Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt nicht gegen Recht der Europäischen Union1.

Maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU ist der gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerbegriff. Der in Art. 45 AEUV verwendete Begriff des Arbeitnehmers hängt nicht von der Arbeitnehmerdefinition des jeweiligen nationalen Rechts ab, sondern wird für alle Mitgliedstaaten einheitlich durch das Unionsrecht bestimmt und ist weit zu verstehen.
Beim Bundesfreiwilligendienst nach dem BFDG handelt es sich nicht um Tätigkeiten, die Bestandteil des regulären Arbeitsmarktes sind, weshalb hierdurch keine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU begründet wird.
Nach dem gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff, wie ihn der EuGH entwickelt hat, sind die Grundmerkmale eines Arbeitsverhältnisses das Abhängigkeitsverhältnis und die Zahlung einer Vergütung2. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass es sich beim Freiwilligendienst auf der Grundlage des BFDG nicht um ein Arbeitsverhältnis nach nationalem Recht handelt, sondern durch die Vereinbarung zwischen Bund und Freiwilligem ausweislich der Gesetzesbegründung ein „öffentlicher Dienst des Bundes eigener Art“ begründet wird (vgl. BR-Drucksache 849/10, S. 29); ebenso ohne Belang ist die Produktivität des Betreffenden, woher die Mittel für die Vergütung stammen oder auch, dass sich die Höhe der Vergütung in Grenzen hält3. Auch der Umstand, dass keine Vergütung, sondern lediglich die Gewährung von Taschengeld und Sach- bzw. Sachersatzleistungen erfolgt, schließt deshalb die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nach Unionsrecht nicht aus; so führt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bereits eine wöchentliche Stundenzahl von 7,4 Std. zur Arbeitnehmereigenschaft; das Bundessozialgericht hat dabei einem Monatsverdienst von lediglich 100,- EUR keine dem entgegenstehende Bedeutung beigemessen4.
Als tatsächliche und echte Tätigkeiten im Sinne der Rechtsprechung des EuGH können indes nur solche tatsächlich erbrachte Leistungen angesehen werden, die auf dem Beschäftigungsmarkt üblich sind5. Eine Berufung auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist deshalb nur dann statthaft, wenn die ausgeübte Tätigkeit dem Wirtschaftsleben im Rahmen des „Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ im Sinne von Artikel 3 Abs. 2 EUV zuzurechnen ist6. Bei den Tätigkeiten, die der Antragsteller im Rahmen seines Freiwilligendienstes zu erbringen hat, handelt es sich aber nicht um die auf dem regulären Beschäftigungsmarkt üblichen Tätigkeiten. Dies ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 1 Satz 3 BFDG, wonach der Bundesfreiwilligendienst arbeitsmarktneutral auszugestalten ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung wird damit sichergestellt, dass die Freiwilligen unterstützende, zusätzliche Tätigkeiten verrichten und keine hauptamtlichen Kräfte ersetzen7. Hierzu wird die Voraussetzung der Arbeitsmarktneutralität vor jeder Anerkennung eines Dienstplatzes durch die zuständige Bundesbehörde geprüft und anschließend durch die Außendienstmitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle kontinuierlich überwacht8. Durch die zeitlichen Begrenzungen in § 3 Abs. 2 Satz 5 BFDG soll nach der Gesetzesbegründung sichergestellt werden, dass niemand den Bundesfreiwilligendienst zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ableistet und dass eine regelmäßige Neubesetzung der Einsatzplätze stattfindet9.
Vor dem Hintergrund dieser Regelungen kann der Bundesfreiwilligendienst nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt zugerechnet werden. Die Situation stellt sich hier anders dar, als im bereits vom EuGH entschiedenen Fall eines Klägers, dem im Rahmen des damaligen § 19 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz eine befristete Beschäftigung zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt bei marktüblichem Tätigkeitsfeld und marktgerechter Vergütung zur Verfügung gestellt worden ist. In letzterem Fall hat der EuGH dann auch maßgeblich auf die gewährte übliche Vergütung sowie den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses nach deutschem Recht abgestellt und die gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft bejaht10, also Umstände herangezogen, die hier gerade nicht gegeben sind.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. August 2012 – L 13 AS 2352/12 ER-B
- Anschluss an LSG Baden-Württemberg vom 16.5.2012 – L 3 AS 1477/11[↩]
- EuGH vom 7. September 2004 Trojani – C-456/02 Trojani a.a.O.[↩]
- EuGH Trojani, a.a.O.[↩]
- BSG a.a.O.; andere Auffassung, allerdings ohne nähere Begründung LSG Berlin-Brandenburg vom 05.03.2012 – L 29 AS 414/12 B ER[↩]
- EuGH Trojani a.a.O.[↩]
- Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Artikel 45 AEUV Rdnr. 81 m.w.N.[↩]
- vgl. BR-Drucksache 849/10, S. 24 f.[↩]
- vgl. BR-Drucksache a.a.O.[↩]
- BR-Drucksache 849/10, S. 25[↩]
- EuGH, vom 26. November 1998 Birden – C-1/97[↩]