Ausgaben von den Einnahmen abgezogen werden. Bei den Ausgaben muss es sich, wie sich schon aus § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV ergibt, um Masseverbindlichkeiten handeln. Aus der Vorschrift ergibt sich aber kein Anhaltspunkt dafür, dass nur ein Teil dieser Ausgaben berücksichtigt werden soll. Maßgebend ist allein, ob die Ausgaben durch die Unternehmensfortführung veranlasste Masseverbindlichkeiten sind3. Deshalb sind auch solche Ausgaben bei der Ermittlung des Überschusses abzusetzen, die auch ohne eine Betriebsfortführung als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen gewesen wären (sogenannte oktroyierte Masseverbindlichkeiten), wenn und soweit die Gegenleistung tatsächlich für die Unternehmensfortführung in Anspruch genommen worden ist4.

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Arbeitet der Schuldner selbst in dem vom Verwalter fortgeführten Betrieb weiter mit und erhält er im Gegenzug aus der Insolvenzmasse finanzielle Zuwendungen, ist zu vermuten, dass damit seine Mitarbeit abgegolten wird, die Zahlung also Lohnersatzfunktion hat. Dementsprechend muss in zumindest analoger Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV diese Lohnersatzleistung bei der Berechnung des Überschusses als Ausgabe in Abzug gebracht werden, weil sie durch die Unternehmensfortführung veranlasst ist5. Dies betrifft vor allem Fälle wie den vorliegenden, wo die Fortführung einer Arztpraxis ohne Mitarbeit des Schuldners, der als Arzt die Praxis leitet, nicht möglich ist.

Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob mit den fortführungsbedingten Ausgaben der Gewinn erwirtschaftet wird. Das ist bei vielen Ausgaben, etwa bei der Lohnsteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen für die Mitarbeiter, der Umsatzsteuer, sofern eine solche anfällt, und bei Abgaben und Ausgleichszahlungen nicht der Fall. Ohne die Befriedigung der entsprechenden, meist öffentlichrechtlichen Forderungen kann aber das Unternehmen nicht fortgeführt und demgemäß auch kein Gewinn erzielt werden. Würde statt des Schuldners in dem Unternehmen ein angestellter Arzt arbeiten, müssten für diesen der Bruttolohn und die Arbeitgeberanteile für die Sozialversicherung aufgebracht werden, was zweifellos Betriebsausgaben wären. Für die Einkommensteuerschuld, die durch die Fortführung des Unternehmens in der Insolvenz als Masseverbindlichkeit entsteht, kann nichts anderes gelten. Nur was nach Begleichung auch der Einkommensteuerschuld an Überschuss aus der Unternehmensfortführung verbleibt, steht auch tatsächlich im Insolvenzverfahren für die Begleichung anderer Masseverbindlichkeiten und der Insolvenzforderungen zur Verfügung. Dass die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters unterschiedlich ausfällt, je nachdem, wie erfolgreich sich die Unternehmensfortführung gestaltet und welche Verluste anfallen, ist systembedingt. Wird durch die Unternehmensfortführung insgesamt Verlust erzielt, wird dadurch jedenfalls die sonstige Berechnungsgrundlage nicht geschmälert6. Die Unternehmensfortführung führt in jedem Fall zu einer Erhöhung der Vergütung des Verwalters7.

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Im Rahmen der Überschussberechnung sind die Ausgaben für Anschaffungen zur Betriebsfortführung in Abzug zu bringen. Im Rahmen der Überschussermittlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV wird für die angeschafften Wirtschaftsgüter keine Abschreibung wie im Steuerrecht im Sinne einer Absetzung für Abnutzung vorgenommen. Entscheidend ist allein der tatsächliche Geldfluss, also eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung8. Der noch vorhandene Wert der angeschafften Wirtschaftsgüter kommt bei dem in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigenden Wert des Unternehmens zum Ansatz, je nach den Umständen zum Fortführungs- oder Zerschlagungswert.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – IX ZB 5/13

  1. abgedruckt in ZIP 1998, 1460 ff[]
  2. BK-InsO/Blersch, 2009, § 1 InsVV Rn. 21[]
  3. BGH, Beschluss vom 24.05.2005 – IX ZB 6/03, ZInsO 2005, 760, 761[]
  4. BGH, Beschluss vom 16.10.2008 – IX ZB 179/07, ZIP 2008, 2222 Rn. 8, 22 f[]
  5. BGH, Beschluss vom 04.05.2006 – IX ZB 202/05, ZIP 2006, 1307 Rn. 6[]
  6. BGH, Beschluss vom 16.10.2008, aaO Rn. 12 mwN[]
  7. BGH, aaO[]
  8. vgl. BGH, Beschluss vom 22.02.2007 – IX ZB 106/06, ZIP 2007, 784 Rn. 15; vom 26.04.2007 – IX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330 Rn. 10[]