Bei einem Einkaufsleiter Einkauf International einer europaweit tätigen Supermarktkette ist eine arbeitsvertragliche Vereinbarung einer für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichen Kündigungsfrist von 18 Monaten zum Monatsende zulässig.

Mit dieser Begründung hat das Arbeitsgericht Heilbronn in dem hier vorliegenden Fall die Klage eines als Einkaufsleiter einer europaweit verbreiteten Supermarktkette Beschäftigten abgewiesen, der eine vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von 18 Monaten nicht einhalten wollte. Der Arbeitsvertrag wurde von der Beklagten vorformuliert. Eine Probezeit sah er nicht vor. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wurde nicht vereinbart. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien in § 5: „Das Arbeitsverhältnis kann von beiden Seiten mit einer Frist von 18 Monaten zum Monatsende gekündigt werden.“ Mit Schreiben vom 30.08.2011 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Die Beklagte stellte den Kläger mit Wirkung ab 02.09.2011 unter Fortzahlung seiner Bezüge von der Arbeitsverpflichtung frei; diese Freistellung dauert zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an. Die Beklagte besteht auf der Einhaltung der Kündigungsfrist bis 28.02.2013. Der Kläger fühlt sich durch die im Vertrag vorgesehene Kündigungsfrist in seinem nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der freien Wahl von Beruf und Arbeitsplatz verletzt. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch ordentliche Kündigung des Klägers vom 30.08.2011 zum 29.02.2012 geendet hat. Hilfsweise soll das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund ordentlicher Kündigung des Klägers vom 30.08.2011 zum 31.08.2012 seine Beendigung findet.
In seiner Urteilsbegründung führt das Arbeitsgericht Heilbronn aus, dass das Arbeitsverhältnis weder zum 29.02.2012 noch zum 31.08.2012 endet. Es endet vielmehr mit Ablauf des 28.02.2013. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer für beide Seiten geltenden Kündigungsfrist von 18 Monaten zum Monatsende ist gesetzlich nicht verboten und bewegt sich innerhalb eines vom Gesetzgeber akzeptierten Rahmens. Die Vereinbarung hält im vorliegenden Fall einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Auch verstößt die Berufung der Beklagten auf die Kündigungsfrist nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.
Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung einer beiderseitigen Kündigungsfrist von 18 Monaten gesetzlich nicht untersagt ist und sich innerhalb eines Rahmens bewegt, den der Gesetzgeber in vergleichbaren Zusammenhängen akzeptiert.
Entsprechend dem Schutzgedanken des Arbeitsrechts sind die in § 622 Abs. 1, 2 BGB enthaltenen Kündigungsfristen Mindestkündigungsfristen für Kündigungen des Arbeitgebers. Es steht den Arbeitsvertragsparteien frei, längere, den Arbeitgeber bindende Kündigungsfristen zu vereinbaren. Bezogen auf die vom Arbeitnehmer einzuhaltende Kündigungsfrist gelten die in § 622 Abs. 2 BGB aufgeführten verlängerten Kündigungsfristen zwar nur für den Arbeitgeber; nach der gesetzlichen Konzeption kann der Arbeitnehmer auch bei einem lange bestehenden Arbeitsverhältnis mit der gesetzlichen Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB kündigen. Die Vereinbarung gleichlanger Kündigungsfristen für beide Seiten ist damit aber nicht ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus § 622 Abs. 6 BGB. Danach darf für die Kündigung durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Solange dieses Gleichbehandlungsgebot eingehalten wird, ist eine einvernehmliche Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen für beide Seiten im Grundsatz möglich. § 622 BGB schützt den Arbeitnehmer vor einer Schlechterstellung, nicht aber vor einer Gleichstellung mit dem Arbeitgeber1.
Zur Frage, in welchem zeitlichen Umfang die gesetzlichen Kündigungsfristen bei Geltung für beide Seiten verlängert werden können, äußert sich § 622 BGB unmittelbar nicht. Die Frage ist unter Heranziehung vergleichbarer Vorschriften zu beantworten, die eine Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis bewirken.
Zutreffend weist die Beklagte auf die §§ 624 BGB, 15 Abs. 4 TzBfG hin. Danach kann das Arbeitsverhältnis dann, wenn es für die Lebenszeit einer Person oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen ist, vom Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden. Da die Kündigungsfrist sechs Monate beträgt (§§ 624 Satz 2 BGB, 15 Abs. 4 Satz 2 TzBfG), bedeutet dies eine Bindung des Arbeitnehmers von 5,5 Jahren an das Arbeitsverhältnis. Diese sehr lange Bindung berührt zweifellos das Grundrecht des Arbeitnehmers auf freie Wahl des Arbeitsplatzes, ist aber aufgrund des Regulativs, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen außerordentlich kündigen zu können, zu akzeptieren. Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 19.12.19912 keine Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit des § 624 BGB geäußert und eine Vereinbarung akzeptiert, nach der sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Ablauf des Fünf-Jahres-Vertrags lösen konnte.
Welche Obergrenze für die Bindung eines Arbeitnehmers zu setzen ist, kann indessen dahinstehen. Denn aus §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 3 TzBfG ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber jedenfalls eine Bindung von bis zu 24 Monaten akzeptiert. Hierbei ist ein Sachgrund für die Befristung nicht erforderlich. Während der zweijährigen Befristung unterliegt das Arbeitsverhältnis nach dem gesetzlichen „Normalfall“ nicht der ordentlichen Kündigung – es sei denn, dies ist einzelvertraglich oder tarifvertraglich vereinbart (§ 15 Abs. 3 TzBfG). Gegen die Verfassungsgemäßheit der Vorschrift werden weder in der Rechtswissenschaft Bedenken geäußert noch hat das Arbeitsgericht solche im Hinblick auf Art. 12 GG. Durch die stets bestehende Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gem. § 626 BGB ist die Bindung des Arbeitnehmers während des Befristungszeitraums nicht absolut; er kann nicht an ein unzumutbares Arbeitsverhältnis gebunden werden. Ist allerdings ein wichtiger Grund nicht gegeben, so ist nach der gesetzlichen Wertung für beide Seiten eine einvernehmliche Bindung bis zu 24 Monaten hinnehmbar.
Soweit die Beklagte ergänzend auf die Möglichkeit hinwies, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren (§§ 110 GewO, 74 ff., 74a Abs. 1 Satz 3 HGB), ist dies zwar nicht unmittelbar einschlägig, da die Parteien ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht vereinbart haben. Allerdings zeigt diese Regelung, die durch detaillierte inhaltliche Vorgaben zum Inhalt des Verbots und zur Karenzentschädigung die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt, dass der Gesetzgeber für die Dauer von zwei Jahren deutliche Beschränkungen des Arbeitnehmers akzeptiert.
In der Gesamtschau dieser Vorschriften kommt die Kammer zum Ergebnis, dass eine arbeitsvertragliche Bindung des Arbeitnehmers durch eine achtzehnmonatige Kündigungsfrist den Wertungen des Gesetzgebers nicht widerspricht, und damit dem Grunde nach vereinbart werden kann.
Allerdings muss die Vereinbarung der Kündigungsfrist für beide Seiten einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB standhalten. Das ist im vorliegenden Fall zu bejahen.
Der Arbeitsvertrag vom 30.07.2009 ist von der Beklagten vorformuliert worden. Aufgrund des von der Beklagten geschilderten formalisierten Ablaufs geht das Arbeitsgericht Heilbronn davon aus, dass der Vertragstext, insbesondere die Regelung zur Kündigungsfrist, von der Beklagten in einer Mehrzahl von Verträgen mit Einkaufsleitern verwendet wird. Auch in dem vor dem Arbeitsgericht Heilbronn geführten Rechtsstreit 8 Ca 70/11 verwendete die Beklagte zur Kündigungsfrist den gleichen Text. Die Vereinbarung zur Kündigungsfrist ist daher als Allgemeine Geschäftsbedingung nach § 305 Abs. 1 BGB zu betrachten3.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist hier nicht der Fall:
Der Kläger ist als Einkaufsleiter für die Beklagte ein Verantwortungs- und Wissensträger von großer Bedeutung. Dabei kann die hierarchische Einordnung dahinstehen; auch ist es unerheblich, ob der Kläger als Führungskraft oder Sachbearbeiter zu qualifizieren ist. Er verantwortet einen Einkaufsbereich, der für die Beklagte sehr wichtig ist. Dies ergibt sich zum einen aus der – vom Kläger nicht bestrittenen – Schilderung der Beklagten zur Wettbewerbssituation in der Einzelhandelsbranche, die von einer starken Preisorientierung der Kunden gekennzeichnet ist und für die die Lieferkonditionen des Wareneinkaufs elementare Bedeutung haben. Vor allem den vom Kläger betreuten Bereich der M.produkte betrachtet die Beklagte als sehr bedeutsam und im Hinblick auf die Kundenwahrnehmung als äußerst prestigeträchtig. Zum anderen wird die Wichtigkeit der Position des Klägers an seiner finanziellen Ausstattung deutlich. Der Kläger bezieht ein für die Branche recht hohes Einkommen, hinzu treten Nebenleistungen wie Dienstwagen und freies Tanken. Anlässlich des Wechsels von der s. Gesellschaft nach Deutschland gewährte die Beklagte ein Einkommen, das deutlich über dem bisherigen lag, sie bezahlte pauschal die Umzugskosten. Auch erhöhte sie nach ca. 1,5 Jahren das Einkommen nicht unerheblich. Der Kläger hat als einer von zwei Mitarbeitern in der Sparte F. Prokura und wird als leitender Angestellter geführt. Mit dieser Ausstattung trägt die Beklagten der Aufgabenstellung des Klägers Rechnung, der in seinem Bereich ein Einkaufsvolumen von mehreren Hundert Millionen Euro verantwortet.
Die Lieferkonditionen im Bereich M. beruhen auf langfristigen Verträgen. Nach den Angaben der Parteien bewegen sich die Laufzeiten zwischen 6 und 12 Monaten und können nach der Darstellung der Beklagten bis 18 Monate gehen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass der Wechsel eines Einkäufers zu einem Wettbewerber erhebliche Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens haben kann. Der Einkäufer kennt als Insider die Lieferbedingungen der Beklagten und der Lieferanten. Selbst wenn er seiner nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht nachkommt, sind erhebliche Störungen in der Lieferantenbeziehung und in der Wettbewerbssituation denkbar, wenn der Einkäufer beim selben Lieferanten nun für einen anderen Arbeitgeber auftritt. Der Lieferant müsste faktisch an die Einkaufskonditionen, die er mit der Beklagten vereinbart hatte, anknüpfen, er wäre geneigt, günstigere Preise anzubieten; der neue Arbeitgeber würde von den Verhandlungen der Beklagten profitieren. Vor diesem Hintergrund ist es für die Kammer nachvollziehbar, dass die Beklagte eine lange Kündigungsfrist vereinbaren will, die – verbunden mit einer Freistellung oder einem Einsatz des Klägers in einem anderen, weniger sensiblen Bereich – seine Kenntnisse der Lieferantenverträge und Einkaufsbedingungen „veralten“ lässt.
Die Bindungsfrist von 18 Monaten ist im vorliegenden Falle keine unangemessene Benachteiligung des Klägers. Dies ergibt die Abwägung der geschilderten unternehmerischen Interessen der Beklagten mit dem Interesse des Klägers an einer freien Wahl des Arbeitgebers. Nach Ablauf von 18 Monaten – verbunden mit Freistellung oder Umsetzung des Klägers – kann die Beklagte davon ausgehen, dass sämtliche Vertragsbedingungen im Bereich F. Marken neu verhandelt wurden, der Kläger keine aktuellen Kenntnisse dieser Bedingungen mehr besitzt und eine gewisse Distanz zu den Lieferanten eingetreten ist. Eine kürzere Kündigungsfrist kann dies aufgrund der Laufzeiten der Verträge nicht gewährleisten. Auf der anderen Seite wird die Belastung des Klägers durch die lange Bleibefrist so gering wie möglich gehalten. Das Einkommen bleibt unangetastet. Dem Recht des Klägers auf vertragsgemäße Beschäftigung trug die Beklagte Rechnung: Sie war bereit, den Kläger in einer anderen Produktgruppe weiterzubeschäftigen, bot ihm zugleich auch die Freistellung an. Der Kläger entschied sich für letzteres. In der mündlichen Verhandlung bot die Beklagte dem Kläger an, als Einkaufsleiter in der Sparte F. O. und G. zu arbeiten, was er ablehnte. Das Finden eines neuen Arbeitsplatzes wird durch die Dauer der Kündigungsfrist nicht erschwert. Aufgrund seiner fachlichen Fähigkeiten und Erfahrungen, seines Lebensalters und seiner Mobilität wird der Kläger keine Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot besteht nicht, weshalb der Kläger nach Ablauf der Kündigungsfrist uneingeschränkt tätig werden kann.
Berücksichtigt man zudem, dass die beiderseits lange Kündigungsfrist auch einen erheblichen Arbeitnehmerschutz für den Kläger darstellt, ergibt die Abwägung der beiderseitigen Interessen, dass der Kläger durch die Kündigungsfrist nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird.
Im Ergebnis hält die Vereinbarung damit der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB stand.
Die Berufung der Beklagten auf die vertragliche Vereinbarung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Insoweit hat der Kläger behauptet, der Vertrag sei unter Druck der Beklagten zustande gekommen. Sie habe ihm den Vertragstext mit der ihm neuen Kündigungsfrist am 20.08.2009 vorgelegt und dadurch, dass er sein Arbeitsverhältnis bei der s. Gesellschaft zum 31.07.2009 bereits aufgegeben und den Umzug nach Deutschland in die Wege geleitet habe, sei er gezwungen gewesen, den Vertrag mit der Kündigungsfrist zu unterschreiben. Der von der Beklagten anders geschilderte Geschehensablauf kann indessen dahinstehen. Der Kläger hat den Arbeitsvertrag nicht angefochten. Damit bleibt es bei der Inhaltskontrolle, ob die Vereinbarung gegen § 242 BGB verstößt und den Kläger unangemessen benachteiligt. Das ist, wie oben zu § 307 BGB ausgeführt wurde, nicht der Fall.
Die Klage war daher in Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen. Das Arbeitsverhältnis besteht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 28.02.2013 fort.
Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 8. Mai 2012 – 5 Ca 307/11
- vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl. 2012, ErfK-Müller-Glöge, § 622 BGB Rz. 40[↩]
- BAG, Urteil vom 19.12.1991 – 2 AZR 363/91, NZA 1992, 534[↩]
- vgl. zum Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen BAG Urteil vom 15.09.2009, 3 AZR 173/08[↩]