Postbeschäftigungsunfähigkeit – und der Aufstockungsbetrag zur Rente

Nach § 5 Abs. 5 Buchst. d des Tarifvertrags zur Regelung des Besitzstandes aus der bisherigen VAP-Zusatzversorgung (TV BZV) vom 28.02.1997 ruht der Anspruch auf einen Aufstockungsbetrag zur Rente wegen Postbeschäftigungsunfähigkeit, solange und soweit dem Betriebsrentenempfänger die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus versicherungsrechtlichen Gründen abgelehnt wird, weil er der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Rente nicht nachgekommen ist, ohne dass es auf eine fiktive Betrachtung ankommt, ob auch aus anderen Gründen kein Rentenanspruch bestanden hätte.

Postbeschäftigungsunfähigkeit – und der Aufstockungsbetrag zur Rente

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall wurde über einen Aufstockungsbetrag infolge Postbeschäftigungsunfähigkeit gestritten. Die 1957 geborene Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin vom 30.10.1979 bis zum 30.06.2013 als Angestellte im Innendienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand unter anderem der Tarifvertrag zur Regelung des Besitzstandes aus der bisherigen VAP-Zusatzversorgung (TV BZV) vom 28.02.1997 kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Der TV BZV enthält unter anderem folgende Regelungen:

§ 3 – Eintritt des Leistungsfalls

Die Betriebsrente nach diesem Tarifvertrag wird gezahlt

b) wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung i. S. der gesetzlichen Rentenversicherung gem. des § 10 des Tarifvertrages über die Betriebliche Altersversorgung der Deutschen Post AG (Betriebsrente Post)

c) wegen Postbeschäftigungsunfähigkeit. Postbeschäftigungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Betriebs- oder Amtsarzt feststellt, dass der Arbeitnehmer infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft unfähig ist. Dies kann auch dann gegeben sein, wenn der Betriebs- oder Amtsarzt feststellt, dass der Arbeitnehmer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten mehr als drei Monate arbeitsunfähig erkrankt war und keine Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll arbeitsfähig wird. Die Feststellung der Postbeschäftigungsunfähigkeit erfolgt auf Veranlassung des Arbeitgebers oder auf Antrag des Arbeitnehmers unter Vorlage eines ärztlichen Attestes.

§ 4 – Leistungsfall der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung

(2) Im Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung gem. § 3 Buchstabe b) wird zu der Betriebsrente Post gemäß dem Tarifvertrag über die Betriebliche Altersversorgung der Deutschen Post AG (Betriebsrente Post) der Besitzstandsbetrag mit dem Dynamisierungsfaktor gem. § 2 Abs. 4 UAbs. 5 gezahlt. Solange der Betriebsrentenempfänger keine Leistungen auf Altersrente oder volle Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält, wird zusätzlich ein Aufstockungsbetrag multipliziert mit dem Dynamisierungsfaktor gem. § 2 Abs. 4 UAbs. 5 gezahlt.

Der Aufstockungsbetrag beträgt 33 % des für den Leistungsfall der Postbeschäftigungsunfähigkeit definierten Aufstockungsbetrages (§ 5 Abs. 2).

Auf den Aufstockungsbetrag werden Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung und der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung angerechnet. Von dieser Anrechnung bleiben ausgenommen gesetzliche Unfallrenten, deren Rentenbeginn vor Eintritt des Leistungsfalls lag.

§ 5 Abs. 5 gilt entsprechend.

§ 5 – Leistungsfall der Postbeschäftigungsunfähigkeit

(3) Der Betriebsrentenempfänger ist verpflichtet, sofort nach Vorliegen des betriebsärztlichen Gutachtens einen Antrag auf gesetzliche Rente zu stellen. Wird der Antrag auf gesetzliche Rente abgelehnt, ist der Betriebsrentenempfänger verpflichtet, die Beantragung spätestens nach Ablauf von 12 Monaten nach Zugang des Rentenbescheides zu wiederholen.Der Betriebsrentenempfänger ist zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft auf gesetzliche Rente erforderlichenfalls durch Zahlung freiwilliger Beiträge verpflichtet.

(4) Auf den Aufstockungsbetrag werden Leistungen der teilweisen Erwerbsminderungsrente, … angerechnet. …

(5) Der Anspruch auf Aufstockungsbetrag ruht, solange und soweit dem Betriebsrentenempfänger

a) Leistungen der gesetzlichen oder privaten (wenn ein Arbeitgeberzuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag geleistet wurde) Krankenversicherung gewährt werden.

b) seinen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfall- oder Rentenversicherung nicht geltend macht oder auf deren Auszahlung verzichtet.

c) die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ganz oder teilweise versagt wird.

d) die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus versicherungsrechtlichen Gründen abgelehnt wird, weil der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Rente nicht nachgekommen ist.

Nachdem die Arbeitnehmerin im Jahr 2012 länger arbeitsunfähig erkrankt war, wurde sie im November 2012 auf Veranlassung der Arbeitgeberin betriebsärztlich untersucht. Mit Bescheinigung vom 16.01.2013 wurde ihr Postbeschäftigungsunfähigkeit attestiert. Am 12.02.2013 stellte sie einen Antrag auf Betriebsrente Post gemäß TV BZV. Ab dem 1.07.2013 gewährte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin eine Betriebsrente in Höhe von 91, 03 Euro, einen Besitzstandsbetrag in Höhe von 154, 20 Euro sowie einen Aufstockungsbetrag in Höhe von 596, 19 Euro im Monat. Die Arbeitnehmerin beantragte eine Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung. Der Antrag wurde durch Bescheid vom 09.09.2013 mit der Begründung abgelehnt, die Arbeitnehmerin sei zwar aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf als Postmitarbeiterin zu arbeiten. Indes stünden gesundheitliche Gründe einer sonstigen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für wöchentlich sechs Stunden oder mehr nicht entgegen. Auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung lägen nicht vor. Auf erneute Antragstellung vom 23.10.2014 beschied die Deutsche Rentenversicherung die Arbeitnehmerin mit Bescheid vom 26.06.2015 gleichermaßen. Die Arbeitgeberin forderte die Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 15.07.2015, 13.01.2016 und 18.02.2016 auf, einen Nachweis über freiwillig entrichtete Versicherungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung vorzulegen. Die Arbeitnehmerin beantragte in den Jahren 2016 und 2017 erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Deutsche Rentenversicherung lehnte die Anträge mit Bescheiden vom 07.07.2016 und 28.03.2017 mit der Begründung ab, die Arbeitnehmerin erfülle nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Sie hätte mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erbringen müssen, in diesem Zeitraum jedoch nur zwölf Monate mit Pflichtbeiträgen vorzuweisen. Freiwillige Beiträge habe sie nicht geleistet. Am 8.11.2017 fand eine weitere betriebsärztliche Untersuchung der Arbeitnehmerin statt, bei der weiterhin ihre Postbeschäftigungsunfähigkeit festgestellt wurde. Die Arbeitgeberin teilte ihr unter Hinweis auf den ablehnenden Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 28.03.2017 mit Schreiben vom 16.11.2017 mit, dass der Aufstockungsbetrag ab dem 1.12.2017 nicht mehr gewährt werde.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat die daraufhin von der Arbeitnehmerin erhobene Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat die Berufung der Arbeitnehmerin zurückgewiesen1. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte nun die Urteile der Hamburger Vorinstanzen und wies auch die Revision der Arbeitnehmerin als unbegründet zurück; das Landesarbeitsgericht Hamburg habe die Berufung der Arbeitnehmerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts betreffend die Ansprüche für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.08.2020 zu Recht zurückgewiesen:

Der Anspruch der Arbeitnehmerin ruhte im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.08.2020 gemäß § 5 Abs. 5 Buchst. d TV BZV.

§ 5 Abs. 5 Buchst. d TV BZV bestimmt, dass der Anspruch auf den Aufstockungsbetrag ruht, solange und soweit dem Betriebsrentenempfänger die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus versicherungsrechtlichen Gründen abgelehnt wird, weil er der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Rente nicht nachgekommen ist.

Diese Umstände für ein Ruhen des Anspruchs auf den Aufstockungsbetrag lagen bei der Arbeitnehmerin im fraglichen Zeitraum vor. Aufgrund der Bescheide der gesetzlichen Rentenversicherung vom 07.07.2016 und 28.03.2017 steht fest, dass ihr die Zahlung einer Rente aus versicherungsrechtlichen Gründen abgelehnt wurde. Statt der erforderlichen 36 Monate Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in den letzten fünf Jahren (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) hatte sie nur zwölf Monate mit Pflichtbeiträgen vorzuweisen. Von der Möglichkeit einer Ersetzung durch freiwillige Beiträge (§ 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI) hatte sie keinen Gebrauch gemacht.

Es ist gemäß § 5 Abs. 5 Buchst. d TV BZV allein auf den Rentenbescheid und seine Begründung abzustellen. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmerin für den Fall, dass sie durch das Leisten freiwilliger Beiträge die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hätte, eine Rente bewilligt worden wäre. Der tarifliche Ruhenstatbestand stellt allein darauf ab, dass die gesetzliche Rentenversicherung eine Rentenzahlung abgelehnt hat, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Auf eine fiktive Betrachtung, ob möglicherweise auch aus anderen Gründen kein Rentenanspruch bestanden hätte, kommt es nach der Tarifbestimmung entgegen der Auffassung der Arbeitnehmerin nicht an. Auch das Merkmal „erforderlichenfalls“ in § 5 Abs. 3 Satz 3 TV BZV bezieht sich nicht auf die Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente in materieller Hinsicht. Es stellt vielmehr auf das Erfordernis freiwilliger Beiträge ab, wenn die Pflichtbeiträge für eine Versorgung aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausreichen.

Für dieses Verständnis sprechen – neben dem klaren Wortlaut der Tarifnorm – vor allem der erkennbare Sinn und Zweck sowie die Praktikabilität der Regelung. § 5 Abs. 5 Buchst. d TV BZV vermeidet, dass die Arbeitgeberin hypothetisch die inhaltlichen Anforderungen einer Erwerbsminderungsrente iSd. gesetzlichen Rentenversicherung neben der Feststellung der Postbeschäftigungsunfähigkeit – die nicht mit einer Erwerbsminderung identisch ist – prüfen muss. Ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente vorliegen, soll nach dem Regelungskonzept nicht durch die Tarifunterworfenen, sondern durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geprüft werden. Der Aufstockungsbetrag soll zudem, wie sich aus § 5 Abs. 1 Satz 2 TV BZV wie auch § 4 Abs. 2 Satz 2 TV BZV ergibt, eine gegenüber der gesetzlichen Rente subsidiäre Leistung nur für den Fall darstellen, dass keine gesetzliche Altersrente oder volle Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wird. Der Ruhenstatbestand des § 5 Abs. 5 Buchst. d TV BZV stellt dabei sicher, dass dieser Charakter nicht in der Weise durch das Verhalten der Betriebsrentenempfänger unterlaufen werden kann, dass sie nicht die gesetzlich möglichen freiwilligen Beiträge zur Aufrechterhaltung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung zahlen.

Dies dient dem berechtigten Interesse der Arbeitgeberin, ihre Kosten zu begrenzen, soweit Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erbracht werden oder dieses bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zumindest in Betracht kommt. Dem entspricht die Verpflichtung des Betriebsrentenempfängers gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 TV BZV, die Anwartschaft auf gesetzliche Rente erforderlichenfalls durch Zahlung freiwilliger Beiträge aufrechtzuerhalten, um bei einer Verschlechterung oder Veränderung des Gesundheitszustands in den Genuss der gesetzlichen Rente gelangen zu können.

Eine teleologische Reduktion oder ergänzende Vertragsauslegung im Sinne des Verständnisses der Arbeitnehmerin scheidet aus. Weder liegt – ausgehend vom Willen der Tarifvertragsparteien – die hierfür erforderliche unbewusste Regelungslücke vor, noch ist die Regelung nachträglich lückenhaft geworden2.

Grundrechtliche Wertungen stehen der Auslegung nicht entgegen. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht betroffen. Der Arbeitnehmerin wird nichts genommen, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen etwas nicht gewährt, worauf sie nicht einschränkungslos vertrauen durfte. Die Verpflichtung, die Anwartschaft auf gesetzliche Rente erforderlichenfalls durch Zahlung freiwilliger Beiträge aufrechtzuerhalten, ist nicht nur in § 5 Abs. 3 Satz 3 TV BZV geregelt. Die Arbeitnehmerin wurde hierauf außerdem bereits bei Antragstellung im Jahr 2013 ausdrücklich hingewiesen. Aus § 12 Abs. 1 GG kann die Arbeitnehmerin für ihre Versorgungsansprüche ebenfalls nichts für sie Günstiges ableiten. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ihr Arbeitsverhältnis wirksam beendet werden konnte, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BetrAVG, wonach Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Anrechnung von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen nur insoweit gekürzt werden dürfen, wie diese auf Pflichtbeiträgen beruhen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Ruhenstatbestand des § 5 Abs. 5 Buchst. d TV BZV bewirkt keine Kürzung oder Anrechnung von Leistungen der Ansprüche der Berechtigten in diesem Sinne. Die Zusage der Arbeitgeberin ist insoweit vielmehr bereits von Anfang an beschränkt. Ob der Anrechnungstatbestand des § 5 Abs. 4 TV BZV der gesetzlichen Anordnung in § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BetrAVG genügt oder Leistungen aufgrund freiwilliger Beiträge ausnehmen muss, ist hier nicht entscheidungserheblich3.

Ohne Erfolg beruft sich die Arbeitnehmerin schließlich auf § 28 Abs. 3 VVG. Ungeachtet der Frage, unter welchen Voraussetzungen danach die Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit mangels Ursächlichkeit für den Eintritt des Versicherungsfalls nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers führt, bestand zwischen den Parteien kein Versicherungsvertrag, in dem eine vertragliche Obliegenheit verletzt werden konnte4.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Juni 2025 – 3 AZR 157/24

  1. LAG Hamburg 09.04.2024 – 4 Sa 37/23[]
  2. vgl. zu den Voraussetzungen einer ergänzenden Tarifauslegung: BAG 2.07.2024 – 3 AZR 244/23, Rn. 29; 11.07.2019 – 6 AZR 460/18, Rn. 26 mwN; 23.04.2013 – 3 AZR 23/11, Rn. 29 mwN[]
  3. vgl. hierzu ErfK/Steinmeyer 25. Aufl. BetrAVG § 5 Rn. 12 mwN[]
  4. vgl. BGH 23.11.2016 – IV ZR 50/16, Rn. 12[]

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