Mit der Anpassung einer Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt und Kindesunterhalt bei späterem Hinzutreten weiterer Unterhaltspflichten (Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt) hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Der Wille der Parteien, den Unterhaltsanspruch völlig auf eine vertragliche Grundlage zu stellen und ihm damit das Wesen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs zu nehmen, kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesgerichtshofs nur beim Vorliegen besonderer dafür sprechender Umstände angenommen werden [1].
Solche Umstände vermochte der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall nicht festzustellen: Die in der Vereinbarung verwendete begriffliche Unterscheidung zwischen gesetzlichem und vertraglichem Unterhalt vermag eine rein vertragliche Natur des Unterhalts nicht zu begründen. Aus der Vereinbarung ergibt sich noch nicht, dass der Unterhalt nach den Vorstellungen der Vertragsparteien völlig unabhängig von den gesetzlichen Voraussetzungen zu gewähren sein sollte. Selbst wenn der gesetzliche Unterhalt in verschiedener Hinsicht, vor allem in Bezug auf die Höhe des Bedarfs, die Bedürftigkeit sowie die Leistungsfähigkeit und Dauer einschließlich einer damit verbundenen eingeschränkten Abänderbarkeit modifiziert worden ist, folgt daraus noch nicht, dass die Vertragsparteien gänzlich von der gesetzlichen Unterhaltsregelung Abstand nehmen wollen. Dies gilt vor allem für den Kindesunterhalt. Dass die Antragstellerin nach § 3 der ursprünglichen Vereinbarung den Antragsgegner von einem etwaigen weitergehenden gesetzlichen Anspruch auf Kindesunterhalt freigestellt hat, besagt nicht, dass der insoweit im Wege des Vertrags zugunsten Dritter nach § 328 BGB versprochene Unterhalt nicht den gesetzlichen Unterhalt darstellt. Eine den Kindesunterhalt ändernde Regelung konnte schon mangels Beteiligung des Antragstellers nicht wirksam getroffen werden (vgl. auch § 1614 BGB). Dass der Antragsgegner den vertraglich vereinbarten Kindesunterhalt zusätzlich zum gesetzlichen Kindesunterhalt zahlen sollte, liegt schließlich fern.
Die begriffliche Differenzierung zwischen vertraglichem und gesetzlichem Unterhalt weist demnach nur auf Abweichungen von der gesetzlichen Regelung hin, ohne dass dem Unterhalt das Wesen als gesetzlicher Unterhaltsanspruch genommen werden soll. Dass die vorliegende Vereinbarung den gesetzlichen Unterhalt lediglich modifizieren sollte, liegt schon deshalb nahe, weil der zu zahlende Unterhalt ausgehend vom gesetzlichen Unterhalt berechnet worden ist. Mit der Regelung in der ursprünglichen Vereinbarung haben die Vertragsparteien entsprechend dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Antragsgegners Rechnung getragen.
Wegen des von den Vertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarungen nicht vorhersehbaren Hinzutretens weiterer Unterhaltsberechtigter besteht eine Notwendigkeit zur Anpassung der Vereinbarung. Diese ergibt sich allerdings nicht aus § 242 BGB, sondern aus § 313 BGB [2].
Die geschlossenen Vereinbarungen sind unter Berücksichtigung der hinzugetretenen Unterhaltspflichten insoweit einerseits unter Wahrung der vertraglichen Vereinbarungen, andererseits nach dem gesetzlichen Unterhalt anzupassen.
Desweiteren muss auch bei der Ermittlung der Unterhaltshöhe im Rahmen der Anpassung der Vereinbarungen die gesetzliche Regelung berücksichtigt werden. Eine Kürzung des Unterhalts wegen hinzutretender Unterhaltspflichten bestimmt sich nach § 1581 BGB. Diese Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass die hinzugetretene Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten vor- oder gleichrangig ist [3].
Da die hinzugetretene Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau des Unterhaltspflichtigen (neben dem hinzugetretenen Kindesunterhalt) die Anpassung der Vereinbarungen erst begründet, ist sie auch bei der Anpassung entsprechend den gesetzlichen Wertungen des § 1581 BGB zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat in dem durch Hinzutreten weiterer Unterhaltspflichten ausgelösten relativen Mangelfall eine Kürzung des Unterhalts des geschiedenen Ehegatten stattzufinden. Diese kann grundsätzlich im Wege der Dreiteilung des Gesamteinkommens erfolgen [4], wobei die nach § 1581 BGB gebotene Billigkeitsabwägung im Einzelfall auch davon abweichende Ergebnisse, die neben dem Rang auf weitere individuelle Umstände gestützt werden können, erlaubt [5].
Soweit im Rahmen der Leistungsfähigkeitsprüfung gegenüber einem geschiedenen und einem gleichrangigen neuen Ehegatten bei der Billigkeitsabwägung eine Dreiteilung des vorhandenen Einkommens erfolgt, ist das gesamte Einkommen aller Beteiligten zu berücksichtigen [6]. Synergieeffekte durch das Zusammenleben des Unterhaltspflichtigen in einer neuen Ehe sind zu berücksichtigen. Der Vorteil des Zusammenwohnens ist nach der Bundesgerichtshofsrechtsprechung für die Ehegatten der neuen Ehe mit 10 % ihres Gesamtbedarfs in Ansatz zu bringen [7]. Nach der neueren Bundesgerichtshofsrechtsprechung ist zudem im Rahmen der Leistungsfähigkeitsprüfung ein Erwerbstätigenbonus nicht zu berücksichtigen [8].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. März 2014 – XII ZB 19/13
- BGH, Urteile vom 21.09.2011 – XII ZR 173/09 , FamRZ 2012, 699 Rn.19 mwN; und vom 25.01.2012 – XII ZR 139/09 , FamRZ 2012, 525 Rn. 32 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 25.01.2012 – XII ZR 139/09 , FamRZ 2012, 525 Rn. 38 ff.[↩]
- vgl. BGH, Urteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 38, 40, 48 f.[↩]
- BGH, Urteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 42 mwN[↩]
- BGH, Urteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 50 mwN[↩]
- BGH, Urteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 44 mwN[↩]
- BGH, Urteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 46 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 26.06.2013 – XII ZR 133/11 , FamRZ 2013, 1366 Rn. 87[↩]
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