Die Regelung des § 717 Abs. 2 ZPO ist gemäß § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren grundsätzlich anwendbar. Eine teleologische Einschränkung des § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kommt jedenfalls in den Fallgestaltungen nicht in Betracht, in denen sich der Schadensersatzanspruch nicht gegen eine vermögenslose betriebsverfassungsrechtliche Stelle richtet.

Die Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO findet im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG grundsätzlich Anwendung.
Gemäß § 717 Abs. 2 ZPO ist der Gläubiger, der aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil die Zwangsvollstreckung betrieben hat, nach Aufhebung oder Abänderung des Urteils zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der dem Schuldner durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung erbrachte Leistung entstanden ist. Der Vollstreckungsschuldner kann den Anspruch gemäß § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO schon im anhängigen Rechtsstreit als Inzidentantrag geltend machen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass derjenige, der aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils in Anspruch genommen worden ist, die im Wege der Zwangsvollstreckung beigetriebene oder zur Abwehr der Vollstreckung erbrachte Leistung nach Aufhebung des Titels sogleich zurückerhält1. Der Schadensersatzanspruch umfasst nicht nur die erbrachte Leistung, sondern auch weitere Schäden, welche der Schuldner erlitten hat. Der aus der Vollstreckung folgende Schaden soll vollständig aufgrund einer schuldunabhängigen Risikohaftung des Gläubigers ausgeglichen werden2.
Die Regelung des § 717 Abs. 2 ZPO ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren grundsätzlich anwendbar3. Das folgt aus § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Die Vermögenslosigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Stellen steht dem nicht entgegen. Sie rechtfertigt nicht die analoge Anwendung von § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, der für die einstweilige Verfügung in Beschlussverfahren Ansprüche auf Schadensersatz nach § 945 ZPO ausschließt. Eine teleologische Einschränkung des § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kommt jedenfalls in den Fallgestaltungen nicht in Betracht, in denen sich der Schadensersatzanspruch – wie hier – nicht gegen eine vermögenslose betriebsverfassungsrechtliche Stelle, sondern gegen einen Dritten richtet.
§ 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ist nicht dahin auszulegen, dass die Vollstreckung aus nicht rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Beschlüssen nicht zu Schadensersatzansprüchen nach § 717 Abs. 2 ZPO führen kann. Einer solchen Auslegung stehen der Wortlaut und die Systematik der Vorschrift sowie die Gesetzgebungsgeschichte entgegen.
Nach § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten für die Zwangsvollstreckung aus Beschlüssen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung entsprechend mit der Maßgabe, dass der nach dem Beschluss Verpflichtete als Schuldner, derjenige, der die Erfüllung der Verpflichtung aufgrund des Beschlusses verlangen kann, als Gläubiger gilt und in den Fällen des § 23 Abs. 3, des § 98 Abs. 5 sowie der §§ 101 und 104 des Betriebsverfassungsgesetzes eine Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangshaft nicht erfolgt. Damit erfasst die Verweisungsregelung nach ihrem Wortlaut auch § 717 Abs. 2 ZPO, der zum Achten Buch der Zivilprozessordnung gehört. Zu den in § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG genannten Maßgaben zur Anwendbarkeit des Achten Buches der Zivilprozessordnung zählt nicht der Ausschluss des Anspruchs auf Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO. Anders als in der für das einstweilige Verfügungsverfahren geltenden Verweisungsregelung in § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, wonach für das einstweilige Verfügungsverfahren im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung über die einstweilige Verfügung ua. mit der Maßgabe gelten, dass ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 945 ZPO in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes nicht besteht, hat der Gesetzgeber in § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG die Regelung des § 717 Abs. 2 ZPO zum Schadensersatz wegen einer Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel nicht ausgenommen.
Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Fehlen einer § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG entsprechenden Regelung in § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG zum Anspruch auf Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruht. Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, dass der Gesetzgeber den Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO bei der vorläufigen Vollstreckung aus nicht rechtskräftigen Beschlüssen nicht generell ausschließen wollte.
Die Regelungen zur Anwendbarkeit der Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung auf die Zwangsvollstreckung aus arbeitsgerichtlichen Beschlüssen und auf einstweilige Verfügungen in Beschlussverfahren befinden sich in zwei aufeinander folgenden Absätzen derselben Norm. Dies spricht gegen die Annahme, dass der Gesetzgeber zwar für die in Absatz 2 geregelte einstweilige Verfügung einen Ausschluss des Anspruchs auf Schadensersatz nach § 945 ZPO ausdrücklich bestimmt, er für die im vorangegangenen Absatz derselben Norm geregelte Zwangsvollstreckung aus arbeitsgerichtlichen Beschlüssen jedoch übersehen hat, den Ausschluss des Schadensersatzanspruchs nach § 717 Abs. 2 ZPO zu regeln. Zudem existierte die Regelung des § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG bereits zu dem Zeitpunkt, als der Gesetzgeber die Bestimmung des § 85 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, nach welcher Beschlüsse des Arbeitsgerichts in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vorläufig vollstreckbar sind, in das Gesetz eingefügt hat. Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vom 21.05.19794 mit Wirkung zum 1.07.1979 erlassen. § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG war bereits durch § 124 Nr. 8 des Betriebsverfassungsgesetzes vom 15.01.19725 geschaffen worden. Wenn beabsichtigt gewesen wäre, den Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO bei der Zwangsvollstreckung aus vorläufig vollstreckbaren Beschlüssen der Arbeitsgerichte auszuschließen, hätte es nahegelegen, in § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG eine der bereits bestehenden Regelung in § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG entsprechende Maßgabe aufzunehmen. Da dies unterblieben ist, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber von einem generellen Ausschluss des Schadensersatzanspruchs nach § 717 Abs. 2 ZPO bewusst abgesehen hat.
Die Regelung des § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG zum Ausschluss des Schadensersatzanspruchs nach § 945 ZPO kann im Rahmen des § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht analog angewendet werden mit der Folge, dass § 717 Abs. 2 ZPO bei der Vollstreckung aus arbeitsgerichtlichen Beschlüssen nicht gilt.
Für eine analoge Anwendung des § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG besteht kein Raum. Eine analoge Anwendung setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus6. Daran fehlt es. Die Verweisungsregelung in § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ist – wie sich aus der Gesetzessystematik und der Gesetzgebungsgeschichte ergibt – nicht planwidrig unvollständig.
Eine sinngemäße Anwendung der Regelung in § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ist auch nicht wegen der Vermögenslosigkeit der betriebsverfassungsrechtlichen Stellen und ihres sich hieraus ergebenden Unvermögens zur Leistung von Schadensersatz geboten. Der Zweck des § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG geht über den Schutz der vermögenslosen betriebsverfassungsrechtlichen Stellen hinaus. Ein Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO ist gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG auch dann ausgeschlossen, wenn die einstweilige Verfügung nicht von vermögenslosen Organen der Betriebsverfassung, sondern von vermögensfähigen natürlichen und juristischen Personen beantragt worden ist, die Schadensersatz leisten können7. Die Vermögenslosigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Stellen gebietet es daher nicht, die Anwendbarkeit von § 717 Abs. 2 ZPO bei der Vollstreckung aus arbeitsgerichtlichen Beschlüssen generell auszuschließen.
Es war vorliegend nicht zu entscheiden, ob ein Ausschluss des Anspruchs auf Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO im Wege einer einschränkenden Auslegung des § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG in den Fällen geboten ist, in denen es um die Haftung vermögensloser betriebsverfassungsrechtlicher Stellen geht. Eine einschränkende Auslegung des § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kommt jedenfalls für Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht in Betracht. Der Schadensersatzanspruch richtet sich nicht gegen eine vermögenslose betriebsverfassungsrechtliche Stelle, sondern gegen den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats. Für dessen haftungsrechtliche Privilegierung besteht kein Grund.
Zu dem nach § 717 Abs. 2 ZPO zu ersetzenden Schaden gehört auch der fiktive Zinsverlust, den der Schuldner durch die Zahlung oder Leistung erleidet8. Für die Mindesthöhe des Zinsverlustes kann § 288 BGB entsprechend angewandt werden9.
Demnach steht der Arbeitgeberin ein Anspruch auf Ersatz ihres Zinsschadens in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) wegen des vom Antragsteller zu Unrecht beigetriebenen Betrags in Höhe von 5.871, 26 Euro zu. Die Arbeitgeberin hat durch die Zahlung ihrer Bank ihren Leistungsanspruch gegen diese verloren. Damit hat sie durch die ihr zuzurechnende Zahlung einen fiktiven Zinsverlust erlitten. Diesen hat der Antragsteller zu ersetzen. Gemäß § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist der Anspruch auf Erstattung als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen. Die Zahlung ist am 25.03.2011 erfolgt. Deshalb hat der Antragsteller die Zinsen ab dem 26.03.2011 zu zahlen.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12. November 2014 – 7 ABR 86/12
- BAG 18.12 2008 – 8 AZR 105/08, Rn. 49 mwN[↩]
- vgl. BAG 19.03.2003 – 10 AZR 597/01; BGH 20.11.2008 – IX ZR 139/07, Rn. 6[↩]
- aA die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. etwa GMP/Matthes/Spinner 8. Aufl. § 85 Rn. 26; GK-ArbGG/Vossen Stand September 2014 § 85 Rn. 32; Hauck in Hauck/Helml/Biebl ArbGG 4. Aufl. § 85 Rn. 6; ErfK/Koch 15. Aufl. § 85 ArbGG Rn. 3; HWK/Bepler 6. Aufl. § 85 ArbGG Rn. 3; Schwab/Weth/Walker ArbGG 3. Aufl. § 85 Rn. 42; GWBG/Greiner ArbGG 8. Aufl. § 85 Rn. 10; Roos in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 85 Rn. 35[↩]
- BGBl. I S. 545[↩]
- BGBl. I S. 13[↩]
- vgl. etwa BAG 24.05.2012 – 6 AZR 679/10, Rn. 16 mwN, BAGE 142, 1[↩]
- GMP/Matthes/Spinner 8. Aufl. § 85 Rn. 51; GK-ArbGG/Vossen Stand September 2014 § 85 Rn. 88; Schwab/Weth/Walker ArbGG 3. Aufl. § 85 Rn. 78[↩]
- vgl. BAG 18.12 2008 – 8 AZR 105/08, Rn. 33; BGH 3.07.1997 – IX ZR 122/96, zu II 2 der Gründe, BGHZ 136, 199[↩]
- BAG 18.12 2008 – 8 AZR 105/08, Rn. 33 mwN[↩]