Das Bundeskabinett hat die Fünfte Mindestlohnanpassungsverordnung beschlossen. Damit wird der gesetzliche Mindestlohn zum 1. Januar 2026 zunächst auf 13,90 € je Zeitstunde angehoben und steigt in einem weiteren Schritt zum 1. Januar 2027 auf 14,60 €.
 
Seit 1. Januar 2025 gilt ein Mindestlohn von 12,82 €. Die nun durch die Fünfte Mindestlohnanpassungsverordnung erfolgte Anhebung basiert auf dem gleichlautenden Beschluss der Mindestlohnkommission vom 27. Juni 2025.
Die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns mit Wirkung zum 1. Januar 2015 markierte in Deutschland einen zentralen arbeits- und sozialrechtlichen Meilenstein. Das Mindestlohngesetz (MiLoG) wurde nach längerem politischen Ringen ins Leben gerufen, um eine verbindliche Lohnuntergrenze zu etablieren.
Mechanismus der Anpassung
Der Mindestlohn-Anpassungsmechanismus in Deutschland vereint verbindliche gesetzliche Vorgaben (§ 9 MiLoG) mit einer strukturierten Verfahrensordnung über die Mindestlohnkommission. Gemäß § 9 Abs. 2 MiLoG ist die unabhängige Mindestlohnkommission, zusammengesetzt aus Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie beratenden Wissenschaftlern, mit der Aufgabe betraut, alle zwei Jahre über die Höhe des Mindestlohns zu entscheiden.
Bei der Beschlussfassung hält die Mindestlohnkommission eine Gesamtabwägung vorzunehmen. Nach § 9 Abs. 2 S.1 MiLoG sowie der europäischen Mindestlohni-Richtlinie orientiert sie sich insbesondere an:
- der nachlaufenden Entwicklung der Tariflöhne („Tariflohnentwicklung“),
- einem Referenzwert von 60 % des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten (Art. 5 Abs. 4 EU-Mindestlohni-Richtlinie),
- ggf. Sonderumständen bei besonderen ökonomischen Entwicklungen, wenn von den genannten Kriterien abgewichen wird.
Der Vorschlag der Mindestlohnkommission ist verbindlich: Die Bundesregierung kann diesen Vorschlag nur unverändert übernehmen, nicht eigenständig eine andere Höhe festsetzen. Die Umsetzung erfolgt durch eine Rechtsverordnung („Mindestlohnanpassungsverordnung“).
Dieser Mechanismus wurde bisher in den meisten Perioden auch so umgesetzt, eine Ausnahme bildete allerdings die Anpassung des Mindestlohns im Jahr 2022, als die damals neu gewählte Bundesregierung eine „politische“ Anpassung vornahm: Durch das Mindestlohnerhöhungsgesetz (MiLoEG) vom 30. Juni 2022 wurde der Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 auf 12 € festgeschrieben. Das Verfahren der Kommission wurde damit vorübergehend außer Kraft gesetzt. Danach wurde das reguläre Verfahren der Kommission wieder reaktiviert.
Entwicklung des Mindestlohns in Deutschland
Seit seiner Einführung im Jahr 2015 bis zur jetzt umgesetzten Anpassung stieg der Mindestlohn damit von ursprünglich 8,50 € auf demnächst 13,90 €:
| Gültig ab | Mindestlohn (brutto / je Stunde) | Rechtsgrundlage | Grundlage der Anpassung | Anmerkungen | 
| 01.01.2015 | 8,50 € | § 1 MiLoG1 | Gesetzliche Einführung | Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland – erstmalige Kodifizierung einer bundeseinheitlichen Lohnuntergrenze. | 
| 01.01.2017 | 8,84 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 2016 | Beschluss der Mindestlohnkommission | Erste reguläre Anpassung nach § 9 Abs. 2 MiLoG; Anhebung folgt der Tariflohnentwicklung 2015/2016. | 
| 01.01.2019 | 9,19 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 2018 | Beschluss der Mindestlohnkommission | Fortführung des Anpassungsmechanismus, erstmals zweistufiger Vorschlag über zwei Jahre. | 
| 01.01.2020 | 9,35 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 2018 | Beschluss der Mindestlohnkommission | |
| 01.01.2021 | 9,50 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 2020 | Beschluss der Mindestlohnkommission | Vierstufiger Anpassungsplan (bis Juli 2022) zur Abfederung der Pandemieeffekte. | 
| 01.07.2021 | 9,60 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 2020 | Beschluss der Mindestlohnkommission | |
| 01.01.2022 | 9,82 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 2020 | Beschluss der Mindestlohnkommission | |
| 01.07.2022 | 10,45 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 2020 | Beschluss der Mindestlohnkommission | |
| 01.10.2022 | 12,00 € | Mindestlohnerhöhungsgesetz 20222 | Gesetzliche Sonderanhebung | Politischer Eingriff: Bundestag erhöht gesetzlich auf 12 €. Die Kommission wird einmalig übergangen. Entfachte eine politische und juristische Debatte über Gewaltenteilung und Verfahrensbindung (§ 9 MiLoG). | 
| 01.01.2024 | 12,41 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 20233 | Beschluss der Mindestlohnkommission | Rückkehr zum regulären Verfahren. Moderate Erhöhung als Kompromiss zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite; Kritik seitens der Gewerkschaften. | 
| 01.01.2025 | 12,82 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 2023 | Beschluss der Mindestlohnkommission | |
| 01.01.2026 | 13,90 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 2025 | Beschluss der Mindestlohnkommission | Umsetzung der künftigen Anpassungsstaffel durch Bundesregierung ist jetzt durch die MiLoV 2025 erfolgt. | 
| 01.01.2027 | 14,60 € | Mindestlohnanpassungsverordnung 2025 | Beschluss der Mindestlohnkommission | 
Die europarechtliche Perspektive
Seit Inkrafttreten der EU-Mindestlohnrichtlinie (RL (EU) 2022/2041) gibt es mit dem Medianlohn (60 %-Kriterium) einen unionsrechtlich relevanten Maßstab für einen armutsfesten Mindestlohn: Der Mindestlohn muss mindestens 60% des Bruttomedianeinkommens und 50 % des durchschnittliches Bruttolohniveaus betragen. Die Mindestlohnkommission muss diese Maßstäbe zukünftig in ihrer Methodik berücksichtigen, was mit dem jetzt umgesetzten Beschluss wohl noch nicht vollumfänglich erfolgt ist.
Die Richtlinie wurde am 14. September 2022 vom Europäisches Parlament angenommen. Ihr Ziel: Die Mitgliedstaaten sollen dafür sorgen, dass gesetzliche Mindestlöhne (wo vorhanden) „angemessen“ sind, d. h. sie ermöglichen eine Arbeitsentlohnung, die Aussicht auf ein menschenwürdiges Leben und faire Arbeitsbedingungen bietet.
Wesentliche Elemente der EU-Mindestlohnrichtlinie sind unter anderem:
- Verpflichtung zur Einrichtung eines transparenten Mindestlohn-Festsetzungsverfahrens bzw. zur Stärkung von Tarif- und Betriebsvereinbarungen, insbesondere durch Förderung der Tarifbindung.
- Festlegung von Referenzwerten bzw. Bewertungsgrößen zur Beurteilung der Angemessenheit: unter anderem 60 % des Bruttomedianeinkommens und 50 % des Durchschnittsverdienstes (durchschnittliches Bruttolohniveau) werden genannt.
- Frist zur Umsetzung: Die Mitgliedstaaten hatten bis zum 15. November 2024 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Damit markiert die Richtlinie einen europäischen Rahmen, der nationale Mindestlohn-Regelungen nicht aufhebt, aber stärker an Mindest-Standards für „Angemessenheit“ koppelt.
Die 60 %-Grenze des Medianeinkommens
Im Rahmen der Diskussion um Mindestlöhne wird häufig der sogenannte „Kaitz-Index“ verwendet — das Verhältnis des gesetzlichen Mindestlohns zum Bruttomedianeinkommen oder zum Durchschnittsverdienst. Die 60 %-Schwelle wird in der Richtlinie nicht als starre Mindestvorgabe, sondern als Referenzwert aufgeführt („can be applied“) zur Orientierung für die Mitgliedstaaten bei der Bewertung der Angemessenheit.
Zwingend im Sinne von verbindlich vorgeschrieben ist die 60 %-Grenze nicht. Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, ihren Mindestlohn unmittelbar auf genau 60 % des Medians anzuheben. Gleichzeitig hat der Wert aber eine normative Bedeutung: Er dient als Maßstab, an dem die Kompatibilität der nationalen Mindestlohnregelung mit den Zielen der Richtlinie überprüft werden kann.
Gleichzeitig bestehen hinsichtlich des Medianeinkommens und der 60%-Grenze noch eine Reihe offene Fragen:
- Verbindlichkeit vs. Flexibilität: Wie oben erwähnt, wird der Richtlinie nicht entnommen, dass 60 % zwingend erreicht werden müssen. Allerdings wird in Fachkritiken argumentiert, dass, je weiter ein Mindestlohn unter dieser Marke liegt, desto größer der Druck zur Anpassung seitens der EU-Kommission – sowohl politisch wie juristisch. Wie genau hierbei vorgegangen werden soll bzw. kann, ist unklar.
- Methodische Vielfalt: Wie wird der Median gemessen? Welche Datenbasis wird verwendet (Vollzeit, Teilzeit, Vollzeitäquivalent)? Wie wird die Mindestlohn-Relation berechnet? Diese Fragen beeinflussen, ob ein Land „unter“ oder „über“ der 60 %-Schwelle liegt.
- Übergangs- oder Anpassungsfristen: Da die Richtlinie erst umgesetzt werden muss und viele Mitgliedstaaten strukturelle Unterschiede aufweisen, ist fraglich, in welchem Zeitraum eine 60 %-Nähe erreicht werden muss. Hier ist kein fixer Zeitplan für die Erreichung der 60 %-Grenze vorgegeben.
- Angemessenheit jenseits der Zahl: Die Richtlinie betont auch, dass Angemessenheit nicht allein über die Relation zum Median bestimmt werden darf. Vielmehr sind etwa die Lebenshaltungskosten, die Tariflohndynamik und die Rolle von Tarifverträgen ebenfalls zu berücksichtigen.
Die 60 %-Marke hat mithin zwar eine empirisch-politische Signifikanz, es besteht aber keine unmittelbare normative Verpflichtung, die zu einer automatischen Mindestlohnhöhe führt. Dennoch ist sie ein wichtiges Referenzkriterium im Rahmen nationaler Überprüfungen und Anpassungen, das tendeziell zu höheren Anpassungen des Mindestlohns führen dürfte. Die Mindestlohnkommission nennt zwar explizit die 60-%-Formulierung der Richtlinie als einen der Bezugsgrößen („… unter Berücksichtigung … des Referenzwertes von 60 % des Bruttomedianlohns… gemäß Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie …“), jedoch weisen Fachanalysen darauf hin, dass Deutschland strukturell noch deutlich hinter diesem Referenzwert zurückliegt.
Die Mindestlohnkommission muss künftig diese Referenzwerte stärker berücksichtigen – insbesondere bei der Gesamtbewertung (§ 9 MiLoG). Somit gewinnen Median-Analysen und Tarif-Entwicklungen an Bedeutung. Auch wenn die Richtlinie insoweit keine unmittelbare Verpflichtung aber eine indikative Zielmarke darstellen sollte, dürfte Deutschland in künftigen Verfahren wahrscheinlich größere Anstiege vorsehen, um näher an die 60 %-Schwelle zu gelangen. Die EU-Mindestlohnrichtlinie setzt die 60%-Medianlohn-Grenze als wichtigen Referenz- und Steuerungsmaßstab ein. Gleichzeitig ist aber auch zu beachten, dass für den durch das MiLoG etablierten Mindestlohnmechanismus auch zukünftig nicht ausschließlich die 60 %-Relation gilt, sondern zugleich die kaufkraftmäßige Angemessenheit und die tarifliche Dynamik zu beachten sind. Es wird mithin auch zukünftig in Deutschland keine rein formale Anpassung an die 60%-Grenze geben, sondern eine ganzheitliche Bewertung.
Zur Verdeutlichung der bestehenden Differenz zwischen dem geltenden (und dem für die kommenden zwei Jahre beschlossenen) Mindestlohn und der Grenze von 60% des Medianlohns soll die nachfolgende Tabelle zur Annäherung an die 60 %-Marke (Kaitz-Index 0,60) dienen, die auf folgenden Ankerwerten beruht:
- Mindestlohn: 12,82 € (seit 01.01.2025) sowie die geplanten/jetzt beschlossenen Stufen 13,90 € (ab 01.01.2026) und 14,60 € (ab 01.01.2027).
- Median-Stundenlohn: Die EU-Statistikbehörde Eurostat weist für 2022, das letzte derzeit verfügbar Jahr, einen Median-Stundenlohn von 19,40 € aus (Referenz zur historischen Einordnung); neuere Analysen für 2025 leiten für die 60 %-Marke einen Ziel-Mindestlohn von ca. 15,12 € her ? impliziter Median ~ 25,20 €. Diese Größe nutzen wir als Basis 2025 für die Szenariorechnung.
- Alternative Annahmen für die Jahre 2026 und 2027: Median steigt ab 2025 jährlich um +2 %, +3 % oder +4 %.
- Leseschlüssel: „60 %-Ziel“ = 0,60 × Median; „Lücke zu 60 %“ = (60 %-Ziel – Mindestlohn); „Kaitz-Index“ = Mindestlohn ÷ Median.
Status & Ausgangspunkt (Ist 2025)
| Jahr | Mindestlohn (Ist) | Median (Basis) | 60%-Ziel (€/h) | Lücke zu 60% | Kaitz-Index | 
| 2025 | 12,82 € | 25,20 € | 15,12 € | 2,30 € | 0,509 | 
Prognoseband 2026–2027
| Jahr | Szenario Lohnentwicklung | Median | 60%-Ziel | Mindestlohn (geplant) | Lücke zu 60% | Kaitz-Index | 
| 2026 | +2% | 25.70 € | 15,42 € | 13,90 € | 1,52 € | 0,541 | 
| +3% | 25,96 € | 15,57 € | 13,90 € | 1,67 € | 0,535 | |
| +4% | 26,21 € | 15,72 € | 13,90 € | 1,82 € | 0,530 | |
| 2027 | +2% | 26,22 € | 15,73 € | 14,60 € | 1,13 € | 0,557 | 
| +3% | 26,73 € | 16,04 € | 14,60 € | 1,44 € | 0,546 | |
| +4% | 27,26 € | 16,35 € | 14,60 € | 1,75 € | 0,536 | 
Selbst mit den beschlossenen Stufen 2026/2027 bleibt Deutschland – bei plausibler Medianentwicklung – unter der 60%-Referenz (Kaitz-Index zwischen ~0,53 und ~0,56). Eine vollständige Annäherung an die 60%-Grenze würde bis 2027 zusätzliche Erhöhungen über 13,90 €/14,60 € hinaus erfordern.
Bildnachweis:
- Lohn: Peter Stanic | CC0 1.0 Universal











