Grundsätzlich umfasst die gerichtliche Geltendmachung eines quantifizierten Leistungsanspruchs einen Anspruch, der in seiner Höhe unterhalb des bezifferten (Haupt-)Anspruchs liegt.

Aus § 308 Abs. 1 ZPO ergibt sich, dass das Gericht deshalb ein Weniger zuerkennen darf und muss, wenn es in dem nicht in voller Höhe begründeten Sachantrag des Arbeitnehmers enthalten ist.
Dies begründet die Pflicht des Gerichts, bei einer auf eine bestimmte Vergütungsgruppe gerichteten Klage auch ohne gesonderten Antrag zu prüfen, ob die Klage nicht teilweise deshalb begründet ist, weil die qualitativ niedrigeren Anforderungen einer niedrigeren Vergütungsgruppe, auf die sie nicht ausdrücklich gestützt wird, erfüllt sind.
Dies gilt jedoch nicht, wenn es sich bei dem – möglicherweise – begründeten Teil der Klage nicht um ein Weniger, sondern um etwas Anderes handelt.
Bei einer auf eine bestimmte Vergütungsgruppe gestützten Zahlungsklage bedeutet dies, dass eine solche Prüfungsverpflichtung durch das Gericht nur dann besteht, wenn die – evtl. gegebene – niedrigere Vergütungsgruppe als ein Weniger in der höheren Vergütungsgruppe materiell enthalten ist.
Dies ist der Fall, wenn es sich um eine sog. Aufbaufallgruppe handelt, die Erfüllung der Anforderungen des höherwertigen Tätigkeitsmerkmals also zwingend die Erfüllung der Anforderungen des niedrigeren Tätigkeitsmerkmals voraussetzt 1. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn ein Tätigkeitsmerkmal im Verhältnis zu einem anderen lediglich höhere Anforderungen stellt 2.
Der auf die niedrigeren Vergütungsgruppen bezogene, hilfsweise Zahlungsantrag des Arbeitnehmers wird ggf. gleichwohl näher zu prüfen sein. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt, auch wenn die Merkmale der niedrigeren Vergütungsgruppen in derjenigen der höheren Vergütungsgruppe nicht enthalten sind, keine unzulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz vor. Das Berufungsgericht hat insoweit den Begriff der Sachdienlichkeit iSv. § 263 ZPO verkannt.
Nach § 263 ZPO ist eine nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgte Änderung der Klage nur zulässig, wenn – was vorliegend nicht zutrifft – der Beklagte einwilligt oder wenn das Gericht sie für sachdienlich erachtet. Die Beurteilung der Sachdienlichkeit einer Klageänderung iSv. § 263 ZPO eröffnet dem Berufungsgericht einen Ermessensspielraum.
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung der Frage an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt 3. Dabei sind auf die – hier vorliegende – nachträgliche Klageerweiterung die Grundsätze der Klageänderung entsprechend anzuwenden 4. Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung des Rechtsstreits, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien bedeutsam. Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, ob neuer Tatsachenvortrag erforderlich ist. Der Sachdienlichkeit einer Klageänderung stünde nicht einmal entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde 5. Die Sachdienlichkeit kann unter diesem Blickpunkt im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann. Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen 6.
Danach ist die vom Arbeitnehmer vorgenommene Klageerweiterung sachdienlich. Sie steht in einem inneren tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit den bereits anhängigen Streitgegenständen.
Auch wenn keine Aufbaufallgruppe im engeren Sinn vorliegt, bei der sich die Frage einer Klageerweiterung gar nicht stellen würde, handelt es sich vorliegend bei der hilfsweisen Geltendmachung der niedrigerwertigen tariflichen Tätigkeitsmerkmale auf der tatsächlichen Ebene weitgehend um dieselbe Tätigkeit und lediglich um eine abweichende rechtliche Bewertung derselben. Es besteht ein innerer und tatsächlicher Zusammenhang. Auch muss kein neuer sachlicher Streitstoff eingeführt werden. Im Vordergrund steht vielmehr die rechtliche Bewertung einer ohnehin tatsächlich festzustellenden Arbeitseinheit.
Darüber hinaus ergibt sich im Entscheidungsfall ein weiterer innerer Zusammenhang aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer ausdrücklich anführt, das weitere Richtbeispiel des "Multifunktionsfahrers" der Vergütungsgruppe 8 BERT sei erfüllt. Dieses setzt materiell eine dauerhafte Übertragung von Tätigkeiten nach den Vergütungsgruppen 6 und 7 BERT voraus. Dadurch gehört die Erfüllung von deren Tätigkeitsmerkmalen zum notwendigen Vortrag des bereits vorher geltend gemachten Anspruchs.
Zudem wäre andernfalls auch ein Folgeprozess zu erwarten, der uU Entscheidungen über die rechtlichen Vorfragen, soweit sie nicht Gegenstand des Tenors und nicht nur der Entscheidungsgründe der letztlich rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Rechtsstreits geworden wäre, erneut und ggf. mit abweichendem Resultat erzwingen könnte. Derartige Vorfragen sind in diesem Rechtsstreit mannigfach vorhanden und von den verschiedenen Kammern des Landesarbeitsgerichts auch unterschiedlich beantwortet worden.
Gegen die Sachdienlichkeit der Klageerweiterung lässt sich schließlich nicht einwenden, dass eine Verzögerung des Rechtsstreits zu erwarten war. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Rechtsstreit insgesamt vier Teilurteile erlassen, das letzte am 28.04.2015, mithin mehr als vier Jahre nach Klageeingang bzw. drei Jahre und acht Monate nach Berufungseinlegung bzw., zuletzt – mehr als drei Jahre und sechs Monate nach Eingang der klägerischen Berufungsbegründung, mit der zweifelsfrei die niedrigeren Vergütungsgruppen als Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt worden sind. Angesichts dessen sollte eine prozessrechtlich korrekte Sachverhaltsaufklärung, ggf. auch unter Einschluss einer evtl. Beweisaufnahme, ohne Weiteres möglich gewesen sein.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. April 2016 – 4 AZR 13/13
- vgl. dazu ausf. BAG 6.06.2007 – 4 AZR 505/06[↩]
- BAG 12.05.2004 – 4 AZR 371/03; 25.02.2009 – 4 AZR 41/08, Rn. 34 ff., BAGE 129, 355[↩]
- BGH 30.11.1999 – VI ZR 219/98 – mwN, BGHZ 143, 189[↩]
- BAG 12.09.2006 – 9 AZR 271/06, Rn. 16 mwN, BAGE 119, 238[↩]
- BGH 21.12 1989 – VII ZR 84/89, zu II 4 a der Gründe mwN; BAG 26.02.1986 – 7 AZR 503/84[↩]
- BAG 6.12 2001 – 2 AZR 733/00, zu B I 2 a und b der Gründe mwN[↩]