Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Bedeutung des Dienstes in den Streitkräften (vgl. Artikel 87a, 17a, 12a, 60, 65a, 87b Grundgesetz) ist ein junger Mann, der sich nach der Beendigung der Schulausbildung für den freiwilligen Wehrdienst beworben hat, unterhaltsrechtlich nicht schlechter zu stellen als jemand, der eine Ausbildung beabsichtigt, so dass die diesbezüglichen Grundsätze entsprechend gelten:

Oftmals schließt sich eine Ausbildung nicht nahtlos an die Beendigung des Schulbesuches an, sondern es treten zeitliche Lücken auf. Zu der Frage, wie diese Lücken unterhaltsrechtlich zu behandeln sind, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das Amtsgericht Wismar teilt die Auffassung, dass nach dem Ende des Schulbesuches dem Sohn zunächst eine gewisse Erholungsphase zuzubilligen war1. Außerdem wäre dem Sohn, wenn er sich für eine Berufsausbildung entschieden hätte, auch eine angemessene Orientierungs- und Vorbereitungszeit einzuräumen gewesen, um sich zunächst einmal darüber klar zu werden, welchen Ausbildungsweg er einschlagen wollte und wo dies geschehen sollte, bevor er sich anschließend um eine Umsetzung seiner gefassten Entschlüsse bemühen konnte bzw. musste2. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners auf Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, die Ausbildung in angemessener Zeit aufzunehmen und sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen3.
Im vorliegenden Fall dürfte nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sein, dass der vorgesehene Dienstantritt bei der Bundeswehr auf einer unterhaltsrechtlich erheblichen Obliegenheitsverletzung des Sohns beruht. Diese Frage kann jedoch im Ergebnis offen bleiben, da dem Sohn jedenfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein fiktives Einkommen zugerechnet werden kann.
Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens würde erfordern, dass für den Sohn eine reale Beschäftigungschance für den Zeitraum zwischen dem Ablauf der Erholungs- und Entscheidungsfindungsphase und dem Dienstantritt bei der Bundeswehr bestünde, d. h. dass nach den subjektiven Voraussetzungen des Sohns und den objektiven Gegebenheiten des Arbeitsmarktes mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre, dass der Sohn eine Stelle finden würde. Unter Berücksichtigung dessen, dass der Sohn als 18-jähriger Abiturient weder eine Berufsausbildung noch Berufserfahrung haben dürfte – der Vater hat dergleichen jedenfalls nicht vorgetragen, ein Arbeitgeber mindestens den gesetzlichen Mindestlohn von 8, 50 €/Stunde zahlen müsste, der Sohn in einer Kleinstadt mit weniger als 4000 Einwohnern im Osten des Landkreises Nordwestmecklenburg wohnt, es sich um einen begrenzten Zeitraum handelt und in der bestehenden Jahreszeit typischerweise viele im Baugewerbe Berufstätige freigestellt werden und damit dem Arbeitsmarkt als besser qualifizierte Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, kann aber nicht ohne weiteres mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit eine reale Beschäftigungschance angenommen werden.
Amtsgericht Wismar, Beschluss vom 16. November 2016 – 3 F 812/16