Die Gesamtschuld der Ehegatten – und der Kindesunterhalt

In der Berücksichtigung einer vom Unterhaltsschuldner getragenen Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts kann regelmäßig keine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichsansprüche zwischen den Ehegatten nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt1.

Die Gesamtschuld der Ehegatten – und der Kindesunterhalt

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall streiten die Beteiligten über einen Gesamtschuldnerausgleich für von der Antragstellerin beglichene Darlehensraten für die Finanzierung des gemeinsamen Familienheims. Aus der 2010 geschlossenen Ehe der Beteiligten sind drei 2012, 2015 und 2018 geborene Kinder hervorgegangen. Auf Grundlage eines Gerichtsbeschlusses aus dem Jahr 2020 ist die Antragstellerin als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen. Die Ehe wurde durch seit 6.03.2021 rechtskräftigen Beschluss geschieden. Während der Ehe erwarben die Beteiligten je hälftiges Miteigentum an einem Familienheim und nahmen im Jahr 2015 hierfür gemeinsam vier Darlehen auf, die Ende 2019 noch mit insgesamt 364.000 € valutierten. Während des ehelichen Zusammenlebens beglich jeweils die Antragstellerin die Darlehensraten in Höhe von monatlich 941,48 €. Zusätzlich hatte die Antragstellerin zwei zur Sicherheit an den Darlehensgeber abgetretene Bausparverträge abgeschlossen, auf die sie monatliche Sparleistungen von 218,75 € bzw. 185 € erbrachte. Die Antragsgegnerin trug von ihrem Einkommen alle weiteren Lebenshaltungskosten der Familie. Im Februar 2019 zog die Antragstellerin aus dem Familienheim aus, beließ dort aber ihre Möbel. Tageweise betreute sie die gemeinsamen Kinder in dem Familienheim. Ab März 2020 gerieten die Beteiligten in Streit über die Finanzen, wobei die Antragsgegnerin Zahlung von Kindesunterhalt und die Antragstellerin eine Beteiligung an der Immobilienfinanzierung sowie Trennungsunterhalt verlangte. In der Folgezeit leistete die Antragstellerin Kindesunterhalt in Höhe von monatlich insgesamt 422,39 €, den das Jugendamt unter Berücksichtigung einer alleinigen Belastung der Antragstellerin mit den Darlehens- und Sparraten (insgesamt 1.345,23 €) für das Familienheim berechnet hatte. Zum 30.07.2021 veräußerten die Beteiligten die Immobilie und teilten den Erlös hälftig, ohne dass die zur Sicherheit abgetretenen Bausparverträge für die Darlehensrückzahlung eingesetzt werden mussten. Die Bausparverträge wurden vielmehr an die Antragstellerin zurückabgetreten, woraufhin diese die Verträge für sich und die Antragsgegnerin jeweils hälftig teilen ließ.

Das Amtsgericht Zeven -Familiengericht- hat den auf Gesamtschuldnerausgleich hinsichtlich der Darlehens- und Bausparraten in Höhe von monatlich insgesamt 672,61 € von Februar 2019 bis Dezember 2020 gerichteten Antrag zurückgewiesen2. Auf die – Beschwerde hat das Oberlandesgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, an die Antragstellerin 7.061,10 € nebst Zinsen zu zahlen3. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof als unbegründet zurückgewiesen:

Durch den gemeinsamen Abschluss von Darlehensverträgen zwecks Finanzierung des gemeinsamen Eigenheims gingen beide Ehegatten gegenüber der finanzierenden Bank eine gesamtschuldnerische Verpflichtung ein (§ 421 BGB). Im Verhältnis zueinander sind die Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben4.

Abweichend von der gesetzlichen Verteilungsregel hatten die Beteiligten während der Zeit ihres Zusammenlebens eine Vereinbarung getroffen, wonach die Antragstellerin die laufenden Darlehensraten und Ansparungen auf die Bausparverträge ohne Anspruch auf Geldausgleich allein bediente, während die Antragsgegnerin von ihrem Einkommen alle weiteren Kosten der Lebenshaltung der Familie trug. An dieser Vereinbarung hielten die Beteiligten nach den getroffenen Feststellungen auch noch fest, nachdem die Antragstellerin im Februar 2019 aus dem Familienheim ausgezogen war.

Zu Recht hat das Oberlandesgericht weiter angenommen, dass die zwischen den Beteiligten getroffene Bestimmung über den Gesamtschuldnerausgleich für die Zeit ab April 2020 ihre Gültigkeit verloren hatte.

Allerdings war die Vereinbarung der Ehegatten über ihre Verpflichtung im Verhältnis zueinander weder befristet getroffen noch aus Anlass ihrer Trennung beendet worden. Sie galt deshalb fort, bis eine andere Bestimmung an ihre Stelle trat oder die Vereinbarung ersatzlos entfiel und dadurch die gesetzliche Verteilungsregel zur Anwendung kam. Die Änderung oder das Entfallen einer bestehenden Vereinbarung ist dabei ein Umstand, den derjenige darlegen und beweisen muss, der aus der Änderung Rechte herleiten will5. Deshalb lag es an der Antragstellerin, Umstände darzulegen und zu beweisen, die die zuvor unbefristet getroffene Bestimmung mit Wirkung ab April 2020 entfallen ließ.

Solche Umstände hat das Oberlandesgericht jedoch tragfähig festgestellt. Denn die Grundlage einer Bestimmung über den Gesamtschuldnerausgleich entfällt dann, wenn die Ehegatten in einer späteren Phase ihrer Trennung den Willen äußern, deren finanzielle Folgen anders zu regeln6. Nach den Feststellungen hat die Antragsgegnerin von der Antragstellerin ab März 2020 Zahlung von Kindesunterhalt gefordert, woraufhin die Antragstellerin von der Antragsgegnerin die hälftige Erstattung der Hauslasten und die Zahlung einer Nutzungsentschädigung verlangt hat. Damit war die bisherige Übereinstimmung, dass die Antragstellerin die Darlehensraten und Sparleistungen trug, die Antragsgegnerin hingegen alle weiteren Lebenshaltungskosten der Familie, hinfällig geworden.

Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Oberlandesgericht angenommen, dass die Antragsgegnerin nicht hinreichend dargelegt oder bewiesen hat, dass für die Zeit ab April 2020 eine anderweitige Bestimmung über den Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Beteiligten getroffen wurde.

Eine neue Bestimmung über den Gesamtschuldnerausgleich ergibt sich nicht schon daraus, dass die Antragstellerin bei der Festsetzung des Kindesunterhalts durch das Jugendamt Darlehens- und Sparraten in voller Höhe von monatlich 1.345, 23 € von ihren Einkünften in Abzug gebracht hat, ohne einen Gesamtschuldnerausgleich gegenzurechnen, und die Antragsgegnerin dieses hinnahm und den dadurch entstehenden Minderbetrag an Kindesbarunterhalt aus ihren eigenen Mitteln ausglich. Denn in der Berücksichtigung einer vom Unterhaltsschuldner getragenen Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts kann regelmäßig keine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichansprüche zwischen den Ehegatten nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt. Es handelt sich nämlich insoweit schon nicht um wechselseitige Ansprüche der Ehegatten. Abgesehen davon würde durch diese Vorgehensweise regelmäßig im Ergebnis keine nahezu hälftige Aufteilung der Schuldentilgung unter den Ehegatten herbeigeführt7.

Soweit in der Literatur vertreten wird, eine andere Beurteilung sei dann angezeigt, wenn der Abzug der Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts zur Leistungsunfähigkeit des die Schuld Bedienenden führe und der betreuende Elternteil finanziell eingesprungen sei8, tritt der Bundesgerichtshof dem nicht bei. Denn bei Anwendung der vorgenannten Regel würde die Annahme des Bestehens einer anderweitigen Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB und deren konkreten Inhalts jeweils von Zufällen abhängen, die sich aus dem Umfang der Leistungsfähigkeit des Barunterhaltsverpflichteten einerseits und dem jeweiligen Bedarf (einschließlich Mehr- und Sonderbedarf) der Kinder andererseits ergeben und sich ohne Zutun, sogar ohne bewusste Wahrnehmung zumindest eines der Beteiligten, laufend ändern können. Es fehlte dann, schon da es nicht um wechselseitige Ansprüche der Ehegatten geht, an der notwendigen Rechtsklarheit.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. März 2024 – XII ZB 243/23

  1. im Anschluss an BGH, Urteile vom 26.09.2007 – XII ZR 90/05, FamRZ 2007, 1975; und vom 09.01.2008 – XII ZR 184/05 FamRZ 2008, 602[]
  2. AG Zeven, Beschluss vom 01.12.2022 – 4 F 126/21[]
  3. OLG Celle, Beschluss vom 17.05.2023 – 21 UF 3/23, FamRZ 2023, 1530[]
  4. BGH, Beschluss BGHZ 223, 374 = FamRZ 2020, 231 Rn. 15 mwN[]
  5. vgl. BGH Urteil vom 11.10.1994 – X ZR 30/93, NJW 1995, 49, 50 mwN[]
  6. OLG Brandenburg Beschluss vom 08.07.2020 – 15 UF 128/19 29 f.; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 385[]
  7. BGH, Urteile vom 26.09.2007 – XII ZR 90/05, FamRZ 2007, 1975 Rn. 16 f.; und vom 09.01.2008 – XII ZR 184/05, FamRZ 2008, 602 Rn. 10[]
  8. Meyer FamRZ 2011, 1703; Frank NZFam 2018, 783, 785; Borth FamRZ 2018, 826; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 437[]

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