Alleinstehenden, erwerbsfähigen und nichtvulnerablen männlichen international Schutzberechtigten drohen aktuell bei einer Rückkehr nach Griechenland keine erniedrigenden oder unmenschlichen Lebensbedingungen, die eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (GRC) zur Folge hätten. Ihnen ist es zur Deckung ihres Unterkunftsbedarfs zuzumuten, gegebenenfalls auch auf Notschlafstellen jenseits der durch Hoheitsträger und gesellschaftliche Organisationen vorgehaltenen Einrichtungen auszuweichen.
 
Mit dieser aktuellen Einschätzung hat Bundesverwaltungsgericht in Leipzig seine bisherige einschlägige Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. April 2025 – BVerwG 1 C 18.24 und BVerwG 1 C 19.24) bekräftigt. Dem zugrunde lag der Fall eines im Januar 1996 geborenen syrischen Flüchtlings, dem in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt wurde. Im Juni 2018 reiste er in das Bundesgebiet ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den hier gestellten weiteren Asylantrag als unzulässig ab und drohte ihm die Abschiebung nach Griechenland an.
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Gießen abgewiesen1. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, da ihm unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung geforderten hohen Schwelle der Erheblichkeit bei einer Rückkehr nach Griechenland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung (Art. 4 GRC) drohe2.
Die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof als sogenannte Tatsachenrevision nach § 78 Abs. 8 AsylG zugelassenen Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht nun ebenfalls zurückgewiesen; die allgemeine Lagebeurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof erwies sich auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnislage auch für das Bundesverwaltungsgericht als zutreffend:
Danach ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass nach Griechenland zurückkehrende arbeitsfähige, gesunde und alleinstehende junge männliche Schutzberechtigte dort in eine extreme materielle Notlage geraten werden, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Ernährung und Hygiene zu befriedigen.
Ist es diesen nicht möglich, einen gegebenenfalls auch nur zeitweise verfügbaren Platz in einer der verschiedenen in Griechenland von hoheitlichen Trägern oder gesellschaftlichen Organisationen betriebenen Einrichtungen zu erhalten, so sind sie darauf verwiesen, sich, gegebenenfalls unterstützt durch eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit einer der zahlreichen Hilfsorganisationen und/oder nationalitätenbezogenen Gemeinschaften, eine Schlafstelle, notfalls auch in behelfsmäßigen Unterkünften, Wohncontainern, Zeltstädten, faktisch geduldeten Siedlungen oder sonstigen einfachsten Camps mit einem Minimum an erreichbaren sanitären Einrichtungen zu suchen.
Ihre Grundbedürfnisse einschließlich Ernährung können sie im Übrigen durch eigene Erwerbstätigkeit decken, anfangs jedenfalls in der sogenannten Schattenwirtschaft. Hinzu treten gegebenenfalls Unterstützungsleistungen von Hilfsorganisationen und Dritten.
Freiwillige humanitäre Hilfe und eine de-facto-„Pflicht“ zur Schwarzarbeit führen nach Ansicht der Bundesrichter also dazu, dass die Situation in Griechenland nicht so schlimm sei.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Oktober 2025 – 1 C 11.25
- VG Gießen, Urteil vom 26.02.2020 – VG 2 K 4865/18.GI.A[↩]
- Hess. VGH, Urteil vom 04.02.2025 – VGH 2 A 1151/24.A[↩]
Bildnachweis:
- Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos, Griechenland: Faktengebunden | CC BY-SA 4.0 International










