Die Zahlung an eine Person, für die ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge angeordnet ist, hat keine Erfüllungswirkung.

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem der Betreute eine Abhebung von seinem Bankkonto vorgenommen hatte: Die Forderung auf (nochmalige) Auszahlung des Kontoguthabens ist gemäß § 700 Abs. 1 Satz 1, § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB1 begründet. Sie ist nicht durch die Barauszahlung von 1.221, 28 € an den Betreuten gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
Allerdings ist die Willenserklärung des Betreuten zur Annahme des Geldes mit schuldbefreiender Wirkung nicht mangels Einwilligung des Betreuers nach § 1903 Abs. 1 Satz 2, § 131 Abs. 2, § 108 Abs. 1 BGB unwirksam. Einer solchen Willenserklärung bedurfte es zur Erfüllung nicht. Die Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB tritt regelmäßig als objektive Folge der Leistungsbewirkung ein (Theorie der realen Leistungsbewirkung), ohne dass es weiterer Umstände, insbesondere einer dahingehenden Vereinbarung, bedarf2.
Gleichwohl verneint der Bundesgerichtshof eine erfüllende Wirkung der Auszahlung. Aufgrund des für den Bereich der Vermögenssorge angeordneten Einwilligungsvorbehalts ist der Betreute kraft Gesetzes in diesem Bereich einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen gleichzustellen. Erfüllung wäre demnach nur eingetreten, wenn der Betreuer in die Abhebung eingewilligt oder diese genehmigt hätte oder wenn ihm selbst das Geld übergeben worden wäre. Diese Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt.
Bestehende Leistungspflichten können gegenüber einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen mangels Empfangszuständigkeit nicht ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters wirksam erfüllt werden3. Der Schutzzweck der §§ 107 ff. BGB trifft wegen des mit der Erfüllung verbundenen rechtlichen Nachteils auch auf die Annahme einer Leistung als Erfüllung zu4. Bei wirksamer Erfüllung erlitte der Minderjährige einen rechtlichen Nachteil in Form des Erlöschens seiner Forderung. Ob er hierdurch auch etwas erlangt, was bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gleich- oder höherwertig ist, ist unerheblich, da § 107 BGB voraussetzt, dass er lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Um den vom Gesetz bezweckten Minderjährigenschutz lückenlos zu gewährleisten, muss dies auch dann gelten, wenn an tatsächliche Handlungen, etwa die Entgegennahme einer Leistung, Rechtsfolgen geknüpft werden.
Diese Grundsätze gelten auch im Falle einer Leistung an einen geschäftsfähigen Betreuten, wenn für den betroffenen Bereich ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist und der Betreuer in die Leistungsannahme nicht einwilligt. Dem Betreuten fehlt insoweit ebenfalls die zur Erfüllung notwendige Empfangszuständigkeit5, sodass die Zahlung an ihn nicht zum Erlöschen seiner Forderung führt. Auf die Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis des Schuldners von der Betreuung und dem Einwilligungsvorbehalt kommt es nicht an6.
Durch den Einwilligungsvorbehalt erlangt ein Betreuter im Geltungsbereich dieses Vorbehalts eine vergleichbare Rechtsstellung wie ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger7. Dies folgt aus der Verweisung des § 1903 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Regelung der beschränkten Geschäftsfähigkeit Minderjähriger in den §§ 108 ff. BGB. Der Betreute wird im Geltungsbereich des Einwilligungsvorbehalts einem beschränkt Geschäftsfähigen gleichgestellt. Dies gilt auch für die Erfüllung offener Forderungen. Die Regelungen der §§ 108 ff. BGB und der §§ 1903 ff. BGB dienen vergleichbaren Schutzzwecken. Sowohl der Minderjährige als auch der Betreute im Fall der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts sollen davor geschützt werden, über ihr Vermögen nicht interessengerecht zu verfügen und sich über ihre Leistungsgrenze hinaus zu verschulden. Dieser Schutz ist nur gewährleistet, wenn die Erfüllung einer Forderung eines Betreuten ebenso wie die eines Minderjährigen voraussetzt, dass der Betreuer zustimmt oder dass an diesen geleistet wird.
Die Erfüllungswirkung einer Leistung an den Betreuten hängt, entgegen der Auffassung der Revision, nicht davon ab, ob der Schuldner Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von der Betreuung und dem Einwilligungsvorbehalt hat. Maßgeblich ist allein die objektive Sachlage8.
Auch insoweit ist ein Betreuter aufgrund der Verweisung des § 1903 BGB auf die §§ 108 ff. BGB ebenso wie ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger zu behandeln. Da der gute Glaube an die Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners nicht geschützt wird, sondern der Schutz Geschäftsunfähiger und beschränkt Geschäftsfähiger Vorrang vor den Interessen des Rechtsverkehrs hat9, trägt der Vertragspartner eines Minderjährigen bzw. eines Betreuten im Fall der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts das Risiko der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Die Rechtsunsicherheit, die sich aus der Unklarheit über die Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners ergeben kann, ist nach der Wertung des Gesetzes hinzunehmen10.
Nur so lässt sich ein effektiver Schutz des unter Einwilligungsvorbehalt stehenden geschäftsfähigen Betreuten, der, wie dargelegt, einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen gleichzustellen ist, erreichen11. Gerade wenn der Vertragspartner des Betreuten die Betreuung und den Einwilligungsvorbehalt nicht kennt und keine Rücksicht auf diese Umstände nehmen kann, sieht das Gesetz einen besonderen Schutz für den Betreuten vor. Subjektive, auf die Person des Vertragspartners bezogene Voraussetzungen würden diesen Schutz entgegen der Intension des Gesetzgebers, auch durch Unsicherheiten bei der Beweisführung, einschränken.
Auch die von der Bank erklärte Hilfsaufrechnung mit Bereicherungs- und Schadensersatzansprüchen hat nicht zum Erlöschen des Auszahlungsanspruchs des betreuten Bankkunden geführt.
Die von der Bank erklärte Hilfsaufrechnung scheitert hinsichtlich eines Bereicherungsanspruchs bereits an der fehlenden Gleichartigkeit (§ 387 BGB) der zur Aufrechnung gestellten Ansprüche. Der Bank steht zwar grundsätzlich ein Bereicherungsanspruch gegen den Betreuten zu, da dieser die streitgegenständliche Zahlung mangels Erfüllungswirkung ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Die Bank kann jedoch nur dasjenige herausverlangen, was der Betreute infolge ihrer Zahlung noch in seinem Vermögen hat. Da die ausgezahlten Geldscheine und münzen unstreitig an eine dritte Person übergeben worden sind, ist der Betreute verpflichtet, den ihm zustehenden Bereicherungsanspruch gegen diese Person durch Abtretung an die Bank herauszugeben; dies hat der Betreute der Bank angeboten. Mit diesem Anspruch auf Abtretung kann die Bank nicht gegen den Zahlungsanspruch des Betreuten aufrechnen.
Infolge der Auszahlung hat der Betreute Eigentum an den übereigneten Geldscheinen und münzen erlangt, da die Übereignung als solche lediglich rechtlich vorteilhaft für ihn war und er deshalb ohne Einwilligung seines Betreuers gemäß § 1903 Abs. 3 Satz 1 BGB handeln konnte. Wegen der mangels Empfangszuständigkeit ausgebliebenen Erfüllungswirkung könnte die Bank grundsätzlich die Herausgabe des erlangten Geldbetrages bzw. Zahlung von Wertersatz nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 2 BGB verlangen12 und mit dem Anspruch des Betreuten aufrechnen.
Der Betreute ist aber nicht mehr in der Lage, das ausgezahlte Geld herauszugeben, da er es unstreitig an eine dritte Person weitergegeben hat. Er ist allerdings nicht entreichert im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB, weil ihm aufgrund der Weitergabe ein Herausgabeanspruch gegen den Empfänger des Geldes zusteht. Aufgrund des angeordneten Einwilligungsvorbehalts konnte er nicht wirksam über das Geld verfügen und einen etwaigen Anspruch der dritten Person gegen ihn, anders als die Revision meint, nicht erfüllen. Die Bereicherung entfällt grundsätzlich nicht, wenn der Empfänger infolge der Weitergabe des Erlangten einen Anspruch gegen Dritte als ausgleichenden Wert im Sinne von § 818 Abs. 2 BGB erwirbt13. Etwas anderes gilt nur, wenn der Anspruch gegen den Dritten praktisch wertlos ist14. Dies ist im Streitfall nicht festgestellt oder vorgetragen worden.
Entgegen dem Grundsatz, dass der Bereicherungsschuldner Wertersatz für eine weitergegebene Leistung zu erbringen hat15, kann sich der Betreute aufgrund der Bestellung eines Betreuers und der Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes als besonders schutzwürdiger Schuldner durch die Abtretung des in seinem Vermögen vorhandenen Bereicherungsanspruchs gegen den Dritten befreien16. Wäre ein Geschäftsunfähiger bzw. ein beschränkt Geschäftsfähiger oder der ihnen gleichgestellte Betreute zum Wertersatz verpflichtet, würde der vom Gesetz bezweckte Schutz gerade in den Fällen unterlaufen, in denen sich die Gefahr des Verschleuderns von Vermögenswerten realisiert, weil die Durchsetzung des eigenen Bereicherungsanspruches oft ungewiss und zumindest mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Es käme entgegen der Wertung des Gesetzes zu einer faktischen Geltung des unwirksamen Rechtsgeschäfts, bei der der Schutzwürdige die Gefahr der Realisierung seiner Ansprüche bzw. die Darlegungs- und Beweislast für eine eingetretene Entreicherung tragen würde17. Dieses Ergebnis wäre mit dem gesetzlich bezweckten Schutz nicht voll Geschäftsfähiger nicht zu vereinbaren18.
Auch § 819 Abs. 1 BGB greift nicht ein. Es kommt insoweit auf die Kenntnis des Betreuers an, da andernfalls eine Haftung wie aus dem unwirksamen Rechtsgeschäft begründet und so der Schutzzweck der gesetzlichen Regelung unterlaufen würde19. Der Betreuer des Betreuten hatte aber unstreitig zum Zeitpunkt der Weitergabe des Geldes durch den Betreuten keine Kenntnis von der Abhebung.
Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch der Bank gegen den Betreuten wegen der unterlassenen Mitteilung des Einwilligungsvorbehaltes oder der Abhebung des Geldes ohne Zustimmung des Betreuers scheidet mangels Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB aus. Der Betreute war nicht verpflichtet, die Bank ungefragt über die bestehende Betreuung oder den angeordneten Einwilligungsvorbehalt aufzuklären. Er ist als unter Einwilligungsvorbehalt stehender Betreuter auch in diesem Zusammenhang von Gesetzes wegen wie ein beschränkt Geschäftsfähiger zu behandeln. Ein solcher haftet nicht aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen, wenn er seine Minderjährigkeit verschweigt20. Wegen des Fehlens eines Gutglaubensschutzes im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit besteht grundsätzlich keine Pflicht zur ungefragten Aufklärung des Vertragspartners über die fehlende Geschäftsfähigkeit21. Nichts anderes kann aus Gründen des gesetzlich bezweckten Schutzes des in seiner Geschäftsfähigkeit eingeschränkten Vertragspartners im Rahmen der Nebenpflichten eines im Wege der Erbfolge entstandenen Schuldverhältnisses gelten.
Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder aus § 826 BGB sind bereits deshalb nicht gegeben, weil ein vorsätzliches Verhalten des Betreuten weder festgestellt noch vorgetragen ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. April 2015 – XI ZR 234/14
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11.10.2005 – XI ZR 85/04, BGHZ 164, 275, 278[↩]
- BGH, Urteil vom 20.07.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Rn. 25; BGH, Urteile vom 03.12 1990 – II ZR 215/89, WM 1991, 454, 455; und vom 17.07.2007 – X ZR 31/06, WM 2007, 2030 Rn. 17[↩]
- hM: OLG Brandenburg, Urteil vom 06.03.2007 10 UF 206/06 25; Staudinger/Knothe, BGB, Neubearb.2012, § 107 Rn. 25; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 362 Rn. 4; MünchKomm-BGB/Schmitt, 6. Aufl., § 107 Rn. 43; MünchKomm-BGB/Fetzer, 6. Aufl., § 362 Rn. 12; Looschelders in BeckOGK BGB, Stand 15.11.2014, § 362 Rn. 103 ff.; Kerwer in jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 362 Rn. 26; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 24. Aufl., Rn. 171; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 10. Aufl., Rn. 566; Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 3. Aufl., Rn. 1006; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des BGB, 10. Aufl., Rn. 35; Schmidt, BGB Allgemeiner Teil, 11. Aufl., Rn. 999; Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 38. Aufl., Rn. 286; aA Harder, JuS 1977, 149, 151 f.; van Venrooy, BB 1980, 1017, 1020[↩]
- Looschelders in BeckOGK BGB, aaO, § 362 Rn. 105[↩]
- LSG Berlin, Urteil vom 17.12 2004 L 5 RA 12/03 17[↩]
- aA LG Oldenburg, WM 2013, 1411[↩]
- vgl. BT-Drs. 11/4528, S. 138; OLG Celle DNotZ 2006, 923; Staudinger/Bienwald, BGB, Neubearb.2013, § 1903 Rn. 98; MünchKomm-BGB/Schwab, 6. Aufl., § 1903 Rn. 43; HK-BUR/Bauer/Walther, Stand November 2014, § 1903 BGB Rn. 26; Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Aufl., § 1903 BGB Rn. 23; Müller in BeckOK BGB, Stand 1.11.2014, § 1903 Rn. 15[↩]
- LAG Berlin, Urteil vom 22.06.2006 18 Sa 385/06 55; aA LG Oldenburg, WM 2013, 1411[↩]
- BGH, Urteil vom 12.10.1976 – VI ZR 172/75, WM 1976, 1350, 1351; Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., Einf. v. § 104 Rn. 3; Janda, FamRZ 2013, 16, 21[↩]
- Janda, aaO[↩]
- LAG Berlin, Urteil vom 22.06.2006 18 Sa 385/06 55[↩]
- vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2011 I17 U 15/11 16; Staudinger/Knothe, BGB, Neubearb.2012, § 107 Rn. 25[↩]
- BGH, Urteil vom 15.10.1992 – IX ZR 43/92, WM 1993, 251, 258[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 29.05.1978 – II ZR 166/77, BGHZ 72, 9, 13; und vom 10.07.1980 – III ZR 177/78, WM 1980, 1111, 1113; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1995, 1348[↩]
- BGH, Urteil vom 17.01.2003 – V ZR 235/02, WM 2003, 1488, 1489; OLG München, MDR 1998, 1345[↩]
- vgl. für Minderjährige: OLG Nürnberg, WM 1990, 307, 308; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 818 Rn. 44; Bamberger/Roth/Wendehorst, BGB, 3. Aufl., § 818 Rn. 43[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17.01.2003 – V ZR 235/02, WM 2003, 1488[↩]
- so auch zur Nichtanwendbarkeit der Saldotheorie in diesen Fällen: BGH, Urteil vom 04.05.1994 – VIII ZR 309/93, BGHZ 126, 105, 108[↩]
- vgl. für Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige: OLG Nürnberg, WM 1990, 307, 308; KG, NJW 1998, 2911; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 819 Rn. 4; Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearb.2007, § 819 Rn. 10[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Schmitt, 6. Aufl., § 106 Rn. 16[↩]
- OLG Hamm, NJW 1966, 2357, 2359; MünchKomm-BGB/Schmitt, aaO, § 106 Rn. 18[↩]