Zustellung gegen Empfangsbekenntnis – und das Zustellungsdatum

Zwar setzt die von der Geschäftsstelle des Landgerichts nach § 168 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewählte Zustellung des Urteils gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 174 Abs. 1 ZPO zu ihrer Wirksamkeit voraus, dass der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegennimmt, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, und dies durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses beurkundet1.

Zustellung gegen Empfangsbekenntnis – und das Zustellungsdatum

Zugleich ist aber auch höchstrichterlich geklärt, dass allein der Umstand, dass der Rechtsanwalt – wie hier – eine Rücksendung des ihm zu Zwecken der Beurkundung des Zustellungsempfangs übermittelten Empfangsbekenntnisses unterlässt, eine Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 189 ZPO nicht hindert, wenn neben dem tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks die weiter erforderliche Empfangsbereitschaft des Zustellungsempfängers anderweit festgestellt werden kann2.

Ein solcher Fall liegt in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vor: Nach § 189 ZPO gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beklagten zu ihrem Wiedereinsetzungsantrag und der hierzu vorgelegten Unterlagen festgestellt, dass ihr erstinstanzlicher Prozessbevollmächtigter das ihm vom Landgericht übermittelte Urteil spätestens am 12.08.2013 in den Händen gehabt und seiner Partei an diesem Tage auf entsprechende Nachfrage zur Verfügung gestellt hat.

Denn dass die dafür nach § 168 Abs. 1 Satz 1 ZPO berufene Geschäftsstelle des Landgerichts das zuzustellende Urteil nebst Empfangskenntnis am 24.07.2013 an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten zum Zwecke der Zustellung abgesandt hat, ist in den Akten durch entsprechenden Absendevermerk dokumentiert. Wie das zuzustellende Urteil im Einzelnen zu seinem Adressaten gelangt und wann genau es bei ihm eingegangen ist, ist für den in Rede stehenden Lauf der Berufungsfrist ohne Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass er am 12.08.2013 im Besitz des zuzustellenden Urteils war und dass ein anderer Weg der Besitzerlangung als durch die vom Landgericht veranlasste Zustellung weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich ist.

Dagegen kann nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch nicht gerügt werden, dass das Berufungsgericht allein die tatsächliche Besitzerlangung am zuzustellenden Urteil für die Wirksamkeit der Zustellung als maßgeblich angesehen und dabei das Erfordernis einer demgemäß auch nicht festgestellten Empfangsbereitschaft des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten übersehen habe; die fehlende Rücksendung des Empfangsbekenntnisses sei dabei sogar als Zeichen fehlender Empfangsbereitschaft zu werten. Denn auch dem ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ungeachtet einer fehlenden Erörterung des § 189 ZPO nicht zu folgen.

Zwar kann die für eine Zustellung nach § 174 ZPO erforderliche Empfangsbereitschaft nicht allein durch den bloßen Nachweis des tatsächlichen Zugangs im Sinne von § 189 ZPO ersetzt werden. Hinzukommen muss noch die zumindest konkludente Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegen zu nehmen3. Allerdings lässt die fehlende Zurücksendung des Empfangsbekenntnisses für sich genommen keinen entscheidend gegen eine fehlende Empfangsbereitschaft sprechenden Willen des Adressaten erkennen. Denn von einer Weigerung, das zuzustellende Schriftstück in Empfang zu nehmen, kann auch bei fehlender Rücksendung eines unterschriebenen Empfangsbekenntnisses nicht ausgegangen werden, wenn die Gesamtumstände gleichwohl in gegenteilige Richtung weisen und hinreichend zuverlässig auf die Empfangsbereitschaft des Adressaten schließen lassen4. Ein hierbei vom Adressaten abweichend oder gegenteilig gebildeter Wille, das ihm übersandte Schriftstück (noch) nicht als zugestellt betrachten zu wollen, ist unbeachtlich, wenn er nach außen keinen Ausdruck gefunden hat5.

Umstände, die hinreichend zuverlässig auf eine Empfangsbereitschaft des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten schließen lassen, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Denn die Tatsache, dass der Prozessbevollmächtigte die erfolgte Urteilszustellung ungeachtet der unterlassenen Rücksendung des Empfangsbekenntnisses zur weiteren Grundlage seines Vorgehens gemacht hat, indem er das Urteil den Beklagten zur Verfügung gestellt, ihnen zur Berufungseinlegung geraten und einen dahin gehenden Auftrag entgegen genommen hat, lässt den sicheren Schluss zu, dass er die Zustellung gegen sich gelten lassen und seine Empfangsbereitschaft nicht in Frage stellen wollte.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VIII ZB 55/14

  1. BGH, Beschluss vom 19.04.2012 – IX ZB 303/11, WM 2012, 1210 Rn. 6; Urteile vom 14.09.2011 – XII ZR 168/09, NJW 2011, 3581 Rn. 16; vom 07.12 2009 – II ZR 139/08 12; jeweils mwN[]
  2. BGH, Urteil vom 22.11.1988 – VI ZR 226/87, WM 1989, 238 unter – II 2; BVerwG, NJW 2007, 3223[]
  3. BGH, Urteil vom 22.11.1988 – VI ZR 226/87, aaO; BVerwG, Urteil vom 29.04.2011 – 8 B 86/10 6 f.; jeweils mwN[]
  4. BVerwG, NJW 2007, aaO[]
  5. vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.10.1984 – 1 B 57/84 8[]