Zuschuss zum Anpassungsgeld bei der RAG AG – und die Grubenwehrzulage

Nach § 2 Nr. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 des „Gesamtsozialplans zum Anpassungsprogramm der Deutschen Steinkohle AG“ vom 25.06.20031 ist das für die Ermittlung des Garantieeinkommens iSd. § 2 Nr. 7 Abs. 1 GSP 2003 maßgebende „Entgelt“ die Gegenleistung für die arbeitsvertraglich geleistete Arbeit.

Zuschuss zum Anpassungsgeld bei der RAG AG – und die Grubenwehrzulage

Das ergibt für das Bundesarbeitsgericht die Auslegung des Gesamtsozialplans2. Aus Sinn und Zweck der nach dem GSP 2003 zu gewährenden Leistungen folgt weiterhin, dass das synallagmatische Verhältnis aus dem Arbeitsvertrag selbst resultieren muss. Danach ist es für den Anspruch des Arbeitnehmers auf einen erhöhten Zuschuss zum Anpassungsgeld entgegen seiner Ansicht unerheblich, ob die Parteien neben dem Arbeitsverhältnis durch die Aufnahme des Arbeitnehmers in die Grubenwehr ein weiteres Vertragsverhältnis, gleich welcher Art, begründet haben. Ein solches zu den bestehenden arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehungen hinzutretendes weiteres Vertragsverhältnis und daraus resultierende Zahlungen sind nicht vom Schutzzweck des staatlichen Anpassungsgeldes erfasst und damit auch nicht nach dem GSP 2003 bezuschussungsfähig3.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm in der Vorinstanz4 ist mit der Begründung einer Mitgliedschaft in der Grubenwehr die dort geleistete Tätigkeit nicht Inhalt der arbeitsvertraglich versprochenen Dienste des Arbeitnehmers geworden (§ 611a BGB).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das Pflichtengefüge einer vom Arbeitnehmer übernommenen zusätzlichen Aufgabe wegen ihrer untrennbaren Verknüpfung mit dem Arbeitsverhältnis eine Erweiterung der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten begründen. Das ist anerkannt für die Bestellung eines Sozialen Ansprechpartners der Innenverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen5, eines Datenschutzbeauftragten6, einer Fachkraft für Arbeitssicherheit7 sowie eines Betriebsbeauftragten für Abfall8. Ob eine solche Bestellung durch den Arbeitgeber und eine darauf bezogene Zustimmung des Arbeitnehmers zu einer Einbindung der damit verbundenen Aufgabe in das arbeitsvertragliche Pflichtengefüge führt, ist durch Auslegung am Maßstab der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln9.

Eine solche Vertragsänderung folgt entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers weder aus dem Bestellungsschreiben vom 01.04.2005, aus dem Plan für das Grubenrettungswesen der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen Herne noch der VR 02/07 oder aus bergrechtlichen Verpflichtungen der Arbeitgeberin.

Eine Änderungsvereinbarung ergibt sich nicht aus dem zuletzt ausgehändigten Bestellungsschreiben vom 01.04.2005 an den Arbeitnehmer als verantwortliche Person für die Gerätestation des Rettungswesens, Brand- und Explosionsschutz in der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen Herne. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 15.10.201310 entschiedenen Fall befassen sich die typischen Willenserklärungen der Bestellungsurkunde, deren Erklärungswert das Bundesarbeitsgericht bestimmen kann, nicht mit arbeitsvertraglichen Pflichten. Vielmehr kam die Arbeitgeberin lediglich ihren gesetzlichen Pflichten aus §§ 131, 58 ff. BBergG nach. Gemäß § 131 iVm. § 60 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BBergG ist die Bestellung einer verantwortlichen Person der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen schriftlich zu erklären und sind deren Aufgaben und Befugnisse konkret zu beschreiben. Darauf beschränkt sich der Erklärungswert der jeweiligen Ausführungen in der Bestellungsurkunde.

Ein Pflichtengefüge mit einer engen Bindung an das Arbeitsverhältnis folgt – anders als das Landesarbeitsgericht meint – weder aus dem maßgebenden Plan für das Grubenrettungswesen Herne noch aus der VR 02/07. Letztere sieht für Übungen und Unterweisungen außerhalb der Schicht lediglich Pauschalen für grubenwehrbezogene Funktionen vor11. Soweit der Arbeitnehmer sich vor dem Bundesarbeitsgericht auf einen anderen Grubenrettungsplan bezogen hat, stehen diesem Vorbringen die unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entgegen. Bei dem Plan handelt es sich auch nicht um revisibles Recht, welches das Bundesarbeitsgericht unabhängig von den Feststellungen des Berufungsurteils zu berücksichtigen hätte (§ 545 Abs. 1, § 546 ZPO).

Ebenso folgt eine Erweiterung der arbeitsvertraglichen Pflichten nicht aus bergrechtlichen Bestimmungen. Die Arbeitgeberin ist weder nach dem BBergG noch nach der Bergverordnung für alle bergbaulichen Bereiche – Allgemeine Bundesbergverordnung (ABBergV) – gehalten, den ihr obliegenden Aufgaben des Grubenrettungsdienstes mit eigenen Arbeitnehmern im Rahmen bestehender Arbeitsverhältnisse nachzukommen12. Schließlich lässt die von der Arbeitgeberin zu verantwortende Organisation des Grubenrettungswesens durch die Hauptstelle für das Grubenrettungswesen, die deren Abteilung Technik und Logistikdienste zugeordnet ist, kein arbeitsvertragliches Pflichtengefüge erkennen. Diese hat auf das Rechtsverhältnis der Arbeitgeberin zu Personen, die sie mit der Wahrnehmung der Aufgaben der Grubenrettungswehr auf Grundlage des Plans für das Grubenrettungswesen Herne betraut, keinen Einfluss13.

Mit der Aufnahme des Arbeitnehmers in die Grubenwehr haben die Parteien dessen arbeitsvertragliche Pflichten auch nicht konkludent erweitert.

Bei den zur Begründung einer Mitgliedschaft in der Grubenwehr erforderlichen Willenserklärungen sowie deren Inhalten, die das Landesarbeitsgericht den Vorgaben des BBergG, den Regelungen des Plans für das Grubenrettungswesen sowie der VR 02/07 entnommen hat, handelt es sich um typische Willenserklärungen, die einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegen14.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt der Aufnahme des Arbeitnehmers in die Grubenwehr nicht der Erklärungsgehalt zu, arbeitsvertragliche Pflichten sollten erweitert werden. Keiner der vorstehend genannten Gesichtspunkte verhält sich zu einer arbeitsrechtlichen Einordnung der Tätigkeit eines Grubenwehrmitglieds15. Gleiches gilt hinsichtlich der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen für die gezahlten Grubenwehrzulagen. Dies beruht allein auf einer sozialversicherungsrechtlichen Einordnung der Grubenwehrzulage iSd. § 14 SGB IV. Zur Gestaltung einer arbeitsvertraglichen Beziehung verhält sie sich nicht16.

Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif.

Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob der Arbeitnehmer bereits nach seinem ursprünglichen Arbeitsvertrag als technischer Angestellter eine Tätigkeit als Hauptgerätewart schuldete. Das Landesarbeitsgericht hat keine näheren Feststellungen zum Vorbringen des Arbeitnehmers getroffen, er sei nach seinem Wechsel zur Hauptstelle für das Grubenrettungswesen ab 1981 zunächst als Gerätewart und ab 1996 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich als Hauptgerätewart eingesetzt und entsprechend vergütet worden. Sollte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit als Hauptgerätewart im Rahmen ihres Direktionsrechts zugewiesen haben, wäre die Grubenwehrzulage bei der Berechnung der Höhe des Zuschusses zum Anpassungsgeld nach dem GSP 2003 zu berücksichtigen.

Einem solchen Anspruch würde weder die Ausschlussfrist des § 20 Abs. 2 Satz 1 Tarifvertrag über allgemeine betriebliche Arbeitsbedingungen im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau vom 12.04.1975 (TV ABA) noch die mit der Berufungsbegründung erhobene Verjährungseinrede der Arbeitgeberin entgegenstehen. Der Zuschuss zum Anpassungsgeld ist kein Anspruch auf Ermittlung, Errechnung oder Zahlung von Lohn oder Gehalt, der allein von der Ausschlussfrist erfasst wird. Die Verjährungseinrede hat die Arbeitgeberin in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten. Damit ist der prozessuale Zustand wieder hergestellt, der vor deren Erhebung bestanden hat17.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2017 – 1 AZR 433/16

  1. GSP 2003[]
  2. BAG 7.06.2017 – 1 AZR 382/15, Rn. 11 f.; 15.10.2013 – 1 AZR 544/12, Rn. 14 ff.[]
  3. BAG 7.06.2017 – 1 AZR 382/15, Rn. 13 f.[]
  4. LAG Hamm, Urteil vom 12.05.2016 – 11 Sa 520/15[]
  5. BAG 30.09.2015 – 10 AZR 251/14, Rn. 13 ff., BAGE 153, 32[]
  6. BAG 29.09.2010 – 10 AZR 588/09, Rn. 12, BAGE 135, 327[]
  7. BAG 15.12 2009 – 9 AZR 769/08, Rn. 51, BAGE 133, 1[]
  8. BAG 26.03.2009 – 2 AZR 633/07, Rn.20, BAGE 130, 166[]
  9. vgl. BAG 29.09.2010 – 10 AZR 588/09, Rn. 12 f., BAGE 135, 327[]
  10. BAG 15.10.2013 – 1 AZR 544/12, Rn. 15[]
  11. BAG 7.06.2017 – 1 AZR 382/15, Rn. 18 f.[]
  12. BAG 7.06.2017 – 1 AZR 382/15, Rn.20[]
  13. BAG 7.06.2017 – 1 AZR 382/15, Rn. 21[]
  14. vgl. BAG 26.05.1998 – 1 AZR 704/97, zu III 1 der Gründe, BAGE 89, 31[]
  15. BAG 7.06.2017 – 1 AZR 382/15, Rn. 23[]
  16. sh. bereits BAG 7.06.2017 – 1 AZR 382/15, Rn. 23[]
  17. BGH 29.11.1956 – III ZR 121/55, zu 1 der Gründe, BGHZ 22, 267[]