Zurückverweisung durch das Berufungsgericht

Eine Zurückverweisung durch das Berufungsgericht ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil den Parteien aufgrund eines Verfahrensmangels des erstinstanzlichen Verfahrens Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben ist und danach möglicherweise eine Beweisaufnahme erforderlich wird.

Zurückverweisung durch das Berufungsgericht

Nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist eine Zurückverweisung möglich, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

Im vorliegenden Fall hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg im Verfahren erster Instanz einen wesentlichen Mangel gesehen1. Das Landgericht Hamburg hat sich verfahrensfehlerhaft auf die Gerichtskundigkeit der Rückzahlungen gestützt. Offenkundige Tatsachen müssen wie alle Urteilsgrundlagen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht werden2. Das ist nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht geschehen. Damit hat das Landgericht gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen. Ein Gehörsverstoß ist grundsätzlich ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S.v. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO3.

Das OLG Hamburg hat aber nach Ansicht des Bundesgerichshofs rechtsfehlerhaft für die Zurückverweisung eine umfangreiche Verfahrensfortführung einschließlich einer wahrscheinlichen Beweisaufnahme genügen lassen. Voraussetzung der Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist, dass aufgrund des Verfahrensmangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Dass den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben ist und danach möglicherweise eine Beweisaufnahme erforderlich wird, genügt für eine Zurückverweisung nicht.

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Die Voraussetzungen einer Zurückverweisung liegen schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht nur für den Hilfsantrag eine Beweisaufnahme für wahrscheinlich hielt. Auf eine durch den Hilfsantrag, der sich auf die Darlehensvergabe und damit einen anderen Sachverhalt als der Hauptantrag bezieht, veranlasste Beweisaufnahme kommt es aus Rechtsgründen nicht an. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO verlangt, dass gerade aufgrund des Verfahrensmangels eine Beweisaufnahme notwendig wird. Bewertet das Berufungsgericht das Parteivorbringen materiellrechtlich anders als das Erstgericht, indem es z.B. an die Schlüssigkeit oder die Substantiierung andere Anforderungen als das Erstgericht stellt, liegt ein zur Aufhebung und Zurückverweisung berechtigender wesentlicher Verfahrensmangel auch dann nicht vor, wenn infolge der abweichenden Beurteilung eine Beweisaufnahme erforderlich wird4. Das Landgericht hat den Vortrag zum Schaden im Hauptantrag für schlüssig und sogar für bewiesen gehalten. Das Berufungsgericht erachtet ihn als unschlüssig, jedenfalls als unsubstantiiert. Damit weicht es in der rechtlichen Beurteilung vom Landgericht ab. Wenn danach nach Abweisung des Hauptantrags über den Hilfsantrag zu entscheiden ist, ist ein anderer Sachverhalt zu beurteilen.

Aber selbst wenn man eine durch den Hilfsantrag erforderlich gewordene Beweisaufnahme für ausreichend erachten würde, wäre die Voraussetzung des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht erfüllt. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass insoweit eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig wird, sondern lediglich eine umfangreiche bzw. aufwändige Verfahrensfortführung einschließlich einer wahrscheinlichen Beweisaufnahme für erforderlich erachtet. Von einer umfangreichen bzw. aufwändigen Verfahrensfortführung ist es ausgegangen, weil es hinsichtlich des Hilfsvorbringens des Klägers noch erheblichen Vortrags der Parteien zu den ihnen jeweils günstigen Tatsachen bedürfe. Das Berufungsgericht hat danach eine Beweisaufnahme lediglich für wahrscheinlich oder möglich gehalten, wenn der Kläger und die Beklagten weiteren Vortrag gehalten haben. Nach Wortlaut und Sinn von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, den Aufwand mehrfacher Bearbeitung klein zu halten und Verfahrensverzögerungen durch Hin- und Herschieben von Fällen in den Instanzen zu vermeiden, genügt es nicht, dass die Parteien ihren Vortrag noch näher substantiieren müssen.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Mai 2013 – II ZR 76/12

  1. OLG Hamburg, Urteil vom 10.02.2012 – 11 U 159/10[]
  2. BVerfG, NJW-RR 1996, 183, 184; BGH, Urteil vom 06.05.1993 – I ZR 84/91, WM 1993, 1725, 1726 f.[]
  3. BGH, Urteil vom 01.02.2010 – II ZR 209/08, ZIP 2010, 776 Rn. 15[]
  4. BGH, Urteil vom 01.02.2010 – II ZR 209/08, ZIP 2010, 776 Rn. 14[]