Das Bundesverfassungsgericht hat einer sechs Jahre alten Verfassungsbeschwerde eines kirchlichen Arbeitgebers stattgegeben, die sich gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts richtet. Mit dem angegriffenen Urteil – dem eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union vorausgegangen war – hatte das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil er eine konfessionslose Bewerberin für eine ausgeschriebene Stelle nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen habe und eine damit einhergehende Vermutung einer Benachteiligung wegen der Religion nicht gerechtfertigt werden könne und nicht widerlegt worden sei.
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts verletzt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts den kirchlichen Arbeitgeber (die Diakonie) in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV), weil die bei der Anwendung der Schrankenbestimmung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vorgenommene Güterabwägung dem religiösen Selbstbestimmungsrecht des Arbeitgebers nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trägt
Das Bundesverfassungsgericht prüft innerstaatliches Recht und dessen Anwendung grundsätzlich auch dann am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, wenn es im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegt, durch dieses aber nicht vollständig determiniert ist. Die hier maßgeblichen Normen der Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Reichweite des religiösen Selbstbestimmungsrechts im Bereich des religiösen Arbeitsrechts belassen den Mitgliedstaaten bei ihrer Durchführung Gestaltungsspielräume. Innerhalb des vom unionalen Fachrecht in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union vorgegebenen Rahmens indizieren diese Gestaltungsspielräume Grundrechts-pluralität. In der Folge kann es angesichts der unterschiedlichen religionsverfassungsrechtlichen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten zu voneinander abweichenden Wertungen bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter im Bereich des religiösen Arbeitsrechts kommen.
Das religiöse Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum Grundauftrag der Religionsgemeinschaft dienen. Darunter fällt auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch die Auswahl der Arbeitnehmer und den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge.
Die bindenden Anforderungen von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union lassen sich über eine unionsrechtskonforme Auslegung der einschlägigen nationalen Bestimmungen umsetzen. Dies führt zu einer Konkretisierung der bisherigen verfassungsgerichtlichen Maßstäbe für die Zweistufenprüfung auf der Ebene der Beschränkung des religiösen Selbstbestimmungsrechts.
Die erste Stufe der Schrankenziehung erfährt insoweit eine Schärfung, als ausgehend vom Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft eine wirksame gerichtliche Kontrolle dahingehend erfolgt, inwieweit sich aus der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung objektiv ein direkter Zusammenhang zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung – hier der Kirchenmitgliedschaft – und der fraglichen Tätigkeit ergibt. Der Religionsgemeinschaft obliegt es, diesen Zusammenhang für die konkret betroffene Tätigkeit im Hinblick auf ihr religiöses Selbstverständnis plausibel darzulegen.
Die auf der zweiten Stufe erfolgende Gesamtabwägung der betroffenen rechtlichen Belange erfährt eine Konturierung dahingehend, dass die in Rede stehende berufliche Anforderung im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit für die Wahrung des religiösen Selbstverständnisses verhältnismäßig sein muss. Dies lässt es – im Einklang mit der Offenheit des Unionsrechts für die unterschiedlichen grundrechtlichen Wertungen der Mitgliedstaaten – weiterhin zu, dem religiösen Selbstverständnis aufgrund seiner Nähe zum vorbehaltlos gewährten Recht auf korporative Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) ein besonderes Gewicht beizumessen.
Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen, desto mehr Gewicht besitzt dieser Umstand und ein daraus abgeleitetes Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft. Je weniger Relevanz die jeweilige Position für die Verwirklichung des religiösen Ethos hat, desto eher wird dem Diskriminierungsschutz der Vorzug zu geben sein. Dessen hoher verfassungsrechtlicher Bedeutung ist bei der Abwägung durch die Gerichte Rechnung zu tragen.
Im Hinblick auf die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften im Bereich des Arbeitsrechts bestehen keine unüberwindbaren Widersprüche zwischen dem nationalen Verfassungsrecht und dem Unionsrecht.
Im Einklang mit den einschlägigen Gewährleistungen der Grundrechtecharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention unterscheiden Verfassungsrecht wie Unionsrecht grundsätzlich zwischen einer unzulässigen theologischen Bewertung des religiösen Ethos durch die staatlichen Gerichte einerseits und der rechtsstaatlichen Beschränkung der Durchsetzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts im Bereich des staatlichen (Gleichbehandlungs-)Rechts andererseits.
Bei dem nach grundrechtlichen Maßstäben vorzunehmenden Ausgleich zwischen den Belangen religiöser Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ist das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union aus dem Vorlageverfahren zu berücksichtigen. Dies führt zu einer Konkretisierung der bisherigen verfassungsgerichtlichen Maßstäbe für die Zweistufenprüfung auf der Ebene der Beschränkung des religiösen Selbstbestimmungsrechts. Die Anpassung der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts an die Vorgaben des unionsrechtlichen Rahmens ist hierbei kraft des Vorrangs des Unionsrechts zwingend. Der Vorrang des Unionsrechts entfällt vorliegend auch nicht, da das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union keinen Ultra-vires-Akt darstellt. Es bestehen auch im Hinblick auf die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften im Bereich des Arbeitsrechts keine unüberwindbaren Widersprüche zwischen dem nationalen Verfassungsrecht und dem Unionsrecht.
Inhaltsübersicht
- Der Ausgangssachverhalt
- Die Entscheidung der Fachgerichte
- Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Der Ausgangssachverhalt
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein kirchlicher Arbeitgeber für eine konkret zu besetzende Stelle die Mitgliedschaft in der Kirche verlangen darf und inwieweit die staatlichen Gerichte dies im Hinblick auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht überprüfen können.
Der Arbeitgeber, das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) ist ein kirchlicher Arbeitgeber. In einer Ausschreibung für eine Projektstelle gab der Arbeitgeber unter anderem an: „Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus.“. Die konfessionslose Bewerberin des Ausgangsverfahrens bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle, ohne sich zu ihrer Religionszugehörigkeit zu äußern. Sie wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie erhob daraufhin Klage zum Arbeitsgericht Berlin und verlangte vom Arbeitgeber gemäß § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung, weil sie aus religiösen Gründen benachteiligt worden sei.
Die Entscheidung der Fachgerichte
Nachdem das Arbeitsgericht Berlin der Bewerberin eine Entschädigung zusprach1, wies das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg auf die Berufung der Diakonie die Klage ab2. Ein Anspruch bestehe nicht, weil die unterschiedliche Behandlung wegen der Religion jedenfalls nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG gerechtfertigt sei.
Im Rahmen des von der Bewerberin angestrengten Revisionsverfahrens leitete das Bundesarbeitsgericht ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ein3.
Das Bundesarbeitsgericht legte dem Gerichtshof folgende Fragen vor:
- Ist Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber, wie der Beklagte des vorliegenden Falles, – beziehungsweise die Kirche für ihn – verbindlich selbst bestimmen kann, ob eine bestimmte Religion eines Bewerbers nach der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts seines/ihres Ethos darstellt?
- Sofern die erste Frage verneint wird:Muss eine Bestimmung des nationalen Rechts – wie hier § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen auch zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses dieser Religionsgemeinschaft im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt, in einem Rechtsstreit wie hier unangewendet bleiben?
- Sofern die erste Frage verneint wird, zudem:Welche Anforderungen sind an die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zu stellen?
Es sei notwendig, so das Bundesarbeitsgericht, die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) klären zu lassen. Der Bedeutungsgehalt dieser Bestimmung sei ausschlaggebend für die Auslegung von § 9 Abs. 1 AGG und insbesondere sei zu klären, welche Anforderungen an die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation gemäß Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie zu stellen seien und ob den staatlichen Gerichten eine umfassende Kontrolle obliege.
Mit Urteil vom 17.04.2018 erkannte der Gerichtshof der Europäischen Union, dass die Ablehnung eines Bewerbers mit der Begründung, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation, Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können muss4. Die Kontrolle der Einhaltung der in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie festgelegten Kriterien liefe ins Leere, wenn sie in Zweifelsfällen keiner unabhängigen Stelle wie einem staatlichen Gericht obläge. Bei der Auslegung des Begriffs „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung“ in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie müssten die Gerichte einerseits beachten, dass die Legitimität des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation nicht beurteilt werden dürfe, andererseits, dass das Recht der Arbeitnehmer, wegen der Religion keine Diskriminierung zu erfahren, nicht verletzt werde. Es obliege den nationalen Gerichten zu entscheiden, ob und inwieweit eine nationale Rechtsvorschrift wie § 9 Abs. 1 AGG im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie ausgelegt werden könne oder unangewendet bleiben müsse.
Mit dem hier angegriffenem Urteil verurteilte das Bundesarbeitsgericht daraufhin den kirchlichen Arbeitgeber, an die Bewerberin eine Entschädigung zu zahlen5. § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG sei nicht mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar und müsse unangewendet bleiben. Auch § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG könne die unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nicht rechtfertigen. Zwar bestehe vorliegend ein direkter Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung und der ausgeschriebenen Tätigkeit. Auch unter Beachtung des Selbstverständnisses der Religionsgemeinschaft stelle sich die Kirchenmitgliedschaft nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung jedoch nicht als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung dar.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom 16.03.2019 wendet sich der kirchliche Arbeitgeber gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.10.2018. Als mittelbaren Beschwerdegegenstand benennt er darüber hinaus das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.04.2018. Er macht geltend, in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG (inzidente Ultra-vires-Rüge), in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 1 und 2 und Art. 79 Abs. 3 GG (prinzipale Ultra-vires-Rüge) sowie in Art. 1 Abs. 1, Art.20 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 79 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 1 GG (Identitätsrüge) verletzt zu sein.
Auf die Verfassungsbeschwerde der Bewerberin stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das Urteil des Bundesarbeitsgerichts den kirchlichen Arbeitgeberin in seinem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 140 des Grundgesetzes und Artikel 137 Absatz 3 der deutschen Verfassung vom 11.08.1919 (Weimarer Reichsverfassung) verletze. Das Bundesverfassungsgericht hob daher das Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf und verwies die Sache zurück an das Bundesarbeitsgericht:
Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Der Arbeitgeber rügt in zulässiger Weise eine Verletzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts durch die Anwendung der Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union im angegriffenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (inzidente Ultra-vires-Rüge). Hinsichtlich der prinzipalen Ultra-vires-Rüge und der Identitätsrüge fehlt ihm jeweils die Beschwerdefähigkeit.
Der Arbeitgeber macht in zulässiger Weise eine Verletzung seines religiösen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV geltend, indem er vorträgt, das Bundesarbeitsgericht habe im angegriffenen Urteil die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union in dessen Urteil vom 17.04.2018 trotz deren offensichtlicher Kompetenzwidrigkeit und der durch sie bewirkten strukturellen Kompetenzverschiebung zulasten der Mitgliedstaaten übernommen und so das Recht auf religiöse Selbstbestimmung ohne tragfähige Rechtsgrundlage verkürzt.
Das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist als eine Maßnahme der deutschen öffentlichen Gewalt tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde (Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).
Die Verfassungsbeschwerde beruft sich außerdem auf die Fehlerhaftigkeit des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.04.2018. Zwar sind Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union keine Akte deutscher öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG, sodass sie mit der Verfassungsbeschwerde nicht unmittelbar angreifbar sind6. Sie können jedoch als Vorfrage Gegenstand einer rechtlichen Überprüfung sein, soweit sie Grundlage von Handlungen deutscher Staatsorgane sind7.
In diesem Sinne ist das Vorbringen des Arbeitgebers zu verstehen. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ist als Vorabentscheidung auf Ersuchen des Bundesarbeitsgerichts ergangen und enthält Vorgaben für die Auslegung und Anwendung des im Ausgangsverfahren streitentscheidenden Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie und dessen Umsetzung im deutschen Recht in § 9 Abs. 1 AGG. Diese Vorgaben hat das Bundesarbeitsgericht unter Verweis auf den Vorrang des Unionsrechts zur Grundlage seines hier angegriffenen Urteils gemacht. Insoweit rügt der Arbeitgeber, dass das Urteil des Gerichtshofs einen Ultra-vires-Akt darstelle und dessen Auswirkungen die Verfassungsidentität des Grundgesetzes berührten.
Der Arbeitgeber ist beschwerdefähig im Sinne von Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG, soweit er eine Verletzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts durch die Übernahme der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.10.2018 (inzidente Ultra-vires-Rüge) geltend macht. Als privatrechtlicher Verein, der Aufgaben der EKD wahrnimmt, ist er Träger des religiösen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV.
Der Arbeitgeber ist beschwerdebefugt. Er legt eine mögliche Verletzung seines religiösen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV hinreichend substantiiert dar.
Die Verfassungsbeschwerde geht zunächst auf Inhalt und Bedeutung des religiösen Selbstbestimmungsrechts ein und setzt sich hinreichend mit den vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV entwickelten Maßstäben auseinander. Sie beleuchtet die Bedeutung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für das kirchliche Arbeitsrecht und führt die hierzu ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts an.
Im Wesentlichen beruft sich der Arbeitgeber darauf, dass das Urteil des Bundesarbeitsgerichts mit der verfassungsrechtlichen Tradition breche, die Einschätzung, ob eine Tätigkeit im kirchlichen Dienst die Kirchenmitgliedschaft erfordere, dem Träger des religiösen Selbstbestimmungsrechts zu überlassen, weil dem Staat – namentlich den staatlichen Gerichten – aufgrund seiner Pflicht zu religiös-weltanschaulicher Neutralität eine solche Prüfung verwehrt sei. Er legt zudem dar, warum die vorliegend ausgeschriebene Stelle eines Referenten für die Erstellung eines Parallelberichts zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland nach dem Selbstverständnis der EKD zwingend die in der Ausschreibung vorausgesetzte Kirchenmitgliedschaft erfordert habe. Er begründet dies einerseits abstrakt mit dem im evangelischen Kirchenrecht verankerten; und vom Bundesverfassungsgericht rezipierten Prinzip der Dienstgemeinschaft, wonach jede Form des kirchlichen Dienstes die Aufgabe beinhalte, „das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen“. Andererseits verweist er auf das Profil der konkret ausgeschriebenen Stelle, welches eine glaubwürdige Vertretung des christlichen Selbstverständnisses nach außen verlange.
Auch zur Frage eines möglichen (inzidenten) Ultra-vires-Verstoßes genügt der Vortrag den Begründungsanforderungen aus § 23 Abs. 1, § 92 BVerfGG, die aufgrund des Ausnahmecharakters nationaler Kontrollvorbehalte gegenüber Rechtsakten der Union und deren Umsetzung in nationales Recht streng zu handhaben sind8. Der Arbeitgeber trägt hinreichend substantiiert vor, weshalb die Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.04.2018 einen ausbrechenden Rechtsakt darstellen könnte und infolgedessen vom Bundesarbeitsgericht nicht zur Beschränkung des religiösen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV hätte herangezogen werden dürfen.
Der Arbeitgeber beschäftigt sich eingehend mit den rechtlichen Grundlagen und der Entwicklung der Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht und zeigt deren Voraussetzungen auf. Er legt substantiiert dar, weshalb der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17.04.2018 offensichtlich kompetenzwidrig gehandelt habe und warum dies zu einer strukturellen Verschiebung der Kompetenzen zulasten der Mitgliedstaaten führe.
Der offensichtliche Kompetenzverstoß liege in der fehlenden Zuständigkeit der Union für die Regelung religionsverfassungsrechtlicher Sachverhalte. Der Arbeitgeber setzt sich insoweit vertieft mit allen einschlägigen Bestimmungen auseinander, die eine solche Kompetenz vorsehen beziehungsweise ausschließen könnten (insb. Art. 17 und 19 AEUV, Art. 10 und 21 GRCh). Anhand der anerkannten juristischen Auslegungsmethoden – insbesondere der Entstehungsgeschichte von Art. 17 AEUV – und unter Bezugnahme auf die einschlägige Fachliteratur argumentiert er, dass es den Mitgliedstaaten gerade darauf angekommen sei, ihre mitunter sehr unterschiedlichen staatskirchenrechtlichen Systeme vor Übergriffen durch die Europäische Union zu schützen. Dieses Anliegen habe eine derart hohe Bedeutung, dass man in Art. 17 AEUV eine religionsverfassungsrechtliche Kompetenz der Union ausdrücklich ausgeschlossen habe. Hieran anknüpfend setzt sich der Arbeitgeber im Einzelnen mit dem Inhalt des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.04.2018 auseinander und legt dar, inwieweit dort seiner Ansicht nach in der Sache religionsverfassungsrechtliche Fragestellungen geregelt würden.
Darüber hinaus trägt der Arbeitgeber auch hinreichend zur Frage der strukturellen Kompetenzverschiebung zulasten der Mitgliedstaaten vor, indem er darlegt, welche weitreichenden Auswirkungen die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf die verfassungsrechtlichen Garantien des Rechts auf religiöse Selbstbestimmung und der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates habe, unter anderem mit der Folge, dass die allenfalls bestehende mittelbare Kompetenz der Europäischen Union zu einer unmittelbaren Kompetenz in Religionsfragen werde.
Hinsichtlich der prinzipalen Ultra-vires-Rüge und der Identitätsrüge fehlt dem Arbeitgeber die Beschwerdefähigkeit.
Gemäß Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG in Verbindung mit § 90 Abs. 1 BVerfGG kann jedermann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Art.20 Abs. 4, Art. 33, 38, 101, 103 und 104 GG enthaltenen Rechte verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde erheben. Beschwerdefähig ist demnach, wer Träger eines als verletzt gerügten Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts sein kann9. Grundrechtsträger sind nach Art.19 Abs. 3 GG auch inländische juristische Personen, soweit Grundrechte betroffen sind, die ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind10.
Für die vom Arbeitgeber als „prinzipal“ bezeichnete Ultra-vires-Rüge führt er das Recht aus Art. 38 Abs. 1 GG an. Auf dieses Recht kann er sich als juristische Person jedoch nicht berufen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts garantiert Art. 38 Abs. 1 GG den wahlberechtigten Deutschen das subjektive Recht, an der Wahl des Deutschen Bundestages teilzunehmen und dadurch an der Legitimation der Staatsgewalt durch das Volk auf Bundesebene mitzuwirken und auf ihre Ausübung Einfluss zu nehmen11.
Das Wahlrecht hat persönlichen Charakter; aufgrund seiner hohen Bedeutung für das Demokratieprinzip gilt es als „das vornehmste Recht“ der Bürgerinnen und Bürger im demokratischen Staat12. Seinem Wesen nach ist Art. 38 Abs. 1 GG daher grundsätzlich nicht auf juristische Personen anwendbar (Art.19 Abs. 3 GG). Ausnahmen gelten lediglich für die meist als nichtrechtsfähige Vereine organisierten Parteien und die Wählervereinigungen13 als Proponenten von Listen14.
Als privatrechtlicher Verein im religiösen Bereich kann sich der Arbeitgeber folglich nicht auf Art. 38 Abs. 1 GG berufen. Er ist weder wählbar noch wahlberechtigt; in seiner Tätigkeit weist er auch keinen sonstigen erkennbaren Bezug zu Wahlen auf.
Auch soweit der Arbeitgeber unter Rückgriff auf Art. 1 Abs. 1, Art.20 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 79 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 1 GG einen Verstoß gegen die Verfassungsidentität rügt, ist er nicht beschwerdefähig.
Im Rahmen der Identitätskontrolle ist zu prüfen, ob die durch Art. 79 Abs. 3 GG für unantastbar erklärten Grundsätze durch eine Maßnahme der Europäischen Union berührt werden15. Der Einzelne kann unter strengen Voraussetzungen im Wege der Verfassungsbeschwerde einen Identitätsverstoß geltend machen16. Dafür muss er im konkreten Fall eine subjektive Rechtsverletzung eines von der Ewigkeitsklausel geschützten Rechts aufzeigen.
Zu den Schutzgütern der in Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegten Verfassungsidentität gehören die Grundsätze des Art. 1 GG, das heißt die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG)17. Zudem ist es dem Einzelnen möglich, eine Verletzung des demokratischen Kerngehalts von Art. 38 Abs. 1 GG geltend zu machen. Das Wahlrecht (Art. 38 Abs. 1 GG) gewährleistet als grundrechtsgleiches Recht die Selbstbestimmung der Bürger und garantiert die freie und gleiche Teilhabe an der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt. Sein Gewährleistungsgehalt umfasst die Grundsätze des Demokratiegebots im Sinne von Art.20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, die Art. 79 Abs. 3 GG als Identität der Verfassung auch vor dem Zugriff durch den verfassungsändernden Gesetzgeber schützt18.
Wie bereits gezeigt, kommt der Arbeitgeber als Träger des Rechts aus Art. 38 Abs. 1 GG nicht in Betracht. Im Rahmen der ausdrücklich als solche bezeichneten Identitätsrüge führt er Art. 38 Abs. 1 GG nicht an.
Ebenso wenig kann er sich als juristische Person auf den von ihm geltend gemachten Art. 1 Abs. 1 GG berufen. Menschenwürde kommt jedem Menschen zu, ohne Rücksicht auf den sozialen Status, die Eigenschaften oder Leistungen des einzelnen Individuums19. Juristische Personen können als solche keine Würde besitzen; die „Menschenwürde“-Garantie ist ihrem Wesen nach nur auf natürliche Personen anwendbar (Art.19 Abs. 3 GG)20. Auch eine Berufung auf den Menschenwürdegehalt sonstiger Grundrechte ist damit ausgeschlossen.
Begründetheit der Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.10.2018 ist an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen. Gehalt und Reichweite des religiösen Selbstbestimmungsrechts, dessen Schutzbereich hier eröffnet ist, sind unter Berücksichtigung des Unionsrechts zu bestimmen. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Arbeitgeber in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV. Denn sie verkennt den Gestaltungsspielraum, den die Gleichbehandlungsrichtlinie in ihrer Auslegung durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.04.2018 den Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung belässt; in der Folge räumt es dem Recht auf religiöse Selbstbestimmung nicht die ihm verfassungsrechtlich zustehende Bedeutung bei der Auslegung und Anwendung von § 9 Abs. 1 AGG ein.
Grundrechte des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab – trotz EU-rechtlicher Determinierung
Beurteilungsmaßstab der Verfassungsbeschwerde sind nach den Maßstäben für Fallgestaltungen bei der Durchführung des Unionsrechts die Grundrechte des Grundgesetzes. Dies gilt unabhängig davon, dass das Bundesarbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung rechtliche Regelungen zu berücksichtigen hatte, die der Durchführung von Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh dienen.
Das Bundesverfassungsgericht prüft innerstaatliches Recht und dessen Anwendung grundsätzlich auch dann am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, wenn es im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegt, dabei aber durch dieses nicht vollständig determiniert ist. Das ergibt sich schon aus Art. 1 Abs. 3, Art.20 Abs. 3 und Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG. Die Bindung an die Grundrechte folgt danach aus der politischen Entscheidungsverantwortung, entspricht also der jeweiligen legislativen und exekutiven Verantwortung. Die deutschen Gerichte und insbesondere das Bundesverfassungsgericht haben die Beachtung der Grundrechte bei der Wahrnehmung dieser Verantwortung zu gewährleisten21.
Dass daneben im Einzelfall auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Anwendung findet, ist dadurch nicht ausgeschlossen. Dies kommt freilich nur in Betracht, wenn es um die „Durchführung des Rechts der Union“ nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh geht22. Innerstaatliche Regelungen können sich auch dann als Durchführung des Unionsrechts im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh darstellen, wenn den Mitgliedstaaten für deren Gestaltung Spielräume verbleiben, das Unionsrecht dieser Gestaltung aber einen hinreichend gehaltvollen Rahmen setzt, der erkennbar auch unter Beachtung der Unionsgrundrechte ausgefüllt werden soll. Die Unionsgrundrechte treten dann zu den Grundrechtsgewährleistungen des Grundgesetzes hinzu. Die Bindungskraft des Grundgesetzes stellt das grundsätzlich nicht infrage23.
Die primäre Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes im Bereich der Durchführung des Unionsrechts stützt sich darauf, dass das Unionsrecht dort, wo es den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume einräumt, regelmäßig nicht auf eine Einheitlichkeit des Grundrechtsschutzes zielt, und auf die Vermutung, dass dort ein auf Vielfalt gerichtetes grundrechtliches Schutzniveau des Unionsrechts durch die Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes mitgewährleistet ist24. Belässt der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten für die Umsetzung des Unionsrechts Gestaltungsspielräume, ist davon auszugehen, dass dies auch für den Grundrechtsschutz gilt. Es kann hier regelmäßig angenommen werden, dass das europäische Grundrechtsschutzniveau innerhalb eines äußeren unionsrechtlichen Rahmens Grundrechtsvielfalt zulässt25.
Die primäre Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes bedeutet indes nicht, dass insoweit die Grundrechtecharta keine Berücksichtigung findet. Das Grundgesetz und die Charta sind in gemeinsame europäische Grundrechtsüberlieferungen eingebettet. Dem entspricht es, dass auch die Grundrechte des Grundgesetzes im Lichte der Charta auszulegen sind26. Ebenso wie die Charta aus den verschiedenen Grundrechtstraditionen der Mitgliedstaaten – darunter auch der deutschen – entstanden und im Einklang mit diesen auszulegen ist (vgl. Art. 52 Abs. 4 GRCh), ist die Charta als Auslegungshilfe auch für das Verständnis der grundgesetzlichen Garantien zu berücksichtigen27.
Die alleinige Heranziehung der Grundrechte des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab für innerstaatliches Recht, das der Durchführung gestaltungsoffenen Unionsrechts dient, gilt nicht ausnahmslos. Eine Prüfung allein am Maßstab der deutschen Grundrechte ist dann nicht ausreichend, wenn konkrete und hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass hierdurch das grundrechtliche Schutzniveau des Unionsrechts ausnahmsweise nicht gewährleistet ist. Insoweit ist dann eine Prüfung innerstaatlichen Rechts, das der Durchführung des Unionsrechts dient, auch unmittelbar an den Grundrechten der Charta geboten28.
Für die Frage, ob ein Rechtsstreit unionsrechtlicher Volldeterminierung unterliegt oder ob es sich um die Durchführung von gestaltungsoffenem Unionsrecht handelt, kommt es maßgeblich darauf an, ob das Unionsrecht den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum einräumen möchte oder eine Vereinheitlichung der Rechtslage innerhalb der Union anstrebt29. Die Frage der Gestaltungsoffenheit ist dabei jeweils in Bezug auf die konkret auf den Fall anzuwendenden Vorschriften in ihrem Kontext zu beurteilen, nicht aber aufgrund einer allgemeinen Betrachtung des Regelungsbereichs30.
Aus der gewählten Handlungsform (Art. 288 AEUV) allein lassen sich dabei keine abschließenden Konsequenzen ableiten: Auch Verordnungen (Art. 288 Abs. 2 AEUV) können durch Öffnungsklauseln Gestaltungsfreiräume für Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten begründen, ebenso wie Richtlinien (Art. 288 Abs. 3 AEUV) zwingende und abschließende Vorgaben machen können31.
Die Frage, ob ein Rechtsverhältnis unionsrechtlich vollständig determiniert ist oder ob Gestaltungsspielräume der Mitgliedstaaten bestehen, ist vielmehr auf der Grundlage einer methodengerechten Auslegung des unionalen Fachrechts zu entscheiden. Hierbei kommt es darauf an, ob die einschlägigen Normen des Unionsrechts auf die Ermöglichung von Vielfalt und die Geltendmachung unterschiedlicher Wertungen angelegt sind oder ob eingeräumte Spielräume nur dazu dienen, besonderen Sachgebieten hinreichend flexibel Rechnung zu tragen, und es dem unionalen Fachrecht letztlich auf eine einheitliche Rechtsanwendung ankommt32. Im Falle einer Richtlinie stellt der Gerichtshof der Europäischen Union für die Abgrenzung, ob diese auf eine Mindestharmonisierung beschränkt ist oder eine umfassende Vereinheitlichung der nationalen Rechtsvorschriften anstrebt, maßgeblich auf das Regelungsziel und die Erwägungsgründe der Richtlinie ab. Sind die Vorschriften inhaltlich unbedingt, abschließend und erschöpfend und dürfen die Mitgliedstaaten die Anforderungen der Richtlinie weder unter- noch überschreiten, ist von einer Vollharmonisierung auszugehen33.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die vorliegende Verfassungsbeschwerde primär nach den Grundrechten des Grundgesetzes zu beurteilen. Der Rechtsstreit richtet sich nach den § 11 in Verbindung mit §§ 1, 2, 7 und § 9 Abs. 1 AGG. Diese Bestimmungen liegen zwar im Anwendungsbereich des Unionsrechts. Sie sind jedoch nicht vollständig durch das Unionsrecht determiniert, denn die hier einschlägigen Vorgaben der Gleichbehandlungsrichtlinie, um deren Durchführung es geht, belassen den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume für die Ausgestaltung des Arbeitsrechts innerhalb kirchlicher beziehungsweise religiöser Einrichtungen. Innerhalb des vom unionalen Fachrecht in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union vorgegebenen Rahmens indiziert der fachrechtlich eröffnete Gestaltungsspielraum auch Grundrechtspluralität. Dass durch die Anwendung der deutschen Grundrechte das durch das Unionsrecht geforderte grundrechtliche Schutzniveau unterschritten würde, ist nicht ersichtlich.
Bei den entscheidenden Regelungen des dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreits handelt es sich um Rechtsnormen, die der Durchführung von Unionsrecht dienen. Die von der Arbeitsgerichtsbarkeit zu entscheidende Frage, ob der Bewerberin gegen den Arbeitgeber wegen einer Benachteiligung aus Gründen der Religion ein Entschädigungsanspruch zusteht, richtet sich nach den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, die der Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie dienen. Die im vorliegenden arbeitsgerichtlichen Verfahren zentrale Norm des § 9 Abs. 1 AGG geht auf Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie zurück.
Die unionsrechtlichen Bestimmungen lassen eine vollständige Determinierung der streitentscheidenden Regelungen in § 9 Abs. 1 AGG nicht erkennen. Die konkrete Ausgestaltung und der Kontext der dem nationalen Recht zugrundeliegenden Normen der Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und 2 Gleichbehandlungsrichtlinie räumen den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume ein, die angesichts der unterschiedlichen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten zum Verhältnis von Staat und Religion auf die Ermöglichung von Grundrechtsvielfalt im Bereich des kirchlichen beziehungsweise religiösen Arbeitsrechts gerichtet sind.
Die Gleichbehandlungsrichtlinie nimmt an verschiedenen Stellen auf die einzelstaatlichen Gepflogenheiten Bezug (vgl. Art. 4 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 14), so auch der Wortlaut des hier maßgeblichen Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1. Die Vorschrift stellt es den Mitgliedstaaten frei, Regelungen zu erlassen oder beizubehalten, die den Kirchen und anderen öffentlichen und privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen oder weltanschaulichen Grundsätzen beruht, unter bestimmten Voraussetzungen eine Ungleichbehandlung wegen der Religion gestatten. Entscheidet sich ein Mitgliedstaat, hiervon Gebrauch zu machen, gewährt ihm die Richtlinie bei der Ausgestaltung der Regelung ebenfalls Spielräume, indem sie dessen bestehende Gepflogenheiten und Rechtstraditionen berücksichtigt. Zwar muss die Ausnahme vom Diskriminierungsverbot auf das notwendige Maß begrenzt bleiben, damit die Ziele der Richtlinie nicht unterlaufen werden. Die Maßgaben für diese notwendige Beschränkung einer nach Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie zulässigen Ungleichbehandlung liegen in den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union34. Soweit diese Maßgaben eingehalten sind, liegt die Ausgestaltung der Vorschriften zum Schutz des Status der Religionsgemeinschaften im Bereich des Arbeitsrechts jedoch im Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten. Hierbei können diese sich nach dem ausdrücklichen Verweis in Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 2 Gleichbehandlungsrichtlinie auf die Bestimmungen ihres jeweiligen Verfassungsrechts beziehen35.
In ähnlicher Weise gestattet die Regelung im darauffolgenden Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie den Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, die Auferlegung von Loyalitätspflichten gegenüber den für sie arbeitenden Personen, sofern die Bestimmungen der Richtlinie im Übrigen eingehalten werden und die konkrete Anforderung „im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften“ steht. Gerade die zuletzt genannte Voraussetzung verdeutlicht, dass die Norm den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielräume einräumt, welche der Erhaltung der Vielfalt einzelstaatlicher Wertungen im Hinblick auf das Grundrecht der korporativen Religionsfreiheit zu dienen bestimmt sind36.
Ausweislich ihres Titels bestimmt die Gleichbehandlungsrichtlinie einen allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf innerhalb der Europäischen Union. Dies kommt auch zum Ausdruck in dem von der Richtline verfolgten Konzept der Mindestharmonisierung, wie es in ihrem 28. Erwägungsgrund niedergelegt ist. Danach legt die Richtlinie lediglich „Mindestanforderungen“ fest und es steht den Mitgliedstaaten frei, günstigere Vorschriften einzuführen oder beizubehalten, wobei die Umsetzung der Richtlinie keine Absenkung des in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus rechtfertigt37. Die Richtlinie greift den Gedanken der Mindestharmonisierung auch an verschiedenen anderen Stellen auf, so etwa in Art. 8 Abs. 1 (günstigere Vorschriften im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes), Art. 7 Abs. 1 (positive und spezifische Maßnahmen) oder Art. 10 Abs. 2 (Beweislastregelungen). Zudem wird den Mitgliedstaaten ermöglicht, innerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie über die dort vorgesehenen Diskriminierungsmerkmale und Mindestanforderungen hinauszugehen, wovon einige Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht haben38. Im Sinne einer allgemeinen Rahmensetzung legt der hier maßgebliche Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie europarechtliche Mindeststandards beim Schutz von Ungleichbehandlungen nach der Religionszugehörigkeit in religiös und weltanschaulich geprägten Arbeitsverhältnissen fest, wobei die Ausgestaltung des Arbeitsrechts in diesem Bereich im Übrigen den Mitgliedstaaten weitgehend überlassen bleibt39.
Diesen Ansatz nimmt die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Gleichbehandlungsrichtlinie auf. Das kann in Richtung einer stärkeren Zulassung von Grundrechtspluralität in jenen Bereichen des Arbeitsrechts gedeutet werden, in denen es um Ungleichbehandlungen wegen der Religion geht. In den Rechtssachen „WABE und Müller“40 sowie „Commune d’Ans“41 nahm der Gerichtshof ausdrücklich auf den rahmensetzenden Charakter der Richtlinie Bezug. Dieser Rahmen, der zugleich Ausdruck eines fehlenden Konsenses in diesen Fragen auf Unionsebene sei, belasse den Mitgliedstaaten einen Wertungsspielraum im Hinblick auf die Vielfalt der von ihnen verfolgten Ansätze in Bezug auf den Platz, den sie in ihrem Inneren der Religion oder den Überzeugungen einräumten42. Nationale Traditionen und Rechtsprechungslinien, die der individuellen Religionsfreiheit mehr Raum geben, das heißt etwa dem Tragen des islamischen Kopftuchs am Arbeitsplatz aufgeschlossener gegenüberstehen, sollen daher weiter Bestand haben dürfen. In vergleichbarer Weise räumte der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Flämisches Schächtverbot43, welche die Auslegung von Vorschriften der Verordnung (EG) 1099/2009 (Tierschlachtungs-Verordnung) zum Gegenstand hatte, den Mitgliedstaaten einen Wertungsspielraum dahingehend ein, ob diese dem Belang des Tierschutzes ein höheres Gewicht zumessen als der Religionsfreiheit – deren Stellenwert von den nationalen Gepflogenheiten abhänge – und aus diesem Grund rituelle Schlachtungen verbieten44.
Diese grundsätzliche Offenheit des Unionsrechts in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gegenüber den bestehenden nationalen Traditionen im Bereich der Religionsfreiheit zeigt auf, dass an dieser Stelle Grundrechtspluralität zulässig ist und hieraus folgend unterschiedliche Bewertungen im Hinblick auf die Bedeutung, die der Religionsfreiheit innerhalb der innerstaatlichen Rechtsordnung eingeräumt wird, möglich sind. Dies kann sich bei der Auslegung der Gleichbehandlungsrichtlinie in zwei Richtungen auswirken. Mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie kann daraus eine strengere Handhabung des Diskriminierungsverbots oder mit Blick auf Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie die Eröffnung von Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot aus religiösen Gründen folgen, sofern sich eine solche Ausnahme aus dem religiösen Selbstbestimmungsrecht ergibt.
Dass die Richtlinie im hier relevanten Bereich der Ungleichbehandlung wegen der Religion keine Vollvereinheitlichung anstrebt, zeigt sich auch in deren 24. Erwägungsgrund. Dieser verweist auf die der „Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam beigefügte(n) Erklärung Nr. 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften“, in der die Union ausdrücklich anerkannt hat, „dass sie den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt“. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon fand die Erklärung nahezu wortgleich Eingang in Art. 17 Abs. 1 und 2 AEUV. Art. 17 AEUV ist Ausdruck der Neutralität der Europäischen Union gegenüber der Gestaltung der Beziehungen der Mitgliedstaaten zu den Kirchen und religiösen Vereinigungen oder Gemeinschaften45. Die Norm sichert mit ihrem Verweis auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten die jeweiligen nationalen Identitäten im Bereich des Religionsverfassungsrechts und kann daher als spezielle Ausprägung des in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV verankerten Achtungsgebots gegenüber der Identität der Mitgliedstaaten angesehen werden46. Der Unionsgesetzgeber trägt dem in der Gleichbehandlungsrichtlinie auch durch Verweis auf einzelstaatliche Gepflogenheiten insbesondere in Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Rechnung47.
Schließlich können der Entstehungsgeschichte der Richtlinie Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass Art. 4 Abs. 2 den Mitgliedstaaten Spielräume für die Ausgestaltung beruflicher Anforderungen von religiös oder weltanschaulich geprägten Arbeitgebern belassen will. Bevor der dem Rat der Europäischen Union vorgelegte Vorschlag der Europäischen Kommission48 angenommen wurde, kam es zu langwierigen, teils kontrovers geführten Diskussionen der Delegationen im Rat und zu mehrfachen Änderungen des Wortlauts des heutigen Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie. Während der ursprüngliche Entwurf noch vorgesehen hatte, dass eine unterschiedliche Behandlung dann keine Diskriminierung darstellt, wenn sie durch ein bestimmtes Merkmal begründet ist, das mit der Religion oder dem Glauben zusammenhängt, und dieses Merkmal aufgrund der Eigenschaft der Tätigkeit eine „wesentliche“ berufliche Anforderung darstellt, wurde der Tatbestand später dahingehend verschärft, dass der diskriminierende Umstand wesentlich „und entscheidend“ sein, einem „rechtmäßigen Zweck“ dienen und es sich um eine „angemessene Anforderung“ handeln muss, bis die tatbestandlichen Voraussetzungen schließlich ihre heutige Gestalt annahmen („wesentlich, gerechtfertigt, rechtmäßig“). Ferner wurden Änderungen am Wortlaut vorgenommen, die eine Bezugnahme auf mitgliedstaatliche Bestimmungen enthielten. Die Regelung im heutigen Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie zur Zulässigkeit von Verhaltensanforderungen und Loyalitätsverpflichtungen, die bis dahin nur in einem Erwägungsgrund enthalten war, wurde auf Drängen der irischen Delegation in den Text der Vorschrift aufgenommen49.
Der Entstehungsgeschichte kann insgesamt ein ernsthaftes Bemühen des Unionsgesetzgebers um einen angemessenen Ausgleich zwischen den jeweils betroffenen Rechtspositionen entnommen werden. Die langwierigen Diskussionen und zahlreichen Änderungen der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie zeigen einerseits, dass der Schutz der betroffenen Arbeitnehmer vor Diskriminierungen ein zentrales Anliegen im Entstehungsprozess der Vorschrift gewesen ist. Andererseits lassen sie darauf schließen, dass die Belange der Religionsgemeinschaften sowie die Rücksicht auf die unterschiedlichen religionsverfassungsrechtlichen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten ebenso wichtige Faktoren bei der Fassung der Vorschrift gewesen sind. Dafür spricht insbesondere die ausdrückliche Aufnahme einer Bezugnahme auf Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, wodurch – entgegen dem eigentlichen Zweck der Richtlinie, Diskriminierungen zu vermeiden – unterschiedliche Ausnahmeregelungen in den Mitgliedstaaten in Kauf genommen wurden. Über den im 24. Erwägungsgrund enthaltenen Verweis auf die Erklärung Nr. 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften hinaus ist zudem eine Regelung zu religiös bedingten Loyalitätsanforderungen für so wichtig gehalten worden, dass die hierfür geltenden Voraussetzungen – einschließlich eines ausdrücklich aufgenommenen Verweises auf die „einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften“ – in einem gesonderten Unterabsatz, dem heutigen Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie, niedergelegt wurden50.
Die Gleichbehandlungsrichtlinie eröffnet den Mitgliedstaaten für den vorliegend betroffenen Sachbereich des religiösen Arbeitsrechts nach alledem Gestaltungsspielräume. Bei deren Ausfüllung ist – in Übereinstimmung mit der auf Vielfalt ausgerichteten Anlage der Charta selbst51 – davon auszugehen, dass das europäische Grundrechtsschutzniveau innerhalb eines äußeren unionsrechtlichen Rahmens Grundrechtsvielfalt zulässt.
Der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten besteht innerhalb des Rahmens, den Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union setzt. Unionsrechtlich vorgegeben ist demnach, dass eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung in Bezug auf berufliche Tätigkeiten keine Diskriminierung ist, wenn die Religion oder Weltanschauung der betreffenden Person nach der Art dieser Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung und angesichts des Ethos der Organisation eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte sowie verhältnismäßige Anforderung darstellt. Zur Auslegung dieser Vorgaben zieht der Gerichtshof der Europäischen Union auch die Grundrechtecharta heran, namentlich die Religionsfreiheit in Art. 10 GRCh52, das Diskriminierungsverbot in Art. 21 GRCh53 und die Rechtsschutzgarantie in Art. 47 GRCh54. Die in Art. 10 GRCh gewährleistete Religionsfreiheit wird ihrerseits wiederum im Lichte des Art. 9 EMRK und der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte interpretiert55. Über den Rückgriff auf die Chartagrundrechte bei der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie wird der dieser Bestimmung zu entnehmende Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten zugleich begrenzt. Gefordert ist eine auf die jeweilige Tätigkeit bezogene Einzelfallbetrachtung, die wirksamer gerichtlicher Kontrolle unterliegt56. Bei der Ausfüllung des durch Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie eröffneten Gestaltungsspielraums durch die Mitgliedstaaten ist dieser Begrenzung Rechnung zu tragen.
Innerhalb dieses Rahmens lässt das Unionsrecht nicht nur Raum für die Zulassung von Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot im Hinblick auf das Erfordernis der religiösen/weltanschaulichen Zugehörigkeit bei bestimmten Tätigkeiten, sondern darauf aufsetzend auch für eine Gewichtung der betroffenen Rechtsgüter nach Maßgabe der grundrechtlichen und religionsverfassungsrechtlichen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten. Für die Herstellung des von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie geforderten Ausgleichs der Belange der religiösen Arbeitgeber und ihrer Arbeitnehmer gibt das Unionsrecht keine bestimmte und abschließende Gewichtung der betroffenen Rechtsgüter und keine konkreten Ergebnisse vor, sondern verlangt, dass bei dem Abwägungsvorgang die in der Richtlinie genannten Kriterien berücksichtigt und die betroffenen Belange in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden57. Hierbei kann es angesichts der unterschiedlichen Vorstellungen zu dem Rang, der dem religiösen Selbstbestimmungsrecht innerhalb der staatlichen Rechtsordnung eingeräumt wird, zu voneinander abweichenden Wertungen in den Mitgliedstaaten kommen.
Dass der Rückgriff auf die nationalen Grundrechte zu einem Zurückbleiben hinter den unionsrechtlichen Vorgaben zum Schutz gegen Diskriminierungen aus religiösen Gründen führen würde, ist nicht ersichtlich.
Dieser Rückgriff ist vielmehr Ausdruck der vom Unionsrecht in diesem Bereich zugelassenen Grundrechtspluralität. Diese spiegelt sich nicht zuletzt in dem normativen Befund wider, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – wie auch von Art. 17 AEUV primärrechtlich ausdrücklich anerkannt – unterschiedliche Vorstellungen über die Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgemeinschaften bestehen, die von einer strikten Trennung auf der einen Seite bis hin zu einer Verflechtung der beiden Sphären auf der anderen Seite reichen58. Der Gefahr etwaiger Schutzlücken zulasten des Diskriminierungsverbots wird durch die Auslegung der nationalen Grundrechte im Lichte der Vorgaben des Unionsrechts entgegengewirkt.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Reichweite des Diskriminierungsverbots in Art. 21 GRCh. Diesem kann zwar als Belang der von Ungleichbehandlungen betroffenen Arbeitnehmer und Stellenbewerber nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unmittelbare Wirkung auch im Privatrechtsverhältniszukommen. Jedoch gewährleistet Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG in seiner einfachgesetzlichen Ausprägung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ein Schutzniveau, das sich auch im Bereich des religiösen Arbeitsrechts als gleichwertig erweist.
Auf die Vorlagefrage des Bundesarbeitsgerichts, ob ein nationales Gericht verpflichtet sei, eine Norm des nationalen Rechts, die nicht in Einklang mit Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie ausgelegt werden könne, außer Anwendung zu lassen, betont der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom 17.04.2018, dass das in Art. 21 GRCh niedergelegte Diskriminierungsverbot schon für sich allein dem Einzelnen ein Recht verleihe, das er in einem (Privat-)Rechtsstreit, der einen vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft, als solches geltend machen könne59. Das Verbot jeder Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung habe als allgemeiner Rechtsgrundsatz zwingenden Charakter. Der Einzelne könne sich vor den nationalen Gerichten unmittelbar auf dieses Recht berufen, ohne dass es einer Umsetzung durch unionales oder nationales Recht bedürfe60. Das nationale Gericht sei in einem solchen Fall verpflichtet, für die volle Wirksamkeit des in Art. 21 GRCh (i.V.m. Art. 47 GRCh) garantierten Schutzes zu sorgen und gegebenenfalls eine unionsrechtswidrige nationale Norm außer Anwendung zu lassen61. Dessen ungeachtet habe das nationale Gericht in einem Rechtsstreit die widerstreitenden Grundrechtspositionen – betroffen sind vorliegend das Diskriminierungsverbot auf der einen Seite und das Recht auf religiöse Autonomie auf der anderen Seite – in Ausgleich zueinander zu bringen. Hierbei sei der vom Unionsgesetzgeber in der Gleichbehandlungsrichtlinie vorgesehene Rahmen zu berücksichtigen62.
Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Norm verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie den Staat, namentlich den Gesetzgeber, absoluten Unterscheidungsverboten unterwirft63. Die Religion darf grundsätzlich nicht zum Anknüpfungspunkt und zur Rechtfertigung für rechtliche Ungleichbehandlungen benachteiligender oder bevorzugender Art herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie – oder gänzlich – andere Ziele verfolgt64.
Die Gewährleistung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG stellt ein eigenständiges Grundrecht dar. Das Diskriminierungsverbot enthält ein subjektives Grundrecht sowie eine objektive Wert-entscheidung65. Aufgrund seines engen Zusammenhangs mit dem Grundsatz der Menschenwürde66 kommt ihm als verfassungsrechtlich verankerter Gemeinwohlbelang besonderes Gewicht zu, das Grundrechtseingriffe rechtfertigen kann.
Eine weitreichende einfachgesetzliche Umsetzung hat der Schutz vor Diskriminierung in den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gefunden. Sie verwirklichen den Diskriminierungsschutz insbesondere im Arbeitsrecht und schränken auf diesem Wege die Berufsfreiheit von Arbeitgebern und das Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften oder entsprechenden Vereinigungen als Arbeitgeber ein.
In diesem Sinne verschafft das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz den verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverboten, darunter auch dem Verbot der Diskriminierung aus religiösen und weltanschaulichen Gründen, für die Verhältnisse zwischen Privaten, darunter auch für das Arbeitsrecht, umfassend Geltung. Der Gesetzgeber, der den bisherigen Diskriminierungsschutz im Arbeits- und Zivilrecht als nicht weitreichend genug angesehen hat67, bezweckt mit den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes – neben der Erfüllung der Pflicht zur Umsetzung verschiedener europäischer Richtlinien (insbesondere der Gleichbehandlungsrichtlinie) – die Stärkung des in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG normierten Diskriminierungsschutzes im allgemeinen Privatrechtsverkehr und im Arbeitsrecht. Diese Zielsetzung ist bei der Auslegung und Anwendung der Normen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zugrunde zu legen. Das gilt auch für das Verständnis des § 9 AGG, der im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften oder -vereinigungen Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1, § 2 Abs. 1 AGG enthält, die sich vor der gesetzgeberischen Zielsetzung der Umsetzung des Diskriminierungsverbots im Rahmen einer Abwägung der betroffenen verfassungsrechtlichen Belange rechtfertigen lassen müssen.
Der nach diesen Maßstäben vorzunehmende Ausgleich, auf den auch der Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen der Anwendung von Art. 21 GRCh abhebt, bewirkt im Ergebnis einen Grundrechtsschutz, welcher dem durch die Unionsrechtsordnung gewährleisteten Schutzniveau entspricht und daher gleichwertig ist. Der Einzelne kann sich vor den nationalen Gerichten auf den Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes berufen. Bei der Auslegung und Anwendung dessen Vorschriften muss das angerufene Gericht die verfassungsrechtlich verankerte hohe Bedeutung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG berücksichtigen, der der Gesetzgeber bei der Schaffung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Rechnung tragen wollte. Für die Frage, ob im nationalen Recht ein äquivalentes Schutzniveau zum Unionsrecht erreicht wird, ist es indes unerheblich, dass sich der Einzelne im Privatrechtsverhältnis nicht unmittelbar auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG berufen kann68. Denn entscheidend ist nicht die dogmatische Ausgestaltung des nationalen Rechts, hier des Grundrechtsschutzes im Privatrechtsverhältnis – dies ist Sache der Mitgliedstaaten, sondern dass der Einzelne im Ergebnis den Schutz genießt, den das Unionsrecht ihm der Sache nach gewährt. Das wird über die Anwendung und Auslegung der Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unter Berücksichtigung der hohen verfassungsrechtlichen Bedeutung des Diskriminierungsverbots in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG erreicht.
Reichweite des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen
Der Schutzbereich des religiösen Selbstbestimmungsrechts gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ist im vorliegenden Fall eröffnet. Dieses Recht unterliegt nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV der Schranke des „für alle geltenden Gesetzes“. Bei Auslegung und Anwendung der hier einschlägigen Bestimmungen in § 11 in Verbindung mit §§ 1, 2, 7 und 9 AGG ist das religiöse Selbstbestimmungsrecht mit jenen Rechtsgütern, deren Schutz das einschränkende Gesetz dient, auf der Grundlage einer zweistufigen Prüfung in Ausgleich zu bringen. Hierbei sind die Vorgaben des Unionsrechts in Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu berücksichtigen. Diese Vorgaben entfalten kraft des Vorrangs des Unionsrechts Bindungswirkung.
Die durch Art. 140 GG inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung sind – mit eigenständiger Bedeutung gegenüber der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG – untrennbarer Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes, welches das für eine freiheitliche Demokratie wesentliche Grundrecht der Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt in den Katalog der Grundrechte übernommen hat. Beide Gewährleistungen bilden ein organisches Ganzes, wobei Art. 4 Abs. 1 und 2 GG den leitenden Bezugspunkt des staatskirchenrechtlichen Systems darstellt69.
Zwischen der Glaubensfreiheit und den inkorporierten Normen der Weimarer Reichsverfassung besteht eine interpretatorische Wechselwirkung. Die Weimarer Kirchenartikel sind einerseits funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt und in dessen Lichte auszulegen, weil sie das Grundverhältnis zwischen Staat und Kirche regeln (Art. 137 Abs. 1 WRV). Andererseits wird der Gewährleistungsgehalt des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 140 GG in Verbindung mit den inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung institutionell konkretisiert und ergänzt70.
Soweit sich die Schutzbereiche der inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung und der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG überlagern, geht Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV als speziellere Norm Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit vor, als er das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften der Schranke des für alle geltenden Gesetzes unterwirft. Bei dem Ausgleich der gegenläufigen Interessen ist aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist71.
Das religiöse Selbstbestimmungsrecht ist in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV besonders hervorgehoben. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Diese Garantie erweist sich als notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt72.
Träger des religiösen Selbstbestimmungsrechts sind nicht nur die Kirchen selbst entsprechend ihrer rechtlichen Verfasstheit, sondern alle ihr in bestimmter Weise zugeordneten Institutionen, Gesellschaften, Organisationen und Einrichtungen, wenn und soweit sie nach dem glaubensdefinierten Selbstverständnis der Kirchen ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, Auftrag und Sendung der Kirchen wahrzunehmen und zu erfüllen. Dies gilt unbeschadet der Rechtsform der einzelnen Einrichtung auch dann, wenn der kirchliche Träger sich privatrechtlicher Organisationsformen bedient73. Nicht jede Organisation oder Einrichtung, die in Verbindung zur Kirche steht, unterfällt indes dem Privileg der Selbstbestimmung. Voraussetzung einer wirksamen Zuordnung ist vielmehr, dass die Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des Auftrages der Kirche teilnimmt, im Einklang mit dem Bekenntnis der verfassten Kirche steht und mit ihren Amtsträgern und Organwaltern in besonderer Weise verbunden ist74.
Das Selbstbestimmungsrecht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne des religiösen Selbstverständnisses75 und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum Grundauftrag der Religionsgemeinschaft dienen76. Unter die Freiheit des „Ordnens“ und „Verwaltens“ fällt dementsprechend auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge77.
Die Religionsgemeinschaften können sich der jedermann offenstehenden privatautonomen Gestaltungsformen bedienen, Dienstverhältnisse begründen und nach ihrem Selbstverständnis ausgestalten. Die im Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften enthaltene Ordnungsbefugnis gilt insoweit nicht nur für die Ämterorganisation (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV), sondern ist ein allgemeines Prinzip für die Ordnung des religiösen Dienstes78. Sie berechtigt zur Organisation der Tätigkeit einschließlich der Aufrechterhaltung einer internen Organisationsstruktur, zur Auswahl ihrer Angestellten und zur Festlegung der religiösen Grundsätze, welche die Grundlage ihrer Tätigkeiten sein sollen79.
4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht80. Dieses beinhaltet neben der Freiheit des Einzelnen zum privaten und öffentlichen Bekenntnis seiner Religion oder Weltanschauung auch die Freiheit, sich mit anderen aus gemeinsamem Glauben oder gemeinsamer weltanschaulicher Überzeugung zusammenzuschließen81.
Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als korporative Ausübung von Religion und Weltanschauung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG anzusehen ist, muss der zentralen Bedeutung des Begriffs der „Religionsausübung“ durch eine extensive Auslegung Rechnung getragen werden82. Zwar hat der Staat grundsätzlich verfassungsrechtliche Begriffe nach neutralen, allgemeingültigen, nicht konfessionell oder weltanschaulich gebundenen Gesichtspunkten zu interpretieren83. Wo aber die Rechtsordnung gerade das religiöse oder weltanschauliche Selbstverständnis des Grundrechtsträgers voraussetzt, wie dies bei der Religionsfreiheit der Fall ist, würde der Staat die Eigenständigkeit der Kirchen und ihre nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV verfassungsrechtlich verankerte Selbständigkeit verletzen, wenn er bei der Auslegung der sich aus dem Bekenntnis ergebenden Religionsausübung das Selbstverständnis nicht berücksichtigen würde84.
Allerdings genügt die bloße Behauptung einer Religionsgemeinschaft, eine Angelegenheit sei ihre eigene, als solche nicht, um von der Eröffnung des Schutzbereichs auszugehen. Vielmehr obliegt es den staatlichen Rechtsanwendungsinstanzen, diese Behauptung auf ihre Plausibilität hin zu prüfen85. Die Religionsgemeinschaften trifft insoweit eine Darlegungslast, an die – abhängig davon, ob die Zuordnung der Aufgabe oder des Tätigkeitsbereichs zu den eigenen Angelegenheiten naheliegt oder nicht – unterschiedlich hohe Anforderungen zu stellen sind86.
Nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit des christlichen Sendungsauftrags in Staat und Gesellschaft. Dazu gehört insbesondere das karitative Wirken, das eine wesentliche Aufgabe für den Christen ist und von den Kirchen als religiöse Grundfunktion verstanden wird87.
Der Arbeitgeber ist Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV. Er ist der Evangelischen Kirche in Deutschland organisatorisch zugeordnet, nimmt an ihrem religiösen Auftrag teil und steht im Einklang mit ihrem Bekenntnis.
Die institutionelle Verbundenheit zwischen Arbeitgeber und EKD zeigt sich insbesondere in der personellen Zusammensetzung des Arbeitgebers. Gemäß § 9 Abs. 1 SEWDE in der Fassung vom 14.06.2012 gehören der Konferenz des Arbeitgebers – ein zur Klärung wichtiger Grundsatzfragen berufenes Organ – zu einem beträchtlichen Teil Vertreter der EKD an. Die institutionelle Verknüpfung findet zudem Ausdruck in verschiedenen Einflussmöglichkeiten der Amtsträger und Organwalter der EKD auf dessen Tätigkeit. So bedürfen Änderungen der Satzung des Arbeitgebers der Zustimmung des Rates beziehungsweise der Synode und der Kirchenkonferenz der EKD (§ 27 Abs. 3 SEWDE). Die EKD beteiligt sich zudem an seinem Haushalt (§ 21 Nr. 1 SEWDE).
Der Arbeitgeber nimmt an der Verwirklichung des kirchlichen Auftrags der evangelischen Kirche teil. In der Präambel seiner Satzung heißt es, dass das Werk „in den Traditionen des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland“ stehe. Konkrete Aussagen zu den Aufgaben des Arbeitgebers finden sich in § 5 Abs. 3 SEWDE. Er übernimmt demnach im Sinne der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland diakonische und volksmissionarische Aufgaben sowie Aufgaben des Entwicklungsdienstes und der humanitären Hilfe. Diese Aufgaben sind Ausdruck der tätigen Nächstenliebe und Wohltätigkeit und lassen einen karitativen Zweck deutlich erkennen.
Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber seit der Umstrukturierung im Jahr 2011 ein Dachverband in Form eines eingetragenen Vereins ist, der mehrere Werke in sich vereint. Zwar übernimmt der Arbeitgeber als Verband vor allem Aufgaben im Bereich der Koordinierung, Repräsentation, Vertretung und des Austausches. Gleichwohl verfolgt er die Aufgabe, die karitative Arbeit wirkungsvoller zu gestalten, indem die Zusammenarbeit der einzelnen Mitglieder im Innenverhältnis gefördert und durch eine gemeinsame Vertretung eine starke Repräsentation im Außenverhältnis gewährleistet wird.
Der Arbeitgeber steht auch mit dem religiösen Bekenntnis der EKD in Einklang, was sich insbesondere darin zeigt, dass er das Recht der EKD anwendet (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AnfRL-2005).
Das hier streitige Einstellungskriterium „Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag“ ist vom Gewährleistungsumfang des Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfasst. Der Arbeitgeber hat plausibel dargelegt, dass das grundsätzlich für jedes Arbeitsverhältnis geltende Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft nach dem zum Zeitpunkt der Ausschreibung der hier gegenständlichen Stelle geltenden glaubensdefinierten Selbstverständnis der EKD Ausdruck des kirchlichen Ethos war und der Arbeitgeber diesem Selbstverständnis bei der Ausschreibung der Stelle gefolgt ist.
Ausdruck der religiösen Prägung des kirchlichen Dienstes ist, dass dieser wesensgemäß nicht nur auf den Austausch von Arbeitsleistung und Vergütung beschränkt und ausgerichtet ist. Dem Dienst liegt auch die Vorstellung einer aktiven Teilnahme und Teilhabe am kirchlichen Sendungsauftrag zugrunde. Aufgabe sämtlicher Formen kirchlichen Dienens – unabhängig ob im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses oder eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses – ist es, dem biblischen Auftrag zur Verkündigung und zur tätigen Nächstenliebe nachzukommen88.
Das Verständnis des Dienstes als aufeinander bezogene Gemeinschaft findet Ausdruck in dem von der EKD verwendeten Begriff der „Dienstgemeinschaft“. Gemeinschaft in diesem Sinne bedeutet nach christlichem Glauben gemeinsame Verantwortung für das Wirken der Kirche und in der Kirche und ihren Einrichtungen88. Der Gedanke der dem kirchlichen Auftrag dienenden Gemeinschaft verpflichtet nach Vorstellung der EKD sowohl die Kirche und ihre Einrichtungen als auch die bei ihr oder ihren Einrichtungen tätigen Beamten und Arbeitnehmer. Er durchzieht in der Folge sämtliche kollektiv- und individualarbeitsrechtlichen Bestimmungen der EKD.
Um sicherzustellen, dass sich der Einzelne der Dienstgemeinschaft tatsächlich verpflichtet fühlt und seine Tätigkeit hiernach ausrichtet, war in der zum Zeitpunkt der Ausschreibung der verfahrensgegenständlichen Stelle geltenden Fassung des § 3 Abs. 1 AnfRL-2005 vorgesehen, dass die berufliche Mitarbeit in der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie grundsätzlich die Zugehörigkeit zu einer Gliedkirche der EKD oder einer Kirche voraussetzt, mit der die EKD in Kirchengemeinschaft verbunden ist. Der Arbeitgeber hat dargelegt, dass nach dem (damaligen) glaubensdefinierten Selbstverständnis der EKD die Kirchenmitgliedschaft für eine Beschäftigung in der Kirche oder einer ihrer Einrichtungen grundsätzlich für jede Arbeitsstelle vorauszusetzen war. Aus seiner Sicht verlangte eine loyale Zusammenarbeit im Inneren und eine glaubwürdige Repräsentation nach außen – wie sie gerade auch vorliegend in Rede steht, dass die Beschäftigten sich den Glaubensinhalten der Kirche verbunden fühlen und die christlichen Glaubensüberzeugungen authentisch vertreten.
Die Ausschreibung des Arbeitgebers, in der für die Stelle eines Referenten die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag vorausgesetzt wurde, ist Ausdruck dieses Selbstverständnisses der EKD. Der Arbeitgeber war bei der Ausschreibung der verfahrensgegenständlichen Stelle an die Vorgaben in der Anforderungsrichtlinie 2005 gebunden.
Das religiöse Selbstbestimmungsrecht unterliegt nach Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV der Schranke „des für alle geltenden Gesetzes“. Darunter fallen die hier einschlägigen Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
Das religiöse Selbstbestimmungsrecht steht nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, auch soweit sich der Schutzbereich mit demjenigen der korporativen Religionsfreiheit überlagert, unter dem Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes. Die Formel „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ kann jedoch nicht im Sinne des allgemeinen Gesetzesvorbehalts in einigen Grundrechtsgarantien verstanden werden89. Vielmehr ist der Wechselwirkung von religiösem Selbstbestimmungsrecht und Schrankenzweck bei der Entfaltung und Konturierung der Schrankenbestimmung Rechnung zu tragen90. Beim Ausgleich der gegenläufigen Interessen ist daher der Umstand zu beachten, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist91.
Gemäß § 7 in Verbindung mit § 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG dürfen Beschäftigte – hierzu zählen auch alle Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG) – bei den Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen nicht aus religiösen Gründen benachteiligt werden. Dies gilt gemäß § 11 AGG auch für Stellenausschreibungen. Die Bestimmungen haben den Zweck, die Beschäftigten vor Diskriminierung zu schützen. Sie dienen dem Ziel, das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG auch im Bereich des Arbeitsrechts zum Tragen zu bringen. Das Diskriminierungsverbot gilt dabei unterschiedslos für sämtliche Arbeitgeber.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz berücksichtigt jedoch auch die besonderen Belange der Religionsgemeinschaften und privilegiert diese gegenüber anderen Arbeitgebern, indem es in § 9 AGG einen zusätzlichen Rechtfertigungsgrund für Diskriminierungen wegen der Religion schafft, der nur für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie deren Einrichtungen gilt. Der für die hier vorliegende Einstellungskonstellation heranzuziehende § 9 Abs. 1 AGG ermöglicht eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Die Vorschrift erkennt als einfachgesetzliche Ausprägung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts somit das Interesse kirchlicher Arbeitgeber an, bestimmte Stellen mit Kirchenmitgliedern zu besetzen.
Die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sind daher einerseits im Lichte der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten der kirchlichen Selbstbestimmung auszulegen (Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV). Andererseits darf dies nicht dazu führen, dass der Zweck des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, Beschäftigte vor Diskriminierungen wegen der Religion zu schützen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG), vernachlässigt wird92. Dieser Wechselwirkung von religiöser Selbstbestimmung und Zweck der gesetzlichen Schrankenziehung ist durch eine entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen93.
Der Ausgleich kollidierender Rechtsgüter im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts erfolgt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts94 auf der Grundlage einer zweistufigen Prüfung. Die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in dessen Urteil vom 17.04.2018, die aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts zu beachten sind, stellen diese zweistufige Prüfung als solche nicht infrage. Sie verlangen jedoch eine Anpassung in Form einer Einbettung der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV in den von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in dessen Auslegung durch den Gerichtshof gesetzten Rahmen.
Die erste Prüfungsstufe knüpft an die für die Eröffnung des Schutzbereichs anzustellende Plausibilitätsprüfung an, die – wie gezeigt – der Klärung der Frage dient, welche Angelegenheit als eine religiöse betrachtet wird und welche Bedeutung ihr nach dem kirchlichen Selbstverständnis für die Verwirklichung des religiösen Ethos zukommt. Diese der Güterabwägung auf der zweiten Stufe vorgeschaltete Prüfung ist erforderlich, weil dem religiös-weltanschaulich neutralen Staat eine solche Bewertung grundsätzlich verwehrt ist, die anschließende Abwägung der Interessen im konkreten Fall jedoch Kenntnis von der Bedeutung der Angelegenheit für den kirchlichen Arbeitgeber voraussetzt.
Ist durch den religiösen Arbeitgeber plausibel dargelegt, dass nach gemeinsamer Glaubensüberzeugung, Dogmatik, Tradition und Lehre der Religionsgemeinschaft ein bestimmtes Handeln oder eine Tätigkeit Gegenstand, Teil oder Ziel von Glaubensregeln ist, darf der Staat das so umschriebene glaubensdefinierte Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft nicht nur nicht unberücksichtigt lassen; er hat es vielmehr seinen Wertungen und Entscheidungen zugrunde zu legen, solange es nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht95.
Auf der zweiten Prüfungsstufe der Schrankenziehung erfolgt – unter Zugrundelegung der Ergebnisse der ersten Stufe – eine offene Gesamtabwägung zwischen den Interessen und Belangen der Arbeitnehmer und dem religiösen Selbstbestimmungsrecht96.
Im Rahmen dieses Abwägungsvorgangs sind die kollidierenden Rechtspositionen – dem Grundsatz der praktischen Konkordanz entsprechend – in möglichst hohem Maße in ihrer Wirksamkeit zu entfalten. Sie sind einander im Sinne einer Wechselwirkung verhältnismäßig zuzuordnen, das heißt, das einschränkende arbeitsrechtliche Gesetz muss im Lichte der Bedeutung des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV und Art. 4 Abs. 1 und 2 GG betrachtet werden, ebenso wie die kollidierenden Belange der Arbeitnehmer, deren Schutz das einschränkende Gesetz dient, im Verhältnis zum religiösen Selbstbestimmungsrecht gewichtet werden müssen97. Dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft ist dabei ein besonderes Gewicht beizumessen98, ohne dass die Interessen der Kirche die Belange des Arbeitnehmers dabei prinzipiell überwögen99.
Diese Abwägung obliegt zunächst den Fachgerichten. Ob sie verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, kann sodann Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle sein. Das Bundesverfassungsgericht ist zum Eingreifen gegenüber den Fachgerichten jedoch nur dann berufen, wenn diese tragende Elemente des religiösen Selbstbestimmungsrechts und der korporativen Religionsfreiheit einerseits oder Grundrechte des Arbeitnehmers andererseits verkennen100.
Bei der Durchführung des Ausgleichs zwischen den Belangen des religiösen Arbeitgebers und der Arbeitnehmer ist aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts der durch Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gesetzte Rahmen zu berücksichtigen.
Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt die Bundesrepublik Deutschland an der Gründung und Fortentwicklung der Europäischen Union mit. Für den Erfolg der Europäischen Union ist die einheitliche Geltung ihres Rechts von zentraler Bedeutung101. Als Rechtsgemeinschaft könnte sie nicht bestehen, wenn die einheitliche Geltung und Wirksamkeit ihres Rechts nicht gewährleistet wäre102. Art. 23 Abs. 1 GG enthält insoweit auch ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Recht der Union103. Mit der in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Ermächtigung, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, billigt das Grundgesetz daher die im Zustimmungsgesetz zu den Verträgen enthaltene Einräumung eines Anwendungsvorrangs zugunsten des Unionsrechts. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf das nationale Verfassungsrecht104. Bei einer fortbestehenden Kollision im konkreten Fall muss das nationale Verfassungsrecht in aller Regel unangewendet bleiben105. Ausfluss des Vorrangs des Unionsrechts ist im Weiteren die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts, soweit dies möglich ist106. Auf diesem Wege können Kollisionen von vornherein vermieden werden.
Das Unionsrecht gibt in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union die Kriterien vor, die im Fall einer Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung bei beruflichen Anforderungen für die Bewältigung des Konflikts zwischen religiösem Selbstbestimmungsrecht und damit kollidierenden Rechtspositionen, hier dem Recht der Arbeitnehmer, bei der Einstellung nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden, berücksichtigt werden müssen.
Erforderlich ist zunächst ein objektiv überprüfbarer Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung (hier der Kirchenmitgliedschaft) und der Art der Tätigkeit beziehungsweise den Umständen ihrer Ausübung (z.B. durch eine Nähe zum Verkündigungsauftrag oder der Notwendigkeit einer glaubwürdigen Vertretung nach außen)107. Die berufliche Anforderung der Religionszugehörigkeit muss ferner aufgrund der Bedeutung der fraglichen beruflichen Tätigkeit für die Bekundung des Ethos der Religionsgemeinschaft oder die Ausübung des religiösen Selbstbestimmungsrechts notwendig erscheinen („wesentlich“)108. Sie darf im Weiteren nicht der Verfolgung eines sachfremden Zweckes dienen („rechtmäßig“)109 und nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgehen. Sie muss schließlich angemessen sein („verhältnismäßig“)110. Den Religionsgemeinschaften obliegt es, anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls darzulegen, dass die geltend gemachte Gefahr einer Beeinträchtigung des Ethos oder des Selbstbestimmungsrechts wahrscheinlich und erheblich ist, sodass die in Rede stehende berufliche Anforderung tatsächlich notwendig ist („gerechtfertigt“)44.
In Streitfällen sind die staatlichen Gerichte der Mitgliedstaaten verpflichtet, das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu überprüfen und den gebotenen Ausgleich zwischen den kollidierenden Rechten im Wege einer Interessenabwägung herzustellen56. Die genannten Voraussetzungen der Richtlinie stellen insoweit gerichtlich vollständig überprüfbare Kriterien dar, die im Abwägungsvorgang zu berücksichtigen sind. Lediglich die Legitimität des Ethos der Religionsgemeinschaft als solches unterliegt – bis auf ganz außergewöhnliche Fälle – keiner Beurteilung durch die staatlichen Gerichte55.
Die bindenden Vorgaben von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union lassen sich über eine unionsrechtskonforme Auslegung der einschlägigen nationalen Bestimmungen umsetzen. Sie führen zu einer Konkretisierung der bisherigen Maßstäbe des durch Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gewährleisteten religiösen Selbstbestimmungsrechts, die sich wiederum auf die Auslegung des Fachrechts, das heißt der hier einschlägigen Vorschriften in § 11 in Verbindung mit §§ 1, 2, 7 und 9 AGG als Schranken des religiösen Selbstbestimmungsrechts, auswirkt. Hierdurch wird eine Schärfung der verfassungsgerichtlichen Maßstäbe für die Zweistufenprüfung auf der Schrankenebene dahingehend bewirkt, dass eine am Einzelfall orientierte und auf die jeweilige Arbeitsstelle bezogene Prüfung des Erfordernisses der in Rede stehenden beruflichen Anforderungen – hier der Kirchenmitgliedschaft – und eine wirksame gerichtliche Kontrolle dieses Erfordernisses im Hinblick auf die Art der in Rede stehenden Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung erfolgt. An diese Prüfung schließt sich auf der zweiten Stufe eine Abwägung der betroffenen rechtlichen Belange an.
Im grundlegenden Ansatz der Prüfung bestehen keine unüberwindbaren Widersprüche zwischen dem Unionsrecht und dem nationalen Verfassungsrecht. Der Gerichtshof der Europäischen Union unterscheidet, wie auch das Bundesverfassungsgericht, zwischen einer unzulässigen theologischen Bewertung des religiösen Ethos durch staatliche Gerichte und der daraus folgenden grundsätzlichen Hinnahme der von den Religionsgemeinschaften formulierten beruflichen Anforderungen als dem religiösen Ethos geschuldet einerseits55 und der rechtsstaatlichen Beschränkung der Durchsetzung des religiösen Selbstbestimmungsrechts im Bereich des staatlichen (Gleichbehandlungs-) Rechts andererseits111.
An der Plausibilitätskontrolle als Ausgangspunkt für die Schrankenprüfung ist danach auch angesichts der unionsrechtlichen Vorgaben im Grundsatz weiterhin festzuhalten. Sowohl das Unionsrecht als auch das nationale Verfassungsrecht gehen übereinstimmend von der Prämisse aus, dass das Ethos der Religionsgemeinschaft als solches einer Überprüfung grundsätzlich unzugänglich ist. Die Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Herstellung eines angemessenen Ausgleichs durch Abwägung der widerstreitenden Interessen des Arbeitnehmers und der Religionsgemeinschaft anhand der in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie aufgeführten Kriterien112 betreffen sämtlich den hiervon zu trennenden Prüfungsschritt der Rechtfertigung einer dem jeweiligen Ethos geschuldeten beruflichen Anforderung. Sie stellen nicht grundsätzlich infrage, dass sich eine Kirche im Ausgangspunkt auf ihr Ethos für die Forderung der Kirchenmitgliedschaft für eine bestimmte Position berufen kann, sondern geben Antwort darauf, ob die Kirche mit ihren Interessen gegenüber denen des Arbeitnehmers auf Gleichbehandlung durchdringen kann. Sowohl der Gerichtshof der Europäischen Union als auch das Bundesverfassungsgericht gehen davon aus, dass das Ethos der Religionsgemeinschaft die Grundlage der weiteren Prüfung bilden muss und es ihr mithin obliegt, anhand ihrer Glaubenssätze, Lehre und Tradition darzulegen, weshalb eine bestimmte Tätigkeit die Kirchenmitgliedschaft erfordert. Denn der Staat ist aufgrund seiner Verpflichtung zu religiös-weltanschaulicher Neutralität nicht dazu in der Lage, das Ethos der Religionsgemeinschaft zu untersuchen und hieraus Schlussfolgerungen – etwa hinsichtlich der Bedeutung einer Angelegenheit für die Verwirklichung dieses Ethos – zu ziehen. Das Vorbringen der Religionsgemeinschaft ist in einem ersten Schritt somit lediglich auf Plausibilität, das heißt auf Nachvollziehbarkeit, Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit zu prüfen. Dies steht in Einklang mit dem Unionsrecht.
Diese Plausibilitätskontrolle erfährt durch die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union jedoch insoweit eine Schärfung, als die Gerichte auf der Ebene der Schrankenziehung nicht mehr auf die Prüfung beschränkt sind, ob die berufliche Anforderung nach dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft plausibler Ausdruck eines Glaubenssatzes ist. Sie sind vielmehr verpflichtet festzustellen, ob sich aus der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung objektiv ein direkter Zusammenhang zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung – hier der Kirchenmitgliedschaft – und der fraglichen Tätigkeit ergibt. Erforderlich ist eine Einzelfallbetrachtung, die die jeweils betroffene Stelle in den Blick nimmt. Hierin liegt keine theologische Bewertung des von der Religionsgemeinschaft vorgetragenen Anliegens, die den staatlichen Gerichten verwehrt ist, sondern eine Anwendung der durch den Gesetzesvorbehalt in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV dem religiösen Selbstbestimmungsrecht gezogenen Schranken.
Damit die zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verpflichteten Gerichte überprüfen können, ob ein solcher direkter Zusammenhang vorliegt, obliegt es wiederum der betroffenen Religionsgemeinschaft, anhand ihres Selbstverständnisses nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei darzulegen, worin der Zusammenhang zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung und der konkret betroffenen Tätigkeit besteht. Ausgangspunkt der Prüfung bildet auch insoweit das einer staatlichen Beurteilung entzogene Ethos der Religionsgemeinschaft. Inwieweit eine Tätigkeit der Mitwirkung an der Bestimmung und Verwirklichung des Ethos dient113, kann ohne Kenntnis der vonseiten der Religionsgemeinschaft zu bestimmenden Glaubensinhalte und der hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen nicht beurteilt werden.
Die Anforderungen an die Darlegung richten sich danach, wie offenkundig das Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft für die konkret zu besetzende Stelle ist. Es gilt der Grundsatz, dass die Anforderungen an die Darlegung steigen, je weiter sich die Aufgaben der ausgeschriebenen Stelle von dem, was das religiöse Profil und die religiöse Identitätsbildung der betroffenen Religionsgemeinschaft nach innen und außen bestimmt, entfernen. Der pauschale Verweis darauf, dass die Figur der Dienstgemeinschaft für sämtliche Tätigkeiten innerhalb der Kirche und ihrer Einrichtungen die Kirchenmitgliedschaft verlange, wird danach den Darlegungsanforderungen regelmäßig nicht genügen.
Hat die Religionsgemeinschaft anhand ihrer Glaubensinhalte plausibel dargelegt, welche Bedeutung der beruflichen Anforderung zukommt und worin der direkte Zusammenhang zwischen der im konkreten Fall aufgestellten beruflichen Anforderung der Mitgliedschaft und der fraglichen Tätigkeit liegt, so muss dieses Selbstverständnis in der folgenden Abwägung mit den Interessen der Beschäftigten entsprechende Berücksichtigung finden.
Auch auf der zweiten Prüfungsstufe sind die jeweiligen Anforderungen des Unionsrechts und des nationalen Verfassungsrechts grundsätzlich miteinander vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht geht ebenso wie der Gerichtshof der Europäischen Union von einer Gesamtabwägung aus, die einer vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Die Rechte der Arbeitnehmer sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Recht der Religionsgemeinschaft auf Selbstbestimmung in einen angemessenen Ausgleich zu bringen96. Ein überprüfungsfreier Raum, der es den Religionsgemeinschaften erlauben würde, pauschal für jeden Arbeitsplatz die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft zu fordern, besteht danach nicht114. Vielmehr ist der kirchliche Belang von den staatlichen Gerichten zu gewichten, damit er zu der kollidierenden Rechtsposition, hier dem Diskriminierungsschutz, in ein Verhältnis gesetzt werden kann. Bei der Gewichtung dieses Belangs durch die Gerichte ist der Vortrag der betroffenen Religionsgemeinschaft maßgeblich zu berücksichtigen, ohne dass der Staat freilich verpflichtet wäre, die Einschätzung der Religionsgemeinschaft über seine Bedeutung ungeprüft zu übernehmen. Das religiöse Selbstbestimmungsrecht setzt sich also nicht ohne Weiteres gegenüber den kollidierenden rechtlichen Belangen durch, sondern nur nach Maßgabe einer einzelfallbezogenen Betrachtung der jeweils betroffenen Position im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Diese ist in Auslegung und Anwendung der dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV unterfallenden einfachgesetzlichen Regelungen, hier des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG, durchzuführen.
Auch die Art und Weise der Abwägung erfährt durch die Kriterien des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Konkretisierung.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung die Ausgestaltung der Abwägung zwischen religiösem Selbstbestimmungsrecht und Arbeitnehmerrechten weitgehend offengelassen. Vorgegeben hat es lediglich, dass die Herstellung praktischer Konkordanz durch eine wechselwirkende Betrachtung der widerstreitenden Interessen erzielt werden soll.
Dieser abstrakte Prüfungsrahmen erfährt nunmehr eine stärkere Konturierung. Die durch den Gerichtshof der Europäischen Union definierten Merkmale „wesentlich“, „rechtmäßig“, „gerechtfertigt“ und „verhältnismäßig“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie sind allgemein gehalten und überschneiden sich inhaltlich mit den Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit im Sinne der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach deutscher Grundrechtsdogmatik. Die in Rede stehende berufliche Anforderung muss danach im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit für die Wahrung des religiösen Selbstverständnisses geeignet sein, darf also keine sachfremden Zwecke verfolgen. Sie muss erforderlich sein, was bedeutet, dass sie aufgrund der Bedeutung der beruflichen Tätigkeit für die Verkündigung oder die Wahrung der religiösen Selbstbestimmung notwendig erscheinen muss und nicht über das zur Erreichung dieses Ziels gebotene Maß hinausgehen darf. Schließlich muss die Anforderung auch angemessen im engeren Sinne sein, das heißt, das Gewicht der in ihr zum Ausdruck kommenden religiösen Belange muss die kollidierenden Verfassungsrechtsgüter – betroffen ist hier der Schutz vor Diskriminierung – in der Sache überwiegen.
Die Integration dieser unionsrechtlichen Anforderungen in die überkommene Zweistufenprüfung auf der Schrankenebene lässt es weiterhin zu, dem religiösen Selbstverständnis aufgrund seiner Nähe zum vorbehaltlos gewährten Recht auf korporative Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) ein besonderes Gewicht beizumessen. Dies steht in Einklang mit der Offenheit des Unionsrechts für die unterschiedlichen grundrechtlichen Wertungen der Mitgliedstaaten und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, welche das religiöse Ethos, dessen Legitimität nicht beurteilt werden darf, zum Ausgangspunkt der Prüfung macht und eine entsprechende Gewichtung im Rahmen der Abwägung der betroffenen Interessen nach Maßgabe der jeweils einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben zulässt. Für die Sicht des Grundgesetzes ist insofern maßgeblich, dass, soweit sich der Schutzbereich der korporativen Religionsfreiheit in Art. 137 Abs. 3 WRV mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG deckt, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV zwar aufgrund der speziellen Schrankenbestimmung vorrangig Anwendung findet. Den schrankenlosen Gewährleistungen des Art. 4 GG wird gleichwohl dadurch in besonderer Weise Rechnung getragen, dass Ausgangspunkt der Abwägung der von der Kirche in Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts vorgetragene Belang ist, dem in der Abwägung mit konkurrierenden Rechtsgütern ein besonderes Gewicht zukommen muss. Insofern gilt: Je größer die Bedeutung der betroffenen Position für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen (etwa Nähe zum Verkündigungsauftrag, Vermittlung religiöser Inhalte, Seelsorge) und/oder außen (etwa Außendarstellung und glaubwürdige Repräsentation, Leitungsfunktion, Mission) ist, desto mehr Gewicht besitzt dieser Umstand und das daraus von der Kirche abgeleitete Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft. Geht es um die Besetzung derartiger, für die religiöse Identität bedeutsamer Positionen im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses, dürfte sich die Forderung der Kirche nach der Kirchenmitgliedschaft gegenüber gegenläufigen Belangen der betroffenen Arbeitnehmer (hier dem Schutz vor Diskriminierung wegen der Religion) regelmäßig durchsetzen. Je weniger Relevanz die Stelle jedoch für die Wahrung beziehungsweise die Verwirklichung des religiösen Ethos hat, desto eher wird dem Diskriminierungsschutz der Vorzug zu geben sein. Dessen hoher verfassungsrechtlicher Bedeutung muss in der Abwägung Rechnung getragen werden.
Die im Vorstehenden entfaltete Anpassung der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts an die Vorgaben des unionsrechtlichen Rahmens für den mitgliedstaatlichen Gestaltungsspielraum, wie sie sich aus der Gleichbehandlungsrichtlinie nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergeben, ist kraft des Vorrangs des Unionsrechts zwingend. Der Vorrang des Unionsrechts entfällt nur in eng begrenzten Fallkonstellationen, in denen die hohen Voraussetzungen der verfassungsgerichtlichen Kontrollvorbehalte erfüllt sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Anders als ein bundesstaatlicher Geltungsvorrang, wie ihn Art. 31 GG für die deutsche Rechtsordnung vorsieht, kann der Vorrang des Unionsrechts nicht umfassend sein. Er reicht nur soweit, wie das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben beziehungsweise vorsehen115. Dem entsprechen die Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union. Die Europäische Union ist eine Rechtsgemeinschaft (Art. 2 Satz 1 EUV)116. Sie ist insbesondere durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EUV)117 und die europäischen Grundrechte gebunden und achtet die Verfassungsidentität der Mitgliedstaaten, auf denen sie beruht (Art. 4 Abs. 2 Satz 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EUV)118. Das Unionsrecht bleibt von einer vertraglichen Ermächtigung abhängig. Für eine Erweiterung ihrer Befugnisse sind die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union daher auf Vertragsänderungen angewiesen, die von den Mitgliedstaaten nach Maßgabe der für sie jeweils geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen und verantwortet werden (vgl. insbesondere Art. 48 Abs. 4 UAbs. 2, Abs. 6 UAbs. 2 Satz 3, Abs. 7 UAbs. 3 EUV)119. Eine wirksame Ermächtigung für die Ausübung öffentlicher Gewalt ist auch ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit (Art. 2 EUV, Art.20 Abs. 3 GG), sodass Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die auf Kompetenzüberschreitungen beruhen, sich weder auf eine gültige Aufgabenzuweisung durch die Verträge in Verbindung mit dem jeweiligen Zustimmungsgesetz stützen können noch Eingriffe in die Rechtssphäre der Bürgerinnen und Bürger zu rechtfertigen vermögen120.
Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle berechtigt und verpflichtet, Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie aufgrund ersichtlicher Kompetenzüberschreitungen erfolgen, und gegebenenfalls die Unanwendbarkeit kompetenzüberschreitender Handlungen für die deutsche Rechtsordnung festzustellen103. Diese Pflicht des Bundesverfassungsgerichts, substantiierten Rügen eines Ultra-vires-Handelns der europäischen Organe und Einrichtungen nachzugehen, ist mit der vertraglich dem Gerichtshof übertragenen Aufgabe, die Verträge auszulegen und anzuwenden und dabei Einheit und Kohärenz des Unionsrechts zu wahren (vgl. Art.19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV, Art. 267 AEUV), abzustimmen. Wenn jeder Mitgliedstaat ohne Weiteres für sich in Anspruch nähme, durch eigene Gerichte über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union zu entscheiden, könnte der Vorrang praktisch unterlaufen werden, und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts wäre gefährdet121.
Die Ultra-vires-Kontrolle setzt dementsprechend eine hinreichend qualifizierte Kompetenzüberschreitung voraus. Damit wird zugleich die Aufgabenzuweisung an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art.19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV gewahrt122. Eine qualifizierte Kompetenzüberschreitung muss offensichtlich und für die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten von struktureller Bedeutung sein123.
Eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union liegt offensichtlich außerhalb der übertragenen Kompetenzen124, wenn sich die Kompetenz bei Anwendung allgemeiner methodischer Standards unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen lässt125. Die Annahme einer offensichtlichen Kompetenzüberschreitung setzt allerdings nicht voraus, dass zu einer Frage keine unterschiedlichen Rechtsauffassungen vertreten werden. Offensichtlich kann die Annahme einer Kompetenzüberschreitung auch sein, wenn sie das Ergebnis einer sorgfältigen und detailliert begründeten Auslegung ist126.
Die Auslegung des Unionsrechts einschließlich der Bestimmung der dabei anzuwendenden Methode ist in erster Linie Aufgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union (Art.19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV)127. Die vom Gerichtshof entwickelten Methoden richterlicher Rechtskonkretisierung beruhen dabei auf den gemeinsamen (Verfassungs-)Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten, wie sie sich nicht zuletzt in der Rechtsprechung ihrer Verfassungs- und Höchstgerichte sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte niedergeschlagen haben. Insofern haben jedenfalls der Wortlaut einer Norm, die freilich in mehreren Sprachfassungen verbindlich ist, der von ihr verfolgte Regelungszweck (effet utile) und der systematische Kontext, in dem sie sich befindet, besonderes Gewicht. Die Eigentümlichkeiten des Unionsrechts bedingen allerdings nicht unbeträchtliche Abweichungen hinsichtlich der Bedeutung und Gewichtung der unterschiedlichen Interpretationsmittel. Eine offenkundige Außerachtlassung der im europäischen Rechtsraum überkommenen Auslegungsmethoden oder allgemeiner, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Rechtsgrundsätze ist vom Mandat des Art.19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV jedoch nicht umfasst128. Bei Auslegungsfragen im Unionsrecht, die auch bei methodengerechter Bewältigung im üblichen rechtswissenschaftlichen Diskussionsrahmen zu verschiedenen Ergebnissen führen können, setzt jedoch das Bundesverfassungsgericht nicht seine Auslegung an die Stelle derjenigen des Gerichtshofs129. Vielmehr muss es eine richterliche Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof auch dann respektieren, wenn dieser zu einer Auffassung gelangt, der sich mit gewichtigen Argumenten entgegentreten ließe, solange sie sich auf anerkannte methodische Grundsätze zurückführen lässt und nicht objektiv willkürlich erscheint130.
Eine strukturell bedeutsame Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen liegt vor, wenn die Kompetenzüberschreitung im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die rechtsstaatliche Gesetzesbindung erheblich ins Gewicht fällt. Davon ist auszugehen, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV oder die Inanspruchnahme einer Evolutivklausel erforderte131, für Deutschland also ein Tätigwerden des Gesetzgebers, sei es nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Maßgabe des Integrationsverantwortungsgesetzes132.
Der Vorrang des Unionsrechts gilt grundsätzlich auch im Verhältnis zu den Grundrechten des Grundgesetzes. Er steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Unionsgrundrechte einen wirksamen Schutz gegenüber der Hoheitsgewalt der Union bieten, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, insbesondere den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgen (Solange-Vorbehalt). Maßgeblich ist insoweit eine auf das jeweilige Grundrecht des Grundgesetzes bezogene generelle Betrachtung133. Nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind134.
Die durch das Bundesverfassungsgericht ausgeübten Reservevorbehalte sind zurückhaltend und europarechtsfreundlich anzuwenden. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Unionsrechtsordnung und um zu verhindern, dass sich deutsche Behörden und Gerichte ohne Weiteres über den Geltungsanspruch des Unionsrechts hinwegsetzen, verlangt die europarechtsfreundliche Anwendung der Kontrollvorbehalte bei Beachtung des in Art. 100 Abs. 1 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedankens, dass eine Durchbrechung des Vorrangs des Unionsrechts mit der Folge, dass Unionsrecht in der Bundesrepublik Deutschland im Einzelfall von Verfassungs wegen für unanwendbar erklärt werden muss, nur dem Bundesverfassungsgericht obliegt135. Eine europarechtsfreundliche Anwendung der Kontrollvorbehalte setzt ferner voraus, dass der Gerichtshof der Europäischen Union, soweit erforderlich, im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV mit der Sache befasst wird und das Bundesverfassungsgericht seiner Prüfung die Maßnahme in der Auslegung zugrunde legt, die ihr in dem Vorabentscheidungsverfahren durch den Gerichtshof gegeben wird136.
Gemessen an diesen Maßstäben stellt das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.04.2018 weder einen Ultra-vires-Akt dar noch führt es zu einer Rechtslage, die den vom Grundgesetz als unabdingbar vorausgesetzten Grundrechtsstandard im Hinblick auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht unterschreitet.
Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.04.2018 ist kein ausbrechender Rechtsakt. Ein offensichtlicher Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung liegt nicht vor. Der Gerichtshof verkennt weder in offensichtlich kompetenzwidriger Weise die Bedeutung von Art. 17 AEUV noch die Reichweite der Antidiskriminierungskompetenz in Art.19 Abs. 1 AEUV. Seine Auslegung des Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Gleichbehandlungsrichtlinie ist vertretbar.
Der Gerichtshof der Europäischen Union versteht Art. 17 AEUV als Abwägungsgebot und nicht als Bereichsausnahme, welche das mitgliedstaatliche Recht zum Status der Religionsgemeinschaften vor jeglicher Beeinträchtigung durch das Recht und die Rechtsprechung der Europäischen Union schützen würde137. Dieses Verständnis von Art. 17 AEUV und von dessen Bedeutung für die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie ist im Ergebnis vertretbar.
Aufgrund des offenen Wortlauts und der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Traditionen im Bereich des Staatskirchenrechts ist die Auslegung von Art. 17 AEUV stark umstritten.
Streitig ist zum einen der in Art. 17 AEUV verwendete Statusbegriff138. Da das Achtungsgebot und das Beeinträchtigungsverbot an diesen anknüpfen, ist die Frage nach dem Anwendungsbereich von Art. 17 AEUV maßgeblich davon abhängig, wie weit beziehungsweise eng der Begriff verstanden wird. Die Befürworter eines tendenziell weiten Verständnisses verweisen darauf, dass die Norm dem Zweck diene, die in den Mitgliedstaaten der Union teilweise erheblich divergierenden staatskirchenrechtlichen Modelle unbeeinträchtigt zu lassen139. Demgegenüber argumentieren die Vertreter eines engeren Verständnisses unter anderem damit, dass der Wortlaut „Status“ nur die Verfassung und Organisationsstruktur einer Kirche oder anderen religiösen Gemeinschaft und deren Beziehung zum Staat erfasse140.
Ferner ist umstritten, ob das Beeinträchtigungsverbot in Art. 17 AEUV als Bereichsausnahme oder als Abwägungsgebot zu verstehen ist. Von Teilen der Literatur wird Art. 17 AEUV als Bereichsausnahme141 beziehungsweise negative Kompetenznorm142 verstanden. Dafür spreche die ausdrückliche Normierung eines Beeinträchtigungsverbots. Indem die Union garantiere, den Status der Kirchen und religiösen Vereinigungen nicht zu beeinträchtigen, sichere sie den Mitgliedstaaten einen abwägungsresistenten Kernbestand an Kompetenzen zu143.
Im Gegensatz dazu sieht der überwiegende Teil der Literatur in Art. 17 AEUV ein Abwägungsgebot144. Art. 17 AEUV sei nicht wie eine Bereichsausnahme ausgestaltet145. Wenn die Union bestimmte Bereiche vom Geltungsbereich des Unionsrechts ausnehmen wolle, regele sie dies explizit. In allen anderen Fällen sei nach der Gesetzessystematik des europäischen Rechts bei Kollisionen verschiedener Rechtspositionen vom Erfordernis einer Abwägung auszugehen146. Dies entspreche der Vorstellung, dass alle primärrechtlichen Ziele gleichwertig und im Konfliktfall bestmöglich in Ausgleich zu bringen seien147.
Der Gerichtshof der Europäischen Union versteht Art. 17 AEUV nicht als Bereichsausnahme, sondern als Abwägungsgebot, ohne dies allerdings ausdrücklich auszusprechen und vertieft zu begründen148. Dieses Normverständnis liegt unter Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden im Rahmen der im Schrifttum vertretenen Auffassungen.
Die Auslegung des Gerichtshofs überschreitet die Grenzen des Wortlauts des Art. 17 AEUV nicht. Die kurzgefasste Norm enthält unbestimmte Rechtsbegriffe, die nicht weiter erläutert werden, und einen Verweis auf nationale Rechtsvorschriften, der ebenfalls nicht näher beschrieben wird. Die Norm lässt folglich verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu; die Annahme einer Bereichsausnahme aufgrund des Wortlauts in Art. 17 Abs. 1 AEUV („beeinträchtigt ihn nicht“) ist nicht zwingend geboten. Bereichsausnahmen sind als Abweichungen von der Regel in ihrem Wortlaut als solche deutlich erkennbar (vgl. etwa Art. 106 Abs. 2 AEUV). Eine solch klare Formulierung enthält Art. 17 AEUV gerade nicht.
Die historische Auslegung lässt ebenfalls verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu. Art. 17 AEUV ist, wie Generalanwalt Tanchev in seinen Schlussanträgen darlegt149, ein Kompromiss zwischen denjenigen Staaten, die im Vertrag von Amsterdam die Erwähnung des christlichen Erbes Europas wünschten, und denjenigen, die auf einer klaren Trennung von Kirche und Staat beharrten150. Der Generalanwalt zieht hieraus die nachvollziehbare Schlussfolgerung, dass die Mitgliedstaaten mit der Wahl des Begriffes „Status“ die Auswahl ihres staatskirchenrechtlichen Modells sichern und die Union diesbezüglich zu Neutralität verpflichten wollten. Es fänden sich keine Anhaltspunkte dahingehend, dass die Mitgliedstaaten den nationalen Besonderheiten prinzipiellen Vorrang vor den Grundrechten und Grundsätzen der Union einräumen wollten151.
Auch systematisch-teleologische Erwägungen stützen die Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Es entspricht der Gesetzessystematik des Unionsrechts, bei Kollisionen primärrechtlicher Rechtspositionen eine Abwägung vorzunehmen152. Nur so wird garantiert, dass die primärrechtlichen Ziele, die in keinem Rangverhältnis zueinanderstehen, im Konfliktfall bestmöglich in Ausgleich gebracht werden147. Verstünde man Art. 17 AEUV als Bereichsausnahme, bestünde für Mitgliedstaaten überdies die Möglichkeit, unter Berufung auf ihre nationalen staatskirchenrechtlichen Bestimmungen unionsrechtliche Regelungen wie etwa zum Diskriminierungsschutz auszuhebeln und den Vorrang des Unionsrechts zu umgehen.
Ein offensichtlicher Kompetenzverstoß folgt auch nicht aus dem Abwägungsergebnis, zu dem der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung gelangt. Zwar ist zuzugeben, dass das Abwägungsergebnis den Diskriminierungsschutz stärker in den Fokus rückt als das Recht der Kirchen auf Autonomie. Der Rückschluss, der Gerichtshof habe Art. 17 AEUV in der Abwägung unberücksichtigt gelassen, ist jedoch angesichts der Urteilsgründe fernliegend.
Der Gerichtshof betont ausdrücklich die Bedeutung der Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Arbeitnehmerrechten und dem Recht auf Autonomie der Kirchen148. Er verweist auf die in Art. 17 AEUV verankerte Pflicht der Union zu Neutralität153 und stellt klar, dass es den staatlichen Institutionen verwehrt sei, die Legitimität des kirchlichen Ethos zu beurteilen55. Die Definitionen der Tatbestandsmerkmale „wesentlich“, „rechtmäßig“, „gerechtfertigt“ und „verhältnismäßig“, die als Kriterien für die Abwägung zwischen Arbeitnehmer- und kirchlichen Arbeitgeberinteressen dienen, sind abstrakt formuliert und lassen Raum für nationale Gepflogenheiten.
Es ist im Weiteren nicht erkennbar, dass der Gerichtshof die Kompetenznorm des Art.19 Abs. 1 AEUV, wonach die Europäische Union im Rahmen der ihr durch die Verträge übertragenen Zuständigkeiten geeignete Vorkehrungen gegen Diskriminierungen aus Gründen unter anderem der Religion oder der Weltanschauung treffen kann, offensichtlich willkürlich ausgelegt hat. Das Ergebnis seiner Auslegung lässt sich auf die im Unionsrecht anerkannten Methoden der historischen, grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung stützen.
Im Amsterdamer Vertrag wurde die Union durch die Einführung des Art. 13 EGV (jetzt Art.19 AEUV) ausdrücklich ermächtigt, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen. Die ihr in Art.19 AEUV übertragene Kompetenz hat die Union unter anderem durch Erlass der Gleichbehandlungsrichtlinie wahrgenommen. Zweck der Richtlinie ist gemäß Art. 1 unter anderem „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung (…) in Beschäftigung und Beruf“. Die Anwendung von Gleichbehandlungsrecht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine hiervon erfasste Materie für sich genommen nicht in die Regelungskompetenz der Union fällt154. Denn das Unionsrecht zum Schutz vor Diskriminierungen, das seit jeher als Querschnittsmaterie verstanden wurde, kann in Bereichen Wirkungen entfalten, für die die Union keine originäre Kompetenz besitzt, ohne dass dies die Integrität der mitgliedstaatlichen Kompetenzen berühren würde. Das Gleichbehandlungsrecht hat das Potential, in verschiedenste Rechtsbereiche – wie hier in das kirchliche Arbeitsrecht – auszustrahlen155.
Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Gerichtshof der Europäischen Union den Anwendungsbereich des Art.19 AEUV und der auf diesen zurückgehenden sekundärrechtlichen Regelungen im Sinne des effet-utile-Grundsatzes (Art. 4 Abs. 3 EUV) weit auslegt. Art.19 AEUV ist Ausdruck und Teil eines umfassenden Diskriminierungsschutzes der Europäischen Union, der in vielen weiteren Vorschriften primärrechtlich verankert ist156. Die hohe Bedeutung, die dem Schutz vor Diskriminierung in der Europäischen Union zukommt, liegt in der Annahme begründet, dass sämtliche europäische Gesellschaften von der Gleichwertigkeit der Menschen und deren Recht auf faire Zugangsmöglichkeiten zu den Chancen im Leben ausgehen157.
Die Auslegung der Gleichbehandlungsrichtlinie beziehungsweise der dort enthaltenen Ausnahmeklausel in Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 durch den Gerichtshof der Europäischen Union unterliegt ebenfalls keinen durchgreifenden methodischen Bedenken.
Der Wortlaut der Vorschrift ist im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen „wesentlich“, „rechtmäßig“, „gerechtfertigt“ auslegungsbedürftig und unterscheidet sich in den unterschiedlichen Sprachfassungen der Richtlinie zum Teil erheblich158. Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass sich der Gerichtshof der Europäischen Union bei der Auslegung des Tatbestands von der Systematik, dem Sinn und Zweck und der Entstehungsgeschichte der Norm hat leiten lassen159. Das Ergebnis seiner Auslegung stützt er auf den Gedanken, dass Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie als Ausfluss eines Ausgleichs zwischen dem Recht der betroffenen Arbeitnehmer, nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden, und dem Recht der Religionsgemeinschaften auf Autonomie verstanden werden muss. Die in der genannten Bestimmung aufgeführten Voraussetzungen stellen insoweit die maßgeblichen Kriterien dar, um den gebotenen Ausgleich im Einzelfall herzustellen160. Diesen Ansatz begründet der Gerichtshof zum einen nachvollziehbar damit, dass die Gleichbehandlungsrichtlinie gemäß Art. 1 den Zweck hat, einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf zu schaffen und insoweit Ausdruck des in Art. 21 GRCh niedergelegten allgemeinen Diskriminierungsverbots ist161. Zum anderen wird auf den primärrechtlich gebotenen Schutz der betroffenen Interessen der religiösen Arbeitgeber aus Art. 17 AEUV und Art. 10 GRCh abgestellt162. Danach beinhaltet Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie eine Ausnahme von dem allgemeinen Diskriminierungsverbot, welchem im Unionsrecht ein hoher Stellenwert zukommt. Sie wird gerechtfertigt durch spezifische Bedürfnisse der Religionsgemeinschaften, die sich im Hinblick auf die jeweils in Rede stehende Tätigkeit in Anstellungsverhältnissen mit Arbeitgebern ergeben, die von einer Religionsgemeinschaft getragen werden.
Auch soweit der Gerichtshof der Europäischen Union eine wirksame gerichtliche Kontrolle der in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie genannten Kriterien verlangt, entspricht seine Argumentation, indem sie sich an den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und an der Systematik der Richtlinie orientiert, rechtsmethodischen Standards. Zum Ausgangspunkt seiner Begründung für das Erfordernis einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle macht der Gerichtshof die Verbindlichkeit der in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie ausdrücklich geregelten Vorgaben. Daraus zieht er die nachvollziehbare, auf den effet-utile-Grundsatz zurückgehende Schlussfolgerung, dass die Kriterien, die von den Mitgliedstaaten im Wortlaut der Richtlinie festgelegt worden seien, leerliefen, wenn sie in Zweifelsfällen keiner Kontrolle durch eine unabhängige Stelle unterlägen163. Das entscheidende Argument für die Notwendigkeit einer effektiven gerichtlichen Kontrolle sind daher ersichtlich die Existenz der Vorschrift selbst und ihre Rechtssatzqualität; der gerichtliche Rechtsschutz ist aus Sicht des Gerichtshofs das verfahrensrechtliche und rechtsstaatliche Korrelat der materiell-rechtlichen Bestimmungen. Zur Bestätigung dieses Ergebnisses verweist er auf die hohe Bedeutung des Diskriminierungsschutzes im Rechtssystem der Europäischen Union (vgl. Art. 21 GRCh), auf die Systematik der Richtlinie, die in Art. 9 die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, und auf die primärrechtlich in Art. 47 GRCh gewährleistete Garantie eines wirksamen gerichtlichen Schutzes der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte164.
Bereits nach den vorstehenden Ausführungen erscheint es fernliegend, dass die unionsrechtlichen Vorgaben der Gleichbehandlungsrichtlinie in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in dessen Urteil vom 17.04.2018 zu einer Rechtslage führen, wonach im Bereich des Grundrechtsschutzes jene Mindeststandards nicht mehr gewahrt sind, die Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG für das religiöse Selbstbestimmungsrecht als unabdingbar voraussetzt. Das religiöse Selbstbestimmungsrecht wird von der Unionsrechtsordnung in seinem grundlegenden Bestand auch im Bereich des Individualarbeitsrechts anerkannt. Die einschlägigen Maßstäbe der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich sind und auch vom Gerichtshof der Europäischen Union für die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie und der Gewährleistungen der Charta herangezogen werden, bestätigen diesen Befund. Eine Unterschreitung des vom Grundgesetz als unabdingbar gewährleisteten Grundrechtsstandards im Bereich der religiösen Selbstbestimmung scheidet nach alledem aus.
Das religiöse Selbstbestimmungsrecht als solches gehört zu dem vom Grundgesetz als unabdingbar vorausgesetzten Grundrechtsstandard, der auch im Zuge des europäischen Integrationsprozesses Bestand haben muss. Das Unionsrecht gewährleistet mit der Verbürgung der Religionsfreiheit in Art. 10 GRCh, auf die sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch Religionsgemeinschaften berufen können und welche unter anderem die autonome Bestimmung der „eigenen Angelegenheiten“ umfasst165, auf Ebene des Primärrechts einen strukturellen und gehaltvollen Schutz des religiösen Selbstbestimmungsrechts. Im normativen Ausgangspunkt besteht damit kein Konflikt mit den Wertungen des Grundgesetzes.
Der primärrechtlich verankerte Schutz der religiösen Selbstbestimmung kommt auch auf der Ebene des europäischen Sekundärrechts zum Tragen, hier namentlich in der Vorschrift des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie. Die Regelung ermöglicht es Religionsgemeinschaften, dass diese – unter näher genannten Voraussetzungen – Bewerber und Arbeitnehmer aufgrund religionsbezogener Merkmale unterschiedlich behandeln dürfen.
Die Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie niedergelegten Kriterien für die gebotene Abwägung der religiösen Belange mit den gegenläufigen Interessen der Arbeitnehmer führt nicht zu einer – aus Sicht des Grundgesetzes unzulässigen – staatlichen Beurteilung des Ethos der Religionsgemeinschaft. Im Gegenteil ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Bewertung der Legitimität des Ethos der Religionsgemeinschaften als solche grundsätzlich ausgeschlossen55. Der Umstand, dass die Rechtsposition der Religionsgemeinschaften von staatlichen Gerichten in einer Abwägung gewichtet werden muss, ändert hieran nichts. Den Religionsgemeinschaften verbleibt nämlich weiterhin die freie Bestimmung darüber, wie die jeweilige Glaubenslehre zu interpretieren ist, welcher Angebote und Dienste es zur Verwirklichung dieser Glaubenslehre bedarf sowie in welcher Organisationsform die konkrete Umsetzung erfolgt166. Wenn die staatlichen Gerichte bei der nach Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie erforderlichen Abwägung mit den gegenläufigen Interessen der Arbeitnehmer das Maß der jeweiligen Beeinträchtigung beurteilen, stellt das für sich genommen keine Bewertung des Ethos der Religionsgemeinschaft dar.
Dafür, dass der in der Unionsrechtsordnung vorgesehene Grundrechtsschutz in Bezug auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht nicht unter das vom Grundgesetz als unabdingbar zu fordernde Niveau abgesunken ist, spricht auch, dass der Gerichtshof der Europäischen Union die einschlägigen Maßstäbe der Europäischen Menschenrechtskonvention bei der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie und der Gewährleistungen der Charta herangezogen hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umfasst Art. 9 EMRK neben dem Schutz der individuellen Religionsfreiheit auch die Gewährleistung der korporativen Religionsfreiheit. Wo die Organisation der Religionsgemeinschaft eine Rolle spielt, muss Art. 9 Abs. 1 EMRK im Lichte des Art. 11 Abs. 1 EMRK ausgelegt werden, welcher die Tätigkeit der Gemeinschaft vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staates schützt. Ohne diesen Schutz der Organisation durch die Konvention würden auch alle anderen Aspekte der individuellen Religionsfreiheit beeinträchtigt167.
Wenn es – wie typischerweise bei Kündigungen – zu Konflikten zwischen zwei konventionsrechtlich geschützten Rechtspositionen der jeweiligen Grundrechtsträger kommt, sind die betroffenen Rechte miteinander abzuwägen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte räumt den Mitgliedstaaten an dieser Stelle einen weiten Einschätzungsspielraum ein, insbesondere dann, wenn es unter den Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention keinen Konsens über die Bedeutung des in Rede stehenden Rechts oder die Mittel zu dessen Schutz gibt. Dies ist im Bereich des Religionsrechts der Fall.
Religionsgemeinschaften steht das Recht zu, nach ihrer eigenen Einschätzung auf Gefahren für die religiöse Selbstbestimmung zu reagieren, wobei die staatlichen Behörden diese Einschätzung grundsätzlich hinzunehmen haben. Die bloße Behauptung einer Religionsgemeinschaft, dass ihre Selbstbestimmung tatsächlich oder möglicherweise bedroht ist, reicht jedoch nicht aus, um einen Eingriff in Rechtspositionen Dritter zu rechtfertigen. Vielmehr muss die Religionsgemeinschaft anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls darlegen, dass die behauptete Gefahr wahrscheinlich und erheblich ist, dass der Eingriff in die Rechtsposition nicht über das zur Beseitigung der Gefahr erforderliche Maß hinausreicht, willkürfrei ist und keine Zwecke verfolgt, die nicht in der religiösen Selbstbestimmung begründet liegen. Die Gerichte der Vertragsstaaten müssen durch eine eingehende und alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen sicherstellen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind168.
Hierbei gibt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestimmte Faktoren und Kriterien für die Abwägung vor. Die Zulässigkeit erhöhter Loyalitätsverpflichtungen setzt unter anderem voraus, dass diese im Hinblick auf die Wahrung der Glaubwürdigkeit der Religionsgemeinschaft „vernünftig“ beziehungsweise „annehmbar“ erscheinen169. Weiter wird berücksichtigt, ob und inwieweit das dem Betroffenen zurechenbare Verhalten in den Augen der Religionsgemeinschaft für unvereinbar mit ihren Glaubensüberzeugungen anzusehen ist und daher einen Verstoß gegen Loyalitätsverpflichtungen begründet. Hierbei wird auch eingestellt, wie nah sich die konkrete Tätigkeit des Betroffenen zum Verkündigungsauftrag der Religionsgemeinschaft befindet170. Zudem prüft der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, ob Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz bestand und ob die nationalen Gerichte die wesentlichen Umstände des Einzelfalls in die gebotene Interessenabwägung eingestellt haben171.
Zwischen dem Schutzstandard der Europäischen Menschenrechtskonvention und demjenigen des Unionsrechts in Bezug auf das kirchliche Arbeitsrecht zeigen sich mithin keine maßgeblichen Unterschiede. Beide Rechtsregime definieren den Schutzbereich der korporativen Religionsfreiheit nahezu deckungsgleich und streben für den Fall einer Kollision mit anderen Grundrechtspositionen in vergleichbarer Weise und nach ähnlichen Kriterien einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen an172.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich zur Bestimmung der Bedeutung und Tragweite der Garantien in Art. 10 GRCh an den korrespondierenden konventionsrechtlichen Gewährleistungen – hier Art. 9 in Verbindung mit Art. 11 EMRK – sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte orientiert (vgl. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh). Das zeigt sich darin, dass der Gerichtshof der Europäischen Union das religiöse Selbstbestimmungsrecht grundsätzlich als von Art. 10 Abs. 1 GRCh erfasstes Schutzgut ansieht, wofür er auf die korrespondierende Gewährleistung in Art. 9 EMRK verweist173. Er bestätigt im Urteil vom 17.04.2018, dass ein Kernbestandteil des religiösen Selbstbestimmungsrechts, nämlich die Freiheit, das kirchliche Ethos frei von staatlicher Beurteilung zu bestimmen und den eigenen Handlungen zugrunde zu legen, im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie zu beachten ist, und verweist hierzu auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte55. Die vom Gerichtshof der Europäischen Union gewählte Formulierung entspricht nahezu wortgleich derjenigen des in Bezug genommenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte174 und ist lediglich an die Terminologie der maßgeblichen Vorschrift des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie angepasst175.
Auch im Rahmen der Auslegung des einschlägigen Sekundärrechts176 orientiert sich der Gerichtshof der Europäischen Union zumindest implizit an den einschlägigen Maßstäben der Europäischen Menschenrechtskonvention. Vergleicht man die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Reichweite und Grenzen des religiösen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 9 in Verbindung mit Art. 11 EMRK177 mit der Wortwahl des Gerichtshofs im Urteil vom 17.04.2018, so sticht die Ähnlichkeit der jeweiligen Formulierungen ins Auge. So entspricht etwa die Auslegung des Begriffs „rechtmäßig“ im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie, wonach die in Streit stehende berufliche Anforderung „nicht zur Verfolgung eines sachfremden Ziels ohne Bezug zu dem religiösen oder weltanschaulichen Ethos oder zur Ausübung des Rechts dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie“ dienen darf178, nahezu wortgleich der Formulierung der aus dem Konventionsrecht folgenden Anforderung, dass ein durch die Ausübung des religiösen Selbstbestimmungsrechts bedingter Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen keinen Zweck verfolgen darf, der mit der Ausübung des religiösen Selbstbestimmungsrechts in keinem Zusammenhang steht179. Weitere Ähnlichkeiten zeigen sich in der Auslegung des Begriffs „gerechtfertigt“ in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie durch den Gerichtshof180 und den im Konventionsrecht verankerten Anforderungen an die grundsätzliche Eröffnung einer gerichtlichen Kontrollmöglichkeit und der Obliegenheit der Religionsgemeinschaft, anhand der Umstände des Einzelfalls darzulegen, dass die behauptete Gefahr für die religiöse Selbstbestimmung wahrscheinlich und hinreichend gewichtig ist179.
Eine Unterschreitung des vom Grundgesetz als unabdingbar gewährleisteten Grundrechtsstandards durch das Unionsrecht in Bezug auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht im Bereich des Individualarbeitsrechts scheidet nach alledem aus. Auch der vom Arbeitgeber angeführte Umstand, dass die Gewichtung der kirchlichen Belange nicht nur vom Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften abhängt, sondern einer Beurteilung durch die staatlichen Gerichte unterliege, unterschreitet das unabdingbare Maß des Grundrechtsschutzes nicht. Insoweit trifft es zwar zu, dass durch die in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie vorgegebenen Kriterien in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union der Freiraum der Religionsgemeinschaften zur Bestimmung der beruflichen Anforderungen eingeschränkt und dadurch zugleich der Schutz der Arbeitnehmer vor Diskriminierung tendenziell gestärkt wird. Dieser Befund bedeutet jedoch nicht, dass die Rechtsposition der Religionsgemeinschaften in der Abwägung übergangen würde – sie setzt sich nur nicht ohne Weiteres gegenüber der anderen Rechtsposition durch181. Wenn sich die Religionsgemeinschaften im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts der Mittel des staatlichen Rechts bedienen, bewegen sie sich nicht in einem rechtsfreien Raum. Etwaige Beschränkungen von Rechtspositionen Dritter müssen aus Gründen des Grundrechtsschutzes kontrollier- und gewichtbar sein; für eine „prinzipielle Privilegierung“ der Interessen der Religionsgemeinschaften ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Raum182. Insgesamt schützt das Unionsrecht die religiöse Selbstbestimmung zwar mit anderer Akzentuierung im Sinne einer gehaltvolleren Prüfung und Abwägung der betroffenen Rechtspositionen als die bisherige deutsche Rechtsprechung; im Ergebnis ergibt sich aber ein in der Sache strukturell vergleichbarer Schutz.
EU-Gleichbehandlungsrichtlinie und deutscher Gestaltungsspielraum
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.10.2018 verletzt den Arbeitgeber in seinem religiösen Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV. Nach den durch das Unionsrecht konkretisierten verfassungsrechtlichen Maßstäben unterliegt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.10.2018 zwar insoweit keinen Bedenken, als es von der Unanwendbarkeit des § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG ausgeht. Es verstößt jedoch gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, weil die bei der Anwendung des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG vorgenommene Güterabwägung dem religiösen Selbstbestimmungsrecht des Arbeitgebers nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trägt.
Das angegriffene Urteil des Bundesarbeitsgerichts verstößt insoweit nicht gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, als es den zugunsten kirchlicher Arbeitgeber geschaffenen Rechtfertigungsgrund des § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG wegen dessen Unvereinbarkeit mit Unionsrecht nicht zur Anwendung gebracht hat.
Das Bundesarbeitsgericht geht in der angegriffenen Entscheidung davon aus, dass § 9 Abs. 1 AGG nicht im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie nach Maßgabe der Rechtsprechung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ausgelegt werden könne183. Nach seinem Verständnis184 kommt es für die Rechtfertigung einer Benachteiligung wegen der Religion gemäß § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG maßgeblich auf das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft und gerade nicht auf die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung an. Legt man diese Auslegung zugrunde, ist § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG mit den Vorgaben aus Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie nicht vereinbar und daher auch in einem Rechtsstreit zwischen Privaten außer Anwendung zu lassen185. Dieses Vorgehen des Bundesarbeitsgerichts ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden186.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verletzt mit der gegebenen Begründung jedoch Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, weil es die Tragweite des religiösen Selbstbestimmungsrechts bei der im Rahmen des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG vorzunehmenden Güterabwägung nicht hinreichend beachtet. Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG, die der Abwägung der Interessen des Beschäftigten mit denen des kirchlichen Arbeitgebers dienen, orientiert sich das Bundesarbeitsgericht zwar zu Recht an Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie und der Konkretisierung dieser Bestimmung im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.04.2018. Es berücksichtigt jedoch nicht hinreichend die grundrechtlichen Gestaltungsspielräume, die den Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof belassen werden, und die weiterhin geltenden – in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben modifizierten – Grundsätze der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Zweistufenprüfung mit der Folge, dass es sein eigenes Verständnis einer glaubwürdigen Vertretung des kirchlichen Ethos an die Stelle des Verständnisses des Arbeitgebers setzt. Dadurch überspannt das Bundesarbeitsgericht die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu beachtenden Vorgaben zulasten des religiösen Selbstbestimmungsrechts des Arbeitgebers.
Das Bundesarbeitsgericht legt § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dahingehend aus, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung dann zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.
Es verkennt indes, dass Art. 4 Abs. 2 Gleichbehandlungsrichtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 17.04.2018 dem nationalen Recht Spielräume belässt, innerhalb derer die grundrechtlichen Vorgaben der Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gelten. Die fehlende Berücksichtigung dieser Spielräume bildet den Ausgangspunkt dafür, dass das Bundesarbeitsgericht dem religiösen Selbstbestimmungsrecht im Rahmen der Abwägung mit dem Recht der Bewerberin, nicht wegen ihrer Religion diskriminiert zu werden, nicht das Gewicht beimisst, welches ihm nach der Verfassung zukommt.
Gegenstand der auf der ersten Stufe durchzuführenden Schrankenprüfung nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG ist nach der Konkretisierung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union das objektiv überprüfbare Vorliegen eines direkten Zusammenhangs zwischen der vom Arbeitgeber aufgestellten beruflichen Anforderung, hier der Kirchenmitgliedschaft, und der fraglichen Tätigkeit. Dafür bedarf es einer entsprechenden Feststellung im Hinblick auf die sich aus dem Ethos der Religionsgemeinschaft ergebende Anforderung anhand von deren Darlegungen, die auf Plausibilität zu prüfen sind.
In Umsetzung dieser Vorgaben stellt das Bundesarbeitsgericht zwar den direkten Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung der Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche mit den Umständen der Ausübung der vorliegend in Rede stehenden Tätigkeit fest187. Es stellt dabei unter Berücksichtigung des Vortrags des Arbeitgebers188 und der Stellenausschreibung darauf ab, dass der Stelleninhaber den Arbeitgeber nach außen glaubwürdig gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Menschenrechtsorganisationen zu vertreten und dafür zu sorgen hatte, dass – aus spezifisch christlicher Sicht und dem darauf beruhenden Menschenbild – bestehende Defizite bei der Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention in Deutschland und gebotene Handlungsoptionen aufgezeigt und kommuniziert werden sowie in den Parallelbericht einfließen189. Insoweit wirke sich auch aus – so das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich -, dass sich das christliche Verständnis der Menschenrechte in vielerlei Hinsicht von entsprechenden säkularen Ansätzen, die von vielen anderen an der Berichterstattung beteiligten Organisationen vertreten würden, unterscheide. So sei für das Christentum Antirassismus bereits aufgrund der Überzeugung von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen konstitutiv190.
Die sich hieran anschließende Subsumtion des Bundesarbeitsgerichts unter die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG nimmt dieses Selbstverständnis der Kirche im Hinblick auf den objektiven Zusammenhang zwischen der ausgeschriebenen Position und dem Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft indes nicht zum Ausgangspunkt der nachfolgenden Abwägung. Bei der Auslegung und Anwendung der Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG misst das Gericht damit dem Selbstbestimmungsrecht nicht jene besondere Bedeutung bei, die ihm das Verfassungsrecht innerhalb des durch das Unionsrecht gesetzten Rahmens einräumt.
Vielmehr setzt es sich über den von ihm selbst eingeräumten Umstand hinweg, dass der Stelleninhaber unter anderem die spezifisch christliche Sicht des Arbeitgebers auf die Vorgaben der UN-Antirassismuskonvention, gegebenenfalls auch in Auseinandersetzung mit gegenläufigen Positionen anderer an der Erstellung des Berichts beteiligter Organisationen, zu vertreten hatte. Dass der Arbeitgeber mit dieser Aufgabe, das heißt der glaubwürdigen und authentischen Vertretung des Ethos des Arbeitgebers im Rahmen der Erstellung des Parallelberichts, nach der Stellenausschreibung nur eine Person betrauen wollte, die die damit verbundenen, aus christlicher Perspektive für die religiöse Identität konstitutiven Überzeugungen auch persönlich als Kirchenmitglied verkörpert, wird vom Bundesarbeitsgericht mit dem Argument beiseitegeschoben, dass es auf die Bekundung des christlichen Selbstverständnisses nur insoweit ankomme, als mit Auffassungsunterschieden im Hinblick auf die Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention zu rechnen gewesen sei. Insoweit sei es allerdings ausreichend, dass der Stelleninhaber über die maßgeblichen Fakten sowie verfassungsrechtliche, völkerrechtliche und unionsrechtliche Grundlagen kirchlicher Einstellungspraxis unterrichtet sei und über fundierte Kenntnisse des kirchlichen Arbeitsrechts verfüge191. Entscheidend wirke sich hier auch aus, dass er fortwährend in einen internen Meinungsbildungsprozess bei dem Arbeitgeber eingebunden gewesen sei und insofern nicht unabhängig habe handeln können192.
Mit dieser Argumentation stellt das Bundesarbeitsgericht sein eigenes Verständnis einer glaubwürdigen Vertretung des kirchlichen Ethos nach außen im vorliegenden Zusammenhang an die Stelle des Verständnisses des Arbeitgebers. Damit, dass dessen Verständnis von vornherein nicht plausibel dargelegt sei, setzt sich das Gericht nicht auseinander. Davon geht es ersichtlich auch nicht aus193.
Mangels Berücksichtigung des plausibel – und damit ausreichend – dargelegten christlichen Profils der verfahrensgegenständlichen Stelle überspannt das Bundesarbeitsgericht in der Folge bei der Anwendung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG die nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu beachtenden Vorgaben zulasten des religiösen Selbstbestimmungsrechts. Indem das Gericht seine Sicht auf die ausgeschriebene Tätigkeit und deren Zusammenhang mit der Kirchenmitgliedschaft an die Stelle der Sicht des Arbeitgebers setzt, wird das Interesse des Arbeitgebers, eine christliche Sicht auf mögliche Menschenrechtsverletzungen in den Parallelbericht zur UN-Antirassismuskonvention einfließen zu lassen, nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise gewichtet.
Die vom Bundesarbeitsgericht geäußerten erheblichen Zweifel daran, dass die vom Arbeitgeber geforderte berufliche Anforderung der Zugehörigkeit zu einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche „wesentlich“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG ist, lassen die gebotene Einbeziehung des religiösen Selbstbestimmungsrechts des Arbeitgebers nicht erkennen. Zwar gesteht das Bundesarbeitsgericht zu, dass der Arbeitgeber „grundsätzlich“ ein Interesse gehabt habe, seine vom christlichen Selbstverständnis getragene, spezifische Position zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention zur Geltung zu bringen194. Bei der Abwägung wird dieses Interesse an einer glaubwürdigen Vertretung seines Ethos durch einen Stelleninhaber, der selbst Kirchenmitglied ist, aber ohne hinreichende Gründe relativiert.
Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Stelleninhaber nicht durch Bekundung des christlichen Selbstverständnisses auf die beteiligten Organisationen einzuwirken habe. Vielmehr habe er „nur“ abweichende Positionen in den zu erstellenden Bericht einbringen müssen und dies auch „nur“ dort, wo sich Unterschiede zu den beteiligten Organisationen ergäben195. Im Ergebnis stützt das Bundesarbeitsgericht seine Zweifel an der Notwendigkeit der für den Stelleninhaber vorgesehenen Kirchenzugehörigkeit mithin darauf, dass dieser die spezifische Sichtweise des Arbeitgebers nach der Aufgabenbeschreibung in den zu erstellenden Bericht ohnehin nicht eigenverantwortlich habe einbringen können oder sollen. Dies steht in Widerspruch zu der in der Stellenausschreibung explizit genannten; und vom Arbeitgeber vorgetragenen Anforderung, ihn nach außen hin gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Menschenrechtsorganisationen zu repräsentieren.
Zudem stellt das Bundesarbeitsgericht bei den Erwägungen zur Wesentlichkeit der Kirchenzugehörigkeit für die Tätigkeit maßgeblich auf den Parallelbericht zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention ab und leitet die fehlende Notwendigkeit der beruflichen Anforderungen unter anderem aus dem Inhalt der tatsächlich abgegebenen späteren Stellungnahme ab196. Insofern setzt es sich in Widerspruch zu seinen übrigen Ausführungen, die sich bei der Beurteilung der Frage, ob der Arbeitgeber gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen hat, zu Recht ausschließlich auf den Zeitpunkt der Stellenausschreibung beziehen. Die hiervon abweichende Ex-post-Betrachtung des Merkmals der „Wesentlichkeit“ ist mit dem religiösen Selbstbestimmungsrecht unvereinbar. Die Frage, ob eine berufliche Anforderung für eine Tätigkeit wesentlich ist, kann nicht nachträglich anhand dessen beurteilt werden, was der für die Stelle Ausgewählte tatsächlich geleistet hat. Eine solche Betrachtung rückt in Verkennung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach die Frage der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung „angesichts des Ethos der Organisation“ zu beurteilen ist, unzutreffend das schließlich erreichte Arbeitsergebnis in den Vordergrund, das von vielen Faktoren abhängt, die für die ausschreibende Religionsgemeinschaft beziehungsweise religiöse Einrichtung nicht vorhersehbar waren.
Ferner ist nicht ersichtlich, dass das Bundesarbeitsgericht die Aufgabe der Vertretung des Arbeitgebers nach außen, aus der es zuvor unter anderem den direkten Zusammenhang zwischen der beruflichen Anforderung der Kirchenmitgliedschaft und der ausgeschriebenen Tätigkeit abgeleitet hatte, angemessen gewichtet hat. Es findet zum einen keine eingehendere Auseinandersetzung damit statt, inwieweit ein einzustellender Referent der Kritik beteiligter Organisationen, insbesondere an der kirchlichen Einstellungspolitik, glaubwürdig allein mit fundierten rechtlichen Kenntnissen, etwa des kirchlichen Arbeitsrechts, entgegentreten kann. Zum anderen wird seitens des Bundesarbeitsgerichts nicht hinreichend in die Abwägung einbezogen, dass der Arbeitgeber an dieser Stelle eine glaubwürdige und nach außen hin authentische Vertretung der eigenen Position anstrebt, die er an der Kirchenzugehörigkeit festmacht. Dabei lässt das Bundesarbeitsgericht außer Acht, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17.04.2018 ausdrücklich festgehalten hat, dass die Notwendigkeit einer glaubwürdigen Vertretung der Kirche nach außen die Rechtmäßigkeit einer Ungleichbehandlung wegen der Religion begründen kann107. Das Bundesarbeitsgericht stellt mithin maßgeblich auf die eigene Sichtweise ab, anstatt das Selbstverständnis des Arbeitgebers in Bezug auf die mit der Tätigkeit einhergehenden repräsentativen, eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben entsprechend zu würdigen. Dies wird der Gewährleistung aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV nicht gerecht.
Auch soweit das Bundesarbeitsgericht ausführt, dass die vom Arbeitgeber formulierte berufliche Anforderung nicht gerechtfertigt ist, trägt es dem religiösen Selbstbestimmungsrecht nicht ausreichend Rechnung.
Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Arbeitgeber weder eine Gefahr der Beeinträchtigung seines Rechts auf Autonomie noch seines Ethos dargetan habe. Zur Begründung argumentiert es unter anderem damit, dass das Recht des Arbeitgebers auf Autonomie schon nicht betroffen sei, weil zu den Aufgaben bei der Berichterstellung nicht die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts gehöre197. Hierbei übergeht es wiederum die Aufgabe des Stelleninhabers, den Arbeitgeber mit seiner spezifisch christlichen Sichtweise auf die UN-Antirassismuskonvention und ihre Umsetzung in Deutschland nach außen hin zu vertreten und dessen Standpunkt in den Bericht einzubringen. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass die Sicht des Arbeitgebers auf den Inhalt und die Bedeutung der Aufgabe überhaupt in die Prüfung eingeflossen ist. Das gilt insbesondere insoweit, als das Bundesarbeitsgericht im Weiteren abermals zugrundelegt, eine ausdrückliche Bekundung des spezifisch christlichen Selbstverständnisses sei „nur dort überhaupt notwendig“, wo sich Auffassungsunterschiede zu den beteiligten Organisationen ergäben198.
Im Übrigen stellt das Bundesarbeitsgericht entscheidend darauf ab, dass der Stelleninhaber infragen, die das Ethos betreffen, nicht selbständig habe handeln und dieses daher nicht durch ungeschützte und unabgestimmte Positionierungen habe beeinträchtigen können. Insoweit stützt sich das Gericht auf die Stellenausschreibung, der zufolge der Stelleninhaber bei seiner Tätigkeit im Zentrum „Migration und Soziales“ des Arbeitgebers fortwährend in einen internen Meinungsbildungsprozess eingebunden sei199. Die aus der Stellenanzeige ersichtlichen Anforderungen an den Bewerber, die Diakonie Deutschland projektbezogen unter anderem gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit zu vertreten, sowie die „Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung“ und „zu häufigen Dienstreisen“ bleiben bei diesen Überlegungen allerdings unberücksichtigt.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. September 2025 – 2 BvR 934/19
- ArbG Berlin, Urteil vom 18.12.2013 – 54 Ca 6322/13[↩]
- LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vo 28.05.20214 – 4 Sa 157/14, 4 Sa 238/14[↩]
- BAG, Beschluss vom 17.03.2016 – 8 AZR 501/14 (A).[↩]
- EuGH, Urteil Egenberger vom 17.04.2018 – C-414/16, EU:C:2017:851[↩]
- BAG, Urteil vom 25.10.2018 – 8 AZR 501/14[↩]
- vgl. BVerfGE 142, 123 <179 f. Rn. 97> 163, 363 <424 Rn. 116> – EPA[↩]
- vgl. BVerfGE 134, 366 <382 Rn. 23> 142, 123 <180 Rn. 99>[↩]
- vgl. BVerfGE 142, 123 <174 f. Rn. 83> BVerfG, Beschluss vom 23.07.2024 – 2 BvR 557/19, Rn. 60[↩]
- vgl. BVerfGE 125, 39 <73> 129, 78 <91>[↩]
- vgl. BVerfGE 129, 78 <91> BVerfG, Beschluss vom 03.11.2015 – 1 BvR 1766/15 unter anderem, Rn. 6[↩]
- vgl. BVerfGE 89, 155 <171 f.> 123, 267 <330 ff.> 129, 124 <167 ff.> 134, 366 <380 Rn. 17>[↩]
- vgl. BVerfGE 151, 1 <46 Rn. 106> – Wahlrechtsausschluss Bundestagswahl[↩]
- vgl. BVerfGE 5, 77 <82> 46, 196 <199>[↩]
- vgl. BVerfGE 1, 208 <242> 4, 27 <30> 6, 84 <91> 51, 222 <233> 60, 162 <167> 82, 322 <336> 95, 408 <417>[↩]
- vgl. BVerfGE 123, 267 <344, 353 f.> 126, 286 <302> 129, 78 <100> 134, 366 <384 f. Rn. 27> 140, 317 <337 Rn. 43>[↩]
- vgl. BVerfGE 123, 267 <354 f.> 140, 317 <337 Rn. 43, 50>[↩]
- vgl. BVerfGE 140, 317 <341 Rn. 48>[↩]
- vgl. BVerfGE 123, 267 <340 f.> 132, 195 <238 Rn. 104> 135, 317 <386 Rn. 125>[↩]
- vgl. BVerfGE 87, 209 <228> Hillgruber, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 1 Rn. 3[↩]
- vgl. BVerfGE 95, 220 <242> 149, 160 <190 Rn. 92>[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 152 <169 Rn. 42> – Recht auf Vergessen I[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 152 <169 Rn. 43>[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 152 <169 f. Rn. 44>[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 152 <171 Rn. 49>[↩]
- BVerfGE 152, 152 <172 Rn. 50>[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 152 <177 Rn. 60>[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 152 <177 Rn. 61>[↩]
- BVerfGE 152, 152 <179 Rn. 63>[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 216 <247 f. Rn. 80> – Recht auf Vergessen II[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 216 <246 f. Rn. 78> 158, 1 <26 Rn. 42> – Ökotox-Daten[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 216 <247 Rn. 79> 158, 1 <26 Rn. 43>[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 216 <247 f. Rn. 80> 158, 1 <27 Rn. 44> EuGH, Funke Medien NRW, 29.07.2019, – C-469/17, EU:C:2019:623, Rn. 40 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 216 <231 f. Rn. 39> vgl. auch EuGH, Österreichischer Rundfunk unter anderem, 20.05.2003, – C-465/00 unter anderem, EU:C:2003:294, Rn. 100; Lindqvist, 06.11.2003, – C-101/01, EU:C:2003:596, Rn. 95 ff.; Breyer, 19.10.2016, – C-582/14, EU:C:2016:779, Rn. 57[↩]
- s. dazu EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 63; IR, 11.09.2018, – C-68/17, EU:C:2018:696, Rn. 50 ff.[↩]
- vgl. dazu Völkerding, Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG, 2021, S. 318[↩]
- vgl. dazu Völkerding, Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG, 2021, S. 319[↩]
- vgl. insoweit den ähnlich lautenden Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie[↩]
- vgl. Baumgärtner, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, § 1 AGG Rn. 44.1 mit Hinweisen zur Rechtslage in Irland, Dänemark, Schweden und Finnland[↩]
- vgl. Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, S. 430 f.[↩]
- EuGH, WABE und Müller, 15.07.2021, – C-804/18 unter anderem, EU:C:2021:594; vgl. Rn. 16[↩]
- EuGH, Commune d’Ans, 28.11.2023, – C-148/22, EU:C:2023:924; vgl. Rn. 18[↩]
- vgl. EuGH, WABE und Müller, 15.07.2021, – C-804/18 unter anderem, EU:C:2021:594, Rn. 86; Commune d’Ans, 28.11.2023, – C-148/22, EU:C:2023:924, Rn. 34[↩]
- EuGH, Centraal Israëlitisch Consistorie van België unter anderem, 17.12.2020, – C-336/19, EU:C:2020:1031[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 67[↩][↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 58; IR, 11.09.2018, – C-68/17, EU:C:2018:696, Rn. 48[↩]
- vgl. Classen, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 17 AEUV Rn. 11 ; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmair, EUV/AEUV, 7. Aufl.2023, Art. 17 AEUV Rn. 2; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl.2018, Art. 17 AEUV Rn. 2, 5; Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl.2022, Art. 17 AEUV Rn. 15[↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 57, 50[↩]
- KOM<1999> 565 endg., ABl EG C Nr. 177 E vom 27.06.2000, S. 42 ff.[↩]
- ausführlich zur Entstehungsgeschichte Triebel, Das Europäische Religionsrecht am Beispiel der arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG, 2005, S. 89 ff.[↩]
- vgl. Triebel, Das Europäische Religionsrecht am Beispiel der arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG, 2005, S. 140 f., 293; Völkerding, Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG, 2021, S. 142 f., 319[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 152 <170 f. Rn. 48>[↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 50[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 75 ff.[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 78 f.[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 61[↩][↩][↩][↩][↩][↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 59[↩][↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 52 f.[↩]
- vgl. Walter, Religionsverfassungsrecht, 2006, S. 427 ff.[↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16; EU:C:2018:257, Rn. 76 f.[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 78[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 79; zu der „negativen“ unmittelbaren Wirkung von Art. 21 GRCh im Horizontalverhältnis vgl. Wendel/Seyller, EuGRZ 2024, S. 545 <551 ff.> mit umfassenden Nachweisen zur Rechtsprechung[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 80 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 85, 191 <206> 97, 186 <197> 114, 357 <364>[↩]
- vgl. BVerfGE 85, 191 <206> 121, 241 <254>[↩]
- vgl. BVerfGE 17, 1 <27> Nußberger/Hey, in: Sachs, GG, 10. Aufl.2024, Art. 3 Rn. 233[↩]
- vgl. Nußberger/Hey, in: Sachs, GG, 10. Aufl.2024, Art. 3 Rn. 236; Baer/Markard, in: Huber/Voßkuhle, GG, 8. Aufl.2024, Art. 3 Rn. 407; zur engen Verbindung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG hinsichtlich des Merkmals „Rasse“ vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.11.2020 – 1 BvR 2727/19, Rn. 18[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/1780, S. 23[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2012 – V ZR 115/11 26; Urteil vom 15.01.2013 – XI ZR 22/12 28; von Achenbach in: Dreier GG, 4. Aufl.2023 Art. 3 Abs. 2 Rn. 37, 26; Britz, VVDStRL 64 <2005>, S. 355 <361 f.>[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <303 Rn. 83> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <303 f. Rn. 84> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <304 Rn. 85> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 53, 366 <401> 137, 273 <306 Rn. 90>[↩]
- vgl. BVerfGE 46, 73 <85 ff.> 53, 366 <391> 57, 220 <242> 70, 138 <162> 137, 273 <306 f. Rn. 92>[↩]
- vgl. BVerfGE 46, 73 <87> 70, 138 <163 ff.> 137, 273 <307 Rn. 93>[↩]
- vgl. BVerfGE 70, 138 <164> 99, 100 <125> 137, 273 <307 Rn. 95>[↩]
- vgl. BVerfGE 53, 366 <399> 137, 273 <307 f. Rn. 95>[↩]
- vgl. BVerfGE 70, 138 <165> 137, 273 <308 Rn. 95> BVerfGK 12, 308 <330>[↩]
- vgl. BVerfGE 70, 138 <164 f.> 137, 273 <308 Rn. 97>[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <308 f. Rn. 97>[↩]
- vgl. BVerfGE 24, 236 <245 f.> 125, 39 <79> 137, 273 <309 Rn. 98>[↩]
- vgl. BVerfGE 42, 312 <323> 53, 366 <387> 83, 341 <355> 105, 279 <293> 137, 273 <309 Rn. 98>[↩]
- vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.> 137, 273 <309 f. Rn. 101>[↩]
- vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.>[↩]
- vgl. BVerfGE 18, 385 <386 f.> 24, 236 <248> 108, 282 <298 f.>[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <314 ff. Rn. 112 ff.> Unruh, Religionsverfassungsrecht, 4. Aufl.2018, § 6 Rn. 159; Ehlers/Jasper, in: Sachs, GG, 10. Aufl.2024, Art. 137 WRV Rn. 6[↩]
- vgl. Korioth, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 137 WRV Rn. 29[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <310 Rn. 102> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <311 f. Rn. 105>[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 42, 312 <333>[↩]
- vgl. BVerfGE 53, 366 <400 f.>[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <312 Rn. 106>[↩]
- vgl. BVerfGE 83, 341 <356> 137, 273 <314 Rn. 110 f.>[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <314 Rn. 111> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <314 ff. Rn. 112 ff., 335 Rn. 163>[↩]
- vgl. BVerfGE 70, 138 <168> 102, 370 <392 ff.> 137, 273 <316 f. Rn. 118>[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <317 Rn. 120>[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <319 Rn. 124>[↩]
- vgl. BVerfGE 53, 366 <401> 66, 1 <22> 70, 138 <167> 72, 278 <289> 137, 273 <319 f. Rn. 125> BVerfGK 12, 308 <333>[↩]
- vgl. BVerfGE 70, 138 <170 ff.> 137, 273 <319 f. Rn. 125>[↩]
- vgl. BVerfGE 137, 273 <320 Rn. 126>[↩]
- vgl. BVerfGE 123, 267 <399> 126, 286 <301>[↩]
- vgl. grundlegend EuGH, Costa/E.N.E.L., 15.07.1964, – C-6/64, EU:C:1964:66; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 126, 286 <302>[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 129, 78 <100>[↩]
- vgl. BVerfGE 126, 286 <301>[↩]
- vgl. BVerfGE 140, 317 <352 Rn. 77> BVerfG, Beschluss vom 04.11.2015 – 2 BvR 282/13 unter anderem, Rn. 11; aus dem Schrifttum vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl.2022, Art. 1 AEUV Rn. 24[↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 63[↩][↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 65[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 66[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 68[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 50 f.[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 50-52, 64-68[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 63[↩]
- ähnlich Hammer/Oberlinger, ZTR 2019, S. 127 <128>[↩]
- vgl. BVerfGE 73, 339 <375 f.> 123, 267 <348 ff., 398> 126, 286 <302> 134, 366 <384 Rn. 26>[↩]
- vgl. EuGH, Les Verts/Parlament, – C-294/83, 23.04.1986, EU:C:1986:166, Rn. 23[↩]
- vgl. BVerfGE 142, 123 <199 Rn. 144> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 126, 286 <303> 142, 123 <199 Rn. 144>[↩]
- vgl. BVerfGE 142, 123 <199 Rn. 144>[↩]
- vgl. BVerfGE 164, 193 <283 Rn. 127> m.w.N. – ERatG – NGEU[↩]
- vgl. BVerfGE 126, 286 <303>[↩]
- vgl. BVerfGE 154, 17 <92 Rn. 112> – PSPP-Programm der EZB; 164, 193 <283 f. Rn. 129> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 154, 17 <90 Rn. 110> 164, 193 <283 f. Rn. 129>[↩]
- vgl. BVerfGE 126, 286 <304> 134, 366 <392 Rn. 37> 142, 123 <200 Rn. 148> 151, 202 <300 f. Rn. 151> – Europäische Bankenunion; 154, 17 <90 Rn. 110>[↩]
- vgl. BVerfGE 164, 193 <284 Rn. 130> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 164, 193 <284 Rn. 131> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 142, 123 <205 Rn. 158>[↩]
- vgl. BVerfGE 142, 123 <206 f. Rn. 160>[↩]
- vgl. BVerfGE 126, 286 <307>[↩]
- vgl. BVerfGE 142, 123 <207 Rn. 161>[↩]
- vgl. BVerfGE 126, 286 <309> 151, 202 <301 Rn. 153> 154, 17 <90 Rn. 110>[↩]
- vgl. BVerfGE 164, 193 <284 f. Rn. 132> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 73, 339 <387> 102, 147 <162 f.> 125, 260 <306> 152, 216 <236 Rn. 47> 155, 119 <163 Rn. 84> – Bestandsdatenauskunft II[↩]
- vgl. BVerfGE 73, 339 <387> 102, 147 <162 ff.> 152, 216 <236 Rn. 48> m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 123, 267 <354> 140, 317 <337 Rn. 43> 142, 123 <204 Rn. 155>[↩]
- vgl. BVerfGE 126, 286 <304> 134, 366 <382 ff. Rn. 22 ff.> 142, 123 <204 Rn. 156> 152, 216 <243 f. Rn. 68, 70> 164, 193 <287 f. Rn. 139>[↩]
- so etwa Greiner, jM 2018, S. 233 <235>[↩]
- zur Problematik der Definition des Begriffes vgl. Nebeling/Lankes, RdA 2023, S. 33 <38>[↩]
- vgl. Greiner, jM 2018, S. 233 <235>[↩]
- vgl. Classen, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 17 AEUV Rn. 28 f.[↩]
- vgl. Classen, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 17 AEUV Rn. 3 ; Greiner, jM 2018, S. 233 <235>[↩]
- vgl. Schmidt, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Aufl.2019, Art. 17 Rn.20; Fremuth, EuZW 2018, S. 723 <729> Kahl, ZevKR 65 <2020>, S. 107 <122>[↩]
- vgl. Classen, EuR 2018, S. 752 <761> Greiner, jM 2018, S. 233 <235> Kahl, ZevKR 65 <2020>, S. 107 <123>[↩]
- vgl. Unruh, Religionsverfassungsrecht, 4. Aufl.2018, § 18 Rn. 599; Streinz, Europarecht, 12. Aufl.2023, S. 468; Czermak/Hilgendorf, Religions- und Weltanschauungsrecht, 2. Aufl.2018, S. 300; Joussen, EuZA 2018, S. 421 <435> Nebeling/Lankes, RdA 2023, S. 33 <36>[↩]
- vgl. Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl.2018, Art. 17 AEUV Rn. 3[↩]
- Joussen, EuZA 2018, S. 421 <435>[↩]
- vgl. Nebeling/Lankes, RdA 2023, S. 33 <36>[↩][↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 50 ff.[↩][↩]
- vgl. EuGH, Generalanwalt Tanchev, Schlussanträge vom 09.11.2017, Egenberger, – C-414/16, EU:C:2017:851, Rn. 97[↩]
- vgl. auch Junker, NJW 2018, S. 1850 <1852>[↩]
- vgl. EuGH, Generalanwalt Tanchev, Schlussanträge vom 09.11.2017, Egenberger, – C-414/16, EU:C:2017:851, Rn. 98 f.; vgl. auch Junker, NJW 2018, S. 1850 <1852>[↩]
- vgl. Joussen, EuZA 2018, S. 421 <435>[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 58[↩]
- so auch das von der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales vorgelegte Gutachten vom 14.01.2020 unter Verweis auf EuGH, Sirdar, 26.10.1999, – C-273/97, EU:C:1999:523, Rn. 11-20[↩]
- so auch das von der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales vorgelegte Gutachten vom 14.01.2020 und die Stellungnahme der Bewerberin des Ausgangsverfahrens vom 13.09.2019, jeweils unter Verweis auf EuGH, Tanja Kreil, 11.01.2000, – C-285/98, EU:C:2000:2[↩]
- vgl. nur Art. 18, 45, 49, 157 AEUV und Art. 21 GRCh[↩]
- vgl. Khan/Schäffer, in: Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmair, EUV/AEUV, 7. Aufl.2023, Art.19 AEUV Rn. 1[↩]
- vgl. EuGH, Generalanwalt Tanchev, Schlussanträge vom 09.11.2017, Egenberger, – C-414/16, EU:C:2017:851, Rn. 113 ff.[↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 44[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 50 ff.[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 47, 75[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 50[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 46[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 47 ff.[↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 50 f., 61[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 20.02.2019 – 2 AZR 746/14 76; Giehl, Die Europäisierung des kirchlichen Individualarbeitsrechts, 2022, S. 138 f.; Schneedorf, NJW 2019, S. 177 <179> Schubert, EuZA 2020, S. 320 <352>[↩]
- vgl. EGMR , Hasan and Chaush v. Bulgaria, 26.10.2000, 30985/96, § 62; EGMR, Metropolitan Church of Bessarabia et al. v. Moldova, 13.12.2001, 45701/99, § 118; Holy Synod of the Bulgarian Orthodox Church et al. v. Bulgaria, 22.01.2009, 412/03 unter anderem, § 103; Obst c. Allemagne, 23.09.2010, 425/03, § 44; Siebenhaar c. Allemagne, 03.02.2011, 18136/02, § 41; EGMR , Sindicatul „Pistorul cel Bun“ v. Romania, 09.07.2013, 2330/09, § 136; Fernández Martínez v. Spain, 12.06.2014, 56030/07, § 127[↩]
- vgl. EGMR , Sindicatul „Pistorul cel Bun“ v. Romania, 09.07.2013, 2330/09, § 159; Fernández Martínez v. Spain, 12.06.2014, 56030/07, § 132; ähnlich EGMR, Siebenhaar c. Allemagne, 03.02.2011, 18136/02, § 45[↩]
- vgl. EGMR, Obst c. Allemagne, 23.09.2010, 425/03, § 50; Schüth v. Germany, 23.09.2010, 1620/03, §§ 69, 71; Siebenhaar c. Allemagne, 03.02.2011, 18136/02, § 46; EGMR , Fernández Martínez v. Spain, 12.06.2014, 56030/07, §§ 134 f., 138; EGMR, Travaš v. Croatia, 04.10.2016, 75581/13, §§ 89 ff.[↩]
- vgl. EGMR, Obst c. Allemagne, 23.09.2010, 425/03, § 51; Siebenhaar c. Allemagne, 03.02.2011, 18136/02, § 46; EGMR , Fernández Martínez v. Spain, 12.06.2014, 56030/07, §§ 136 ff.; EGMR, Travaš v. Croatia, 04.10.2016, 75581/13, §§ 97 ff.; ähnlich auch EGMR, Schüth v. Germany, 23.09.2010, 1620/03, §§ 69, 72[↩]
- vgl. EGMR , Fernández Martínez v. Spain, 12.06.2014, 56030/07, §§ 147 ff.; EGMR, Travaš v. Croatia, 04.10.2016, 75581/13, §§ 108 ff.; in diese Richtung auch EGMR, Obst c. Allemagne, 23.09.2010, 425/03, §§ 45 ff.; Schüth v. Germany, 23.09.2010, 1620/03, § 59; Siebenhaar c. Allemagne, 03.02.2011, 18136/02, §§ 42 ff.[↩]
- vgl. Giehl, Die Europäisierung des kirchlichen Individualarbeitsrechts, 2022, S. 172 ff., 216; Temming, in: Staudinger, BGB, § 626 Rn.199 <2025>[↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 50; Centraal Israëlitisch Consistorie van België unter anderem, 17.12.2020, – C-336/19, EU:C:2020:1031, Rn. 56 f.[↩]
- vgl. EGMR , Fernández Martínez v. Spain, 12.06.2014, 56030/07, § 129[↩]
- vgl. Fornasier, in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 3. Aufl.2024, § 4 Rn. 80[↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 65 ff.[↩]
- vgl. EGMR , Sindicatul „Pistorul cel Bun“ v. Romania, 09.07.2013, 2330/09, § 159; Fernández Martínez v. Spain, 12.06.2014, 56030/07, §§ 127 ff.[↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 66[↩]
- vgl. EGMR , Fernández Martínez v. Spain, 12.06.2014, 56030/07, § 132[↩][↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 67[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 20.02.2019 – 2 AZR 746/14 75; Fremuth, EuZW 2018, S. 723 <730>[↩]
- vgl. Joussen, EuZA 2018, S. 421 <430>[↩]
- vgl. EuGH, Egenberger, 17.04.2018, – C-414/16, EU:C:2018:257, Rn. 71[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 25.10.2018 – 8 AZR 501/14 25-43[↩]
- vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 79, 82 unter Rückgriff auf Art. 21 und 47 GRCh[↩]
- vgl. BVerfGE 126, 286 <311> zur „negativen“ Wirkung von Richtlinien im Hinblick auf eine richtlinienwidrig erlassene innerstaatliche Norm[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 25.10.2018 – 8 AZR 501/14 72[↩]
- vgl. BAG, a.a.O., Rn. 17, 78[↩]
- vgl. BAG, a.a.O., Rn. 73 ff. und 77 ff., insb. Rn. 79[↩]
- BAG, a.a.O., Rn. 78[↩]
- BAG, a.a.O., Rn. 89, 93[↩]
- BAG, a.a.O., Rn. 101 f.[↩]
- vgl. BAG, a.a.O., Rn. 79[↩]
- vgl. BAG, a.a.O., Rn. 85[↩]
- vgl. BAG, a.a.O., Rn. 85, 87[↩]
- vgl. BAG, a.a.O., Rn. 89[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 25.10.2018 – 8 AZR 501/14 97[↩]
- vgl. BAG, a.a.O., Rn. 99[↩]
- vgl. BAG, a.a.O., Rn. 101 f.[↩]
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