Die klagende Sozialkasse hat ihre Klage nicht geändert, indem sie sich in der Berufungsinstanz erstmals auch auf das SokaSiG als Geltungsgrund für die Verfahrenstarifverträge berufen hat.
Die Sozialkasse hatte im hier entschiedenen Fall bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz an den Allgemeinverbindlicherklärungen als Geltungsgründen festgehalten. Im zweiten Rechtszug hat sie sich auch auf das SokaSiG berufen.
Es handelt sich um eine Anspruchskonkurrenz innerhalb desselben Streitgegenstands. Beitragsansprüche nach den Verfahrenstarifverträgen, für deren Geltungserstreckung sowohl eine Allgemeinverbindlicherklärung als auch § 7 SokaSiG in Betracht kommen, werden von demselben den Streitgegenstand umgrenzenden Lebenssachverhalt erfasst1.
Das Bundesarbeitsgericht muss nicht darüber entscheiden, ob die weiteren von der Sozialkasse herangezogenen Anspruchsgrundlagen – die materiell-rechtlichen Tarifverträge des Baugewerbes und ein aus seiner Sicht nachwirkender VTV – andere Streitgegenstände sind. Es handelte sich jedenfalls nicht um eine mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unvereinbare alternative Klagehäufung2. Die Sozialkasse hat im vorliegenden Fall eine Rangfolge der Anspruchsgrundlagen gebildet und sich zuletzt vorrangig auf das SokaSiG, vorsorglich auf die materiell-rechtlichen Tarifverträge und hilfsweise auf einen – vermeintlich – nachwirkenden Verfahrenstarifvertrag gestützt.
Auch die Verjährung wurde durch die Zustellung der Mahnbescheide nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt. Dem steht nicht entgegen, dass die Sozialkasse zur Begründung der Ansprüche als Geltungsgrund der Verfahrenstarifverträge zunächst die Allgemeinverbindlicherklärung und erst im Verlauf des Rechtsstreits das SokaSiG herangezogen hat. Bei den Beitragsansprüchen handelt es sich um denselben Streitgegenstand, unabhängig davon, ob die Verfahrenstarifverträge aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung oder nach § 7 SokaSiG zur Anwendung kommen (BAG 30. Oktober 2019 – 10 AZR 567/17 – Rn. 37; 27. März 2019 – 10 AZR 318/17 – Rn. 46).
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Januar 2020 – 10 AZR 387/18
- BAG 30.10.2019 – 10 AZR 177/18, Rn. 26; 28.08.2019 – 10 AZR 549/18, Rn. 14; 3.07.2019 – 10 AZR 498/17, Rn. 27; 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 12; 27.03.2019 – 10 AZR 318/17, Rn. 15; 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 18 ff., BAGE 164, 201[↩]
- vgl. BAG 30.10.2019 – 10 AZR 177/18, Rn. 27; 3.07.2019 – 10 AZR 499/17, Rn. 40; 2.08.2018 – 6 AZR 437/17, Rn. 18 mwN, BAGE 163, 205; BGH 21.11.2017 – II ZR 180/15, Rn. 8[↩]
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