Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 15.05.20121 ausgeführt, eine vor dem RV – Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 entstandene Versorgungsordnung, die für den Eintritt des Versorgungsfalles auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstelle, sei regelmäßig dahingehend auszulegen, dass damit auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach §§ 35, 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Bezug genommen werde.

Die Versorgungsregelung sei auszulegen und führe zu einem schrittweisen Anheben der Altersgrenze bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres; die Benennung der Vollendung des 65. Lebensjahres stelle eine dynamische Verweisung auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (§§ 35, 235 Abs.2 Satz 2 SGB VI) dar.
Dies leitete das Bundesarbeitsgericht einerseits daraus ab, dass die Regelaltersgrenze 65 in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits seit 1916 bestanden habe und andererseits daraus, dass der mutmaßliche Wille des Arbeitgebers nicht dahingehe, die Betriebsrente schon zu einem Zeitpunkt zu zahlen, in dem noch keine Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung beansprucht (und angerechnet) werden könne. Dies entspreche schließlich auch dem gesetzgeberischen Willen, der sich aus der Änderung des § 2 BetrAVG durch das „RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz“ ergäbe. Die Anhebung der gesetzlichen Altersgrenzen habe in der gesetzlichen Rentenversicherung auch in den Systemen der betrieblichen Altersversorgung nachvollzogen werden sollen.
Mit dem Bundesarbeitsgericht wird man eine dynamische Verweisung auf die gesetzliche Rentenversicherung zumindest bei Vorliegen besonderer Umstände unterstellen können, wie dies bei dem vorliegenden Gesamtversorgungssystem der Fall ist. Die Abhängigkeit der Versorgungsleistung von der gesetzlichen Rente führt im Gesamtversorgungssystem zwangsläufig zu einem Gleichlauf der zeitlichen Leistungsvoraussetzungen, sodass insoweit eine dynamische Verweisung systemimmanent ist2.
Diese Auslegung gilt nicht nur für die Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung eines Ruhegehaltes nach Vollendung des 65. Lebensjahres und eines vorgezogenen betrieblichen Altersruhegeldes vor Vollendung des 65. Lebensjahres, sondern auch für die Kürzung des vorgezogenen Ruhegehalts für jeden Monat des Bezuges vor Vollendung des 65. Lebensjahres. Wird ein Begriff mehrfach in einer Betriebsvereinbarung verwendet, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Betriebsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung stets dieselbe Bedeutung beimessen wollen.
Das gefundene Auslegungsergebnis entspricht dem Willen des Gesetzgebers; § 236b SGB VI soll nach der Gesetzesbegründung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung keinerlei Wirkung entfalten. Der Gesetzgeber hat insoweit ausgeführt, die Stärken der betrieblichen Altersversorgung lägen in betriebsbezogenen und passgenauen Versorgungslösungen. Eine Übertragung der als Übergangsregelung angelegten Sonderregelung würde diese Flexibilität einschränken und zu einer weiteren Verkomplizierung der Rahmenbedingungen für die betriebliche Altersversorgung beitragen3.
Schließlich ist auch die Höhe des im vorliegenden Fall vorgenommenen versicherungsmathematischen Abschlags nicht zu beanstanden. Ein Abschlag von 0, 5 % pro Monat der vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente ist allgemein üblich und wird als angemessen akzeptiert. Eine Kürzung in diesem Umfang hat nicht nur in der ständigen Rechtsprechung des 3. Landessozialgerichts Billigung gefunden4. Sie entspricht auch der Handhabung durch den Pensionssicherungsverein als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung5.
Dass versicherungsmathematische Abschläge der Billigkeit entsprechen, zeigt auch die Einführung vergleichbarer Zugangsfaktoren in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das RRG 1992 (§ 77 SGB VI). Die Zugangsfaktoren in der gesetzlichen Rentenversicherung sind jedoch nicht versicherungsmathematisch berechnet. Insofern wird die Rechtmäßigkeit höherer versicherungsmathematischer Abschläge in der betrieblichen Altersversorgung nicht dadurch berührt, dass der Gesetzgeber für die gesetzliche Rentenversicherung den Abschlag auf 0, 3 % für jeden Monat des vorzeitigen Rentenbezugs festgesetzt hat.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 1. Februar 2018 – 4 Sa 48/17 B