Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren kommt es bei einer einseitigen Erledigungserklärung -anders als im Urteilsverfahren- nicht darauf an, ob der gestellte Antrag bis dahin zulässig und begründet war.

Nach § 95 Satz 4, § 83a Abs. 2 ArbGG ist ein Beschlussverfahren in der Rechtsbeschwerdeinstanz einzustellen, wenn die Beteiligten es für erledigt erklärt haben. Hat der Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt und widersprechen andere Verfahrensbeteiligte der Erledigungserklärung, hat das Gericht zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Ist dies der Fall, ist das Verfahren einzustellen. Ein erledigendes Ereignis sind tatsächliche Umstände, die nach Anhängigkeit des Beschlussverfahrens eingetreten sind und dazu führen, dass das Begehren des Antragstellers jedenfalls nunmehr als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsste. Anders als im Urteilsverfahren kommt es nicht darauf an, ob der gestellte Antrag bis dahin zulässig und begründet war1.
Danach war im hier entschiedenen Fall das Verfahren hinsichtlich der Sachanträge der Arbeitgeberin vom Bundesarbeitsgericht einzustellen. Die Arbeitgeberin hat als Antragstellerin das Verfahren einseitig für erledigt erklärt. Ihre Anträge, die Zustimmung des Betriebsrats zu der Eingruppierung der im Tenor genannten Arbeitnehmer in die EG 2 Stufe 1 TVöD-V (VKA) 2017 zu ersetzen, haben sich erledigt. Diese Anträge wären nunmehr mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.
Das Rechtsschutzbedürfnis verlangt als Sachentscheidungsvoraussetzung das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Inanspruchnahme der Gerichte. Fehlt es, ist ein Antrag als unzulässig abzuweisen. Während das Rechtsschutzbedürfnis bei Feststellungsanträgen in Gestalt des rechtlichen Interesses an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO stets gesondert geprüft werden muss, ist es bei Leistungs- und Gestaltungsklagen regelmäßig gegeben. Es folgt in der Regel aus der Nichterfüllung des behaupteten Anspruchs. Besondere Umstände können aber bereits das Verlangen, in die materiellrechtliche Sachprüfung einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Antragsteller offensichtlich gerichtlicher Hilfe zur Erreichung seines Ziels nicht (mehr) bedarf2. Der Antrag eines Arbeitgebers, die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Maßnahme nach § 99 Abs. 4 BetrVG gerichtlich zu ersetzen – einschließlich der Frage, ob die Zustimmung bereits als erteilt gilt, setzt deshalb voraus, dass der Arbeitgeber die Durchführung dieser Maßnahme noch beabsichtigt3. Dies ist bei einem auf eine Ein- oder Umgruppierung bezogenen Zustimmungsersetzungsverfahren nur so lange der Fall, wie der betroffene Arbeitnehmer im Betrieb mit unveränderter Eingruppierung beschäftigt ist4.
Sämtlichen Sachanträgen der Arbeitgeberin mangelte es nunmehr am Rechtsschutzinteresse.
Das gilt zunächst für die Anträge, die sich auf die mittlerweile aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer beziehen. Gegenstand eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG – einschließlich der Frage, ob die Zustimmung bereits als erteilt gilt – ist die betriebsverfassungsrechtliche Befugnis des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat, die beabsichtigte personelle Maßnahme auf der Grundlage eines bestimmten Zustimmungsersuchens gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG auch angesichts der vorgebrachten Verweigerungsgründe gegenwärtig und zukünftig durchzuführen. Nach dem Ausscheiden der Arbeitnehmer stellt sich diese Frage nicht mehr5.
Auch die Eingruppierungen der von den Anträgen noch betroffenen weiteren Service Agenten in die EG 2 Stufe 1 TVöD-V (VKA) 2017 beabsichtigt die Arbeitgeberin nicht mehr.
Die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Ein- und Umgruppierung beschränkt sich nicht auf die bloße Einreihung der Tätigkeit des entsprechenden Arbeitnehmers in eine bestimmte Vergütungsgruppe. Das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG ist ein einheitliches Verfahren, das die Ein- oder Umgruppierung in allen ihren Teilen erfasst. Umfasst die Eingruppierungsentscheidung mehrere Fragestellungen, kann der Arbeitgeber das Mitbestimmungsverfahren nicht auf einzelne Teile beschränken. Eine Eingruppierung, hinsichtlich derer die fehlende Zustimmung des Betriebsrats ersetzt werden könnte, liegt nur dann vor, wenn alle Teilfragen zutreffend beurteilt worden sind. Eine „Teileingruppierung“ steht einer unrichtigen, unzutreffenden Eingruppierung gleich. Dementsprechend umfasst das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats alle Faktoren, die im Zusammenhang mit einer Eingruppierung zu einem unterschiedlichen Entgelt führen können6. Das gilt beispielsweise für die Zuordnung der Anzahl der Berufsjahre zu einer bestimmten Vergütungsgruppe7 oder die zutreffende Beschäftigungszeit in einer bestimmten Vergütungsgruppe, wenn sich daraus ein unterschiedliches Entgelt ergibt8. Gleiches gilt bei einer Änderung der Stufen einer Entgelttabelle, wie sie zB § 16 Abs. 3 TVöD (VKA) vorsieht, weil sich daraus ein unterschiedliches Entgelt im Vergleich zur niedrigeren Stufe ergibt. Dies gilt selbst dann, wenn eine Höherstufung allein durch Zeitablauf erfolgt9. In all diesen Fällen gibt die Arbeitgeberin mit ihrem Antrag nach § 99 Abs. 1 BetrVG eine rechtliche Einschätzung über die aus ihrer Sicht zutreffende Eingruppierung nach der betrieblichen Vergütungsordnung ab, hinsichtlich derer dem Betriebsrat ein Mitbeurteilungsrecht zusteht. Erst wenn der Betriebsrat dieses Recht ausgeübt hat, ist geklärt, ob zwischen den Betriebsparteien Streit über die zutreffende, je nach Vergütungsordnung ggf. aus mehreren Elementen bestehende Eingruppierung besteht10.
Die Arbeitgeberin hatte jeweils die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung in die EG 2 Stufe 1 TVöD-V (VKA) 2017 begehrt und damit die gesamte Eingruppierung, bestehend aus Entgeltgruppe und Stufe der Entgelttabelle, zum Gegenstand des Verfahrens nach § 99 BetrVG gemacht. Die Beschäftigten haben jeweils nach § 16 Abs. 3 iVm. § 17 TVöD (VKA) eine höhere Stufe erreicht, die zu Entgeltänderungen führte. Sie wurden nicht mehr mit einer unveränderten Eingruppierung iSd. § 99 BetrVG beschäftigt. Diese Stufenänderungen lösten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus und stellten ihrerseits Umgruppierungen iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar. Ab dem Zeitpunkt der Stufenerhöhung war die zuvor von der Arbeitgeberin beabsichtigte Maßnahme – die Eingruppierung unter Einstufung in eine niedrigere Stufe der Entgelttabelle – nicht mehr beabsichtigt. Gegenteiliges folgt nicht aus dem Umstand, dass die Arbeitgeberin den Betriebsrat bislang nicht bei diesen Umgruppierungen beteiligt hat; vielmehr kann dieser Umstand einen Antrag nach § 101 BetrVG begründen. Das Festhalten an den ursprünglich beabsichtigten Maßnahmen durch die Arbeitgeberin wäre im Übrigen auch tarifwidrig gewesen.
Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ändert der Umstand, dass über die Erhöhung der Stufen der Entgelttabelle zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, hieran nichts11. Maßgeblich für eine Erledigung ist allein, ob es sich noch um die ursprünglich vom Arbeitgeber beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme handelt. Dies ist nicht der Fall. Auch scheidet im Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG – wie dargelegt – eine Entscheidung über eine „Teileingruppierung“, hier also nur über die zutreffende Entgeltgruppe, aus. Es würde sich um eine unzutreffende Eingruppierung iSd. § 99 BetrVG handeln12.
Eine andere Beurteilung ist nicht im Hinblick auf den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes geboten. Die Beteiligten können einer Stufenänderung im Verfahren jedenfalls noch in der Beschwerdeinstanz dadurch Rechnung tragen, indem sie die angekündigten Anträge im Beschwerdeverfahren übereinstimmend für erledigt erklären und die Arbeitgeberin nach erneuter Unterrichtung des Betriebsrats den Antrag auf Ersetzung der wieder verweigerten Zustimmung in das Verfahren einführt13.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17. November 2021 – 7 ABR 43/19
- st. Rspr. zB BAG 20.01.2021 – 4 ABR 1/20, Rn. 8; 29.07.2020 – 7 ABR 27/19, Rn. 24 mwN[↩]
- BAG 13.03.2013 – 7 ABR 39/11, Rn. 22[↩]
- BAG 13.03.2013 – 7 ABR 39/11, Rn. 24[↩]
- BAG 20.01.2021 – 4 ABR 1/20, Rn. 10 mwN[↩]
- vgl. BAG 1.08.2018 – 7 ABR 63/16, Rn. 23; 13.03.2013 – 7 ABR 39/11, Rn. 24 f.[↩]
- st. Rspr., zB BAG 29.01.2020 – 4 ABR 26/19, Rn.19 [auch zu den prozessualen Möglichkeiten der Fortführung eines anhängigen Zustimmungsersetzungsverfahrens Rn.20], BAGE 169, 351; 19.10.2011 – 4 ABR 119/09, Rn.20[↩]
- vgl. dazu BAG 26.04.2017 – 4 ABR 37/14, Rn. 10[↩]
- BAG 13.11.2013 – 4 ABR 16/12, Rn. 13[↩]
- BAG 29.01.2020 – 4 ABR 26/19, Rn.19, aaO; 6.04.2011 – 7 ABR 136/09, Rn. 29, BAGE 137, 260[↩]
- BAG 20.01.2021 – 4 ABR 1/20, Rn. 11[↩]
- vgl. hierzu schon BAG 6.04.2011 – 7 ABR 136/09, Rn. 29, BAGE 137, 260[↩]
- BAG 20.01.2021 – 4 ABR 1/20, Rn. 13[↩]
- BAG 29.01.2020 – 4 ABR 26/19, Rn.20, BAGE 169, 351[↩]