Hat der Arbeitgeber einen Abschleppfahrer zwar nicht unmittelbar angewiesen, sich im Rahmen eines „Bereitschaftsdienstes“ an einem vom Arbeitgeber vorbestimmten Ort zur Arbeitsaufnahme bereit halten, so kann gleichwohl ein als Arbeitszeit zu vergütender Bereitschaftsdienst vorliegen, wenn es andere Vorgaben gibt, die den Arbeitnehmer in seinem Freizeitverhalten erheblich einschränken und mittelbar doch wie eine Anweisung eines Aufenthaltsortes wirken. Ist im Arbeitsvertrag pauschal vereinbart, dass sämtlicher Bereitschaftsdienst „nach Bedarf und Auftragslage“ im Lohn enthalten sein soll, so stellt diese Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne des § 307 BGB dar.

Mit dieser Begründung bejahte jetzt das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern die Vergütungsanspruch im hier entschiedenen Fall, da der Arbeitnehmer das Abschleppfahrzeug mit nach Hause nehmen musste und enge Zeitvorgaben es erforderten, sich für den Fall eines Anrufes in der Nähe des Abschleppfahrzeuges aufzuhalten.
Die Einordnung gewisser Zeiten in Bereitschaftsdienst oder aber Rufbereitschaft bemisst sich danach, ob der Arbeitgeber einen gewissen Ort angewiesen hat, an welchem sich der Arbeitnehmer aufzuhalten hat, um sodann auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. In letzterem Fall liegt Bereitschaftsdienst vor. Allerdings kann Bereitschaftsdienst auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber zwar keine Vorgabe hinsichtlich des Aufenthaltsortes macht, der Arbeitnehmer auf Grund enger zeitlicher Vorgaben bezüglich der Arbeitsaufnahme jedoch mittelbar gezwungen ist, sich an einem gewissen Ort aufzuhalten, der Arbeitnehmer in seinem Freizeitverhalten mithin ebenfalls erheblich eingeschränkt ist.
Gemessen an vorgenannten Maßstäben lag im vorliegen Fall Bereitschaftsdienst vor. Der Abschleppfahrer musste auf Anforderung des Arbeitgeberin tätig werden, d. h. unmittelbare Arbeitsleistung erbringen. Dies erfolgte für die streitgegenständlichen Zeiträume (00:00 Uhr bis 08:00 Uhr und 17:00 Uhr bis 24:00 Uhr) außerhalb der vom Abschleppfahrer benannten Normalarbeitszeit (08:00 Uhr bis 17:00 Uhr), welche der arbeitsvertraglichen Vereinbarung von 42 Wochenstunden entspricht. Im Übrigen wäre es nach dem Vortrag des Arbeitgeberin, wonach der Abschleppfahrer nur von zu Hause gearbeitet habe, sogar nicht von Relevanz, welcher Zeitraum eines Tages der Zeitraum der Normalarbeitszeit war. Denn nach dem Vortrag des Arbeitgeberin hätte der Abschleppfahrer von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr durchgehend dieselbe Art von Verpflichtung gegenüber dem Arbeitgeberin gehabt. Dann hätte sich innerhalb eines Tages Normalarbeitszeit und möglicher Bereitschaftsdienst nicht unterschieden. Mengenmäßig führt der Vortrag des Arbeitgeberin jedoch zu keinerlei Unterschieden, da nur 42 Stunden in der Woche als vertragliche Normalarbeitszeit zu werten sind.
Soweit sich der Abschleppfahrer zu Hause aufhielt und auf einen Einsatz wartete, ist auch von vergütungspflichtigem Bereitschaftsdienst auszugehen. Zwar hatte der Arbeitgeberin dem Abschleppfahrer keine ausdrücklichen Vorgaben dahingehend gemacht, an welcher Örtlichkeit der Abschleppfahrer sich aufhalten solle. Allerdings war der Abschleppfahrer durch weitergehende Umstände in einen solchem Maße an den Arbeitgeberin gebunden, dass seine sogenannte Dienstzeit zu Hause als Bereitschaftsdienst und damit auch als Arbeitszeit zu werten ist. Denn der Abschleppfahrer musste einerseits das Abschleppfahrzeug des Arbeitgeberin mit nach Hause nehmen. Andererseits musste der Abschleppfahrer aber auch nach dem bis zum Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht noch unstreitigen Vortrag binnen einer halben Stunde beim Sitz des Arbeitgeberin sein. Nach dem in der letzten Verhandlung plötzlich neuen (und insoweit gegebenenfalls verspäteten) Vortrag des Arbeitgeberin sollte der Abschleppfahrer von zu Hause direkt zur Abschleppstelle fahren. Aber auch im letzteren Fall war es so, dass der Abschleppfahrer schnellstmöglich die Abschleppstelle unmittelbar anfahren musste. Der Arbeitgeberin hatte in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts eine Richtzeit von 1, 5 Stunden für die Voll-Erledigung eines Abschleppauftrages benannt. War der Abschleppfahrer jedoch gezwungen, binnen kurzfristiger Zeit entweder zunächst am Sitz des Arbeitgeberin oder aber direkt an der Abschleppstelle zu erscheinen, so war der Abschleppfahrer insoweit eingeschränkt, als dass er sich an solchen Orten aufhalten musste, die ein entsprechend schnelles Anfahren nach einem Anruf ermöglichten. Dem Abschleppfahrer war es somit nicht möglich, im Rahmen üblichen Freizeitverhaltens etwa ein Konzert in H. oder ein Fußballspiel in R. zu besuchen. Erschwerend kam hinzu, dass der Abschleppfahrer für die Arbeitsleistung auf das Abschleppfahrzeug angewiesen war, welches sich bei ihm zu Hause befand. Der Abschleppfahrer musste also immer mit einkalkulieren, dass er sich nicht von seinem aktuellen Aufenthaltsort unmittelbar zum Sitz des Arbeitgeberin oder aber zur Abschleppstelle bewegen konnte. Vielmehr musste sich der Abschleppfahrer innerhalb der kurzen Zeit zunächst noch nach Hause bewegen, um von dort mit dem Abschleppfahrzeug abzufahren. Soweit der Arbeitgeberin vielleicht daran denken sollte, dass der Abschleppfahrer das Abschleppfahrzeug während seines Dienstes doch überall hin hätte mitnehmen können, ist dem entgegenzuhalten, dass es dem Abschleppfahrer im Rahmen einer eventuellen Freizeit nicht zuzumuten wäre, mit seiner Familie zu Einkäufen und sonstigen Freizeitaktivitäten mit dem Abschleppfahrzeug zu erscheinen.
Soweit der Arbeitgeberin einwandte, dass der Abschleppfahrer auch an seinen Diensttagen einmal zum Arzt gehen durfte oder an einer Fahrschule teilnehmen konnte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn dieser Einwand führt nicht dazu, dass der Abschleppfahrer nicht generell gegenüber dem Arbeitgeberin zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen wäre, weil es ihm frei gestanden hätte, auch an eingeteilten Diensttagen frei zu entscheiden, ob er nun einem Abschleppauftrag folgen wolle oder nicht. Der Arbeitgeberin hatte dem Abschleppfahrer hier nur nach Absprache gewisse Freistellungen gewährt und einen anderen Abschleppfahrer während eines Arztbesuches des Abschleppfahrers angefunkt. Hier hätte gegebenenfalls darüber nachgedacht werden können, konkret solche Stunden aus der vergütungspflichtigen Zeit herauszurechnen. Dafür hätten jedoch konkrete Stunden benannt werden müssen.
Im Ergebnis hat der Abschleppfahrer somit an den prozessual unstreitig vorgetragenen Diensttagen jeweils auch im vorgetragenen Umfang Bereitschaftsdienste geleistet. Denn es war unstreitig, dass der Abschleppfahrer im Umfang von 24 Stunden zumindest „Dienst“ hatte, wenn nicht sogar dazwischen Vollzeitarbeit geleistet hatte.
Bereitschaftsdienste, innerhalb derer sich der Arbeitnehmer in einem eng gesteckten Rahmen für den Arbeitgeber bereit hält, sind Arbeitszeit. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass als Arbeitszeit nicht nur solche Zeiten gelten, in denen der Arbeitnehmer während seines Bereitschaftsdienstes zu einer tatsächlichen Arbeitsleistung herangezogen wird. Gerade der Umstand, dass der Arbeitnehmer schon generell im Bereitschaftsdienst auf Anweisung des Arbeitgebers für diesen in einem eng gesteckten Rahmen bereit steht und insoweit nicht frei in seiner Freizeitgestaltung ist, führt dazu, dass der gesamte Bereitschaftsdienst und nicht nur die Zeiten der tatsächlichen Arbeitsleistung als vergütungspflichtige Arbeitszeit zählen ist.
Handelt es sich beim Bereitschaftsdienst um Arbeitszeit, so folgt aus §§ 611, 612 BGB, dass Arbeitszeit zu vergüten ist. Dabei können die Arbeitsvertragsparteien für die Zeiten des Bereitschaftsdienstes auf Grund der nicht dauerhaft vollen Belastung mit tatsächlicher Arbeitsleistung auch eine geringere Vergütung als die Normalvergütung für volle Arbeitsleistung vereinbaren. Ist eine gesonderte, verringerte Vergütung jedoch nicht vereinbart worden, so ist die Bereitschaftszeit als Arbeitszeit wie auch jegliche andere Arbeitszeit zu vergüten. Die Höhe dieser Vergütung ergibt sich somit aus der Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien zur Normalarbeitszeit.
Im vorliegenden Fall haben die Arbeitsvertragsparteien keine gesonderte Vereinbarung dahingehend getroffen, in welcher Höhe Bereitschaftsdienste außerhalb der vertraglich vereinbarten Normalarbeitszeit von 42 Wochenstunden vergütet werden sollen. Mithin sind auch die hier streitgegenständlichen Bereitschaftszeiten so zu vergüten wie die Normalarbeitszeit. Unstreitig hat der Abschleppfahrer eine Stundenvergütung von 8, 79 Euro brutto ermittelt. Soweit der Abschleppfahrer für die streitgegenständlichen Zeiträume nur eine Vergütung in Höhe von 20 Prozent der Normalvergütung verlangt, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden, da der Abschleppfahrer – wie zuvor dargestellt – sogar mehr hätte verlangen können. Aus § 308 ZPO folgt, dass dem Abschleppfahrer Ansprüche nur in der Höhe zugesprochen werden können, wie dies auch vom Abschleppfahrer beantragt war.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg ‑Vorpommern, Urteil vom 16. April 2015 – 5 Sa 239/14
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